Kunst als Zielscheibe

Kunst als Zielscheibe

Screenshot Everything I Do is ArtDas in der Überschrift skizzierte Konzept ist nicht wirklich neu – eine ganze Legion von Hobbymalern etwa ist in den ländlichen Gefilden Österreichs damit beschäftigt, sogenannte „Ehrenscheiben“ für diverse Hobbyschützen-Bewerbe zu bemalen. Medienkünstler Chris Reilly hat die Idee quasi für die digitale Welt weiterentwickelt – nachzulesen im we make money not art blog.

Everything I Do is Art, But Nothing I Do Makes Any Difference stellt eine Reaktion auf die jüngste Aktion „Everything I do is Art“ von Pat Rios dar: der hatte einen New Yorker Gallerieraum mit einem Sammelsurium aus sperrmüllartigen Gegenständen gefüllt. Reilly transferierte den Gallerieraum in die virtuelle Welt von Half-Life: während der Live-Videoperformance „interagierte“ der Künstler mit seiner virtuellen Umgebung, indem er Rios‘ Installationen mit dem Raketenwerfer sprengte und mittels Maschinenpistole „Chris“ an die Wand schrieb. Reilly dazu:

After all, if everything you do is art, that’s kind of like saying nothing you do is art; everything’s on the same level. That condition goes along well with a video game, where everything is basically without consequence. If you die, just start over and everything’s back to the way it was.

In einer weiterentwickelten Version, deren Titel sich an meine absoluten Lieblings-Kubrick anlehnt, durften die Besucher selbst eine nachgebaute Gallerie erkunden – allerdings waren sie dabei ständigen Angriffen der Original-Monster aus dem Spiel ausgesetzt; wüste Zerstörung von Kunstwerken brachte dabei Extrapunkte ein. Everything I Do is Art, But Nothing I Do Makes Any Difference, Part II Or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Gallery

Everything I Do is Art

The entire 50,000+ square foot gallery has been meticulously modeled, along with some of the artwork from the show [mostly that of my friends and classmates].
The sophisticated Ai systems of the Source engine have been utilized in this version to unleash attacks of monsters, aliens, robots and zombies on unwitting virtual gallery attendants. Luckily, health points and extra ammo can be earned by destroying the artwork. Players/performers are also given more options for expressive destruction of the gallery walls, including cans of brightly colored paint, in addition to sawblades and harpoons.

1995 zeigte Orhan Kipcak auf der Ars Electronica eine Installation namens ARSDOOM – basierend auf der Doom-Engine metzelte sich der Spieler durch’s Linzer Bruckernhaus:

In the agony of a hermetic world, the visitor, armed with color gun and water hose, slips on the character masks of Beuys, Rainer, Baselitz or Koons. The desperate efforts of a misguided will to create – trapped in a loop of desperate creativity, tapping the aesthetic arsenal – and at the same time, destruction.

Nicht nur die bloße Darstellung visuell und akustisch immer realistischerer 3D-Welten beschäftigt also Künstler – sondern auch der inhärente Faktor Gewalt. Die avanciertesten und besten 3D-Simulationen für handelsübliche Rechner wurden erst mal programmiert, um darin exzessiven Waffengebrauch zu üben. Allerdings besagt das Gesetz der Entropie, dass destruktive Interaktion schlicht leichter umzusetzen ist als konstruktive: ein Maschinengewehr stellt sozusagen das naehzu primitivstmögliche Interface in einer 3D-Welt dar. Erst mit avancierteren Modellen, Programmiertechniken und mehr Erfahrung mit 3D-Simulationen werden sozusagen „konstruktive“ Prinzipien tragfähig – Second Life wird noch viele Nachfolger finden.

Kontext/Switch:
Solche Installationen sind ein spannender Beitrag zur momentan wieder verstärkt aufflammenden Diskussion um „Killerspiele“ – natürlich werden wohl auch in diesem Jahr unter zahlreichen Weihnachtsbäumen Konsolen und Games liegen. Die Frage nach dem kausalen Zusammenhang von medialer Gewalt und realen Gewaltausbrüchen ist indes ja keine neue. Einigermaßen überrascht im pessimistischen Chor der Massenmedien hat mich das Editorial der aktuellen c’t Ausgabe: eine äußerst lesenswerte satirische Stellungnahme gegen überzogene und einseitige Reaktionen.

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

Schreibe einen Kommentar