Christina Stürmer und die Bundeshymne
Während die übrigen Absolventen der österreichischen Pop-Casting Show Starmania ihre traurigen Tage auf Zeltfesten fristen dürfen, gelang es der Niederösterreicherin Christina Stürmer bereits vor Jahren, eine respektable Karriere zu starten. Gewonnen hatte sie im Jahr 2003 zwar nicht, die Teilnahme hat sich für sie aber auf jeden Fall ausgezahlt. Eine ausführliche Bio findet man – na wo sonst? – natürlich auf Wikipedia, aber momentan interessiert vor allem der „Skandal“ um eine Neuinterpretation der Bundeshymne.
Unterrichtsministerin Claudia Schmied hatte die Musikerin mit dem besagten „Remix“ beauftragt – abgesehen davon, dass die elegischen Harmonien einer rockigen Inszenierung wichen, wurde der Text des Refrains geändert. Anstatt „Heimat bist du größer Söhne“ heißt es nun „Heimat bist du großer Söhne und Töchter“. Auf der Kampagnenseite zur Bildungsreform gibt’s den Song zum Download, und so hört sich das Ganze an:
[audio:christina_stuermer_hymne.mp3]
Nun denn, eigentlich keine große Sache – hätten nicht die Erben des Textdichters vor wenigen Tagen mit einer Klage gedroht. Ihre Argumentation:
Stürmer singt in ihrer Version von der Heimat „großer Söhne und Töchter“. Diese Textänderung, im Original ist nur von Söhnen die Rede, sei ein „Eingriff in das Persönlichkeitsurheberrecht“, sagte Ulrich Schulenburg, Geschäftsführer des Sessler-Verlags, der die Erben der Textdichterin Paula von Preradovic vertritt.
Zudem hält Schulenburg eine „poppige Version“ der Bundeshymne generell für eine Absurdität: „Das kann nicht im Sinne des Staates sein.“ Der Verlag vertritt auch die Erben von Victor Keldorfer und Max Schönherr, von denen die Chor- und Orchesterbearbeitung der ursprünglich Wolfgang Amadeus Mozart zugeschriebenen Freimaurerkantate stammt.
Bereits heute legte sich die Aufregung aber wieder – denn da waren offensichtlich Rechtsvertreter ohne Auftrag des eigentlichen Mandanten tätig geworden:
„Der Autor und Verleger Fritz Molden und ich sind die Erben nach Paula von Preradovic“, so Hetzer-Molden. Rechtliche Schritte gegen Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) und die Sängerin Christina Stürmer werde es keine geben.
Auch im Falle einer Textänderung werde keinesfalls mit rechtlichen Schritten gedroht, betonte Koschka Hetzer-Molden in einem Statement gegenüber der APA – „mich hat auch keiner danach gefragt.“ Im Übrigen gehöre die Bundeshymne bekanntlich der Republik.
Diese kleine Anekdote zeigt einmal mehr den einen Streit um Nationalrepräsentation, der in Österreich in den letzten Jahrzehnten immer wieder aufflammte: ist es zeitgemäß, ein einer Nationalhymne ganz explizit den weiblichen Teil der Bevölkerung auszuklammern? Mir erscheint die Zeile „Heimat großer Söhne“ hochgradig absurd, und es kann nicht schaden, sich den historischen Entstehungskontext des Textes vor Augen zu führen: als die Zeilen verfasst wurden, durften Frauen noch nicht einmal wählen! Für mich handelt es sich insofern bloß um die Perpetuierung eines chauvinistischen Anachronismus. Schon einmal wollte eine Frauenministerin die „Töchter“ offiziell in den Hymnentext einfügen, und nun hat Gabriele Heinisch-Hosek dies erneut gefordert.
Ich weiß nicht, ob es unbedingt erforderlich ist, „Töchter und Söhne“ einzufügen; man könnte den Text ja stattdessen auch beispielsweise in „Heimat bist du großer Menschen“ in abändern. Stammleser dieses Blogs mag meine Meinung angesichts meiner hartnäckigen Verweigerung des fürchterlichen „Binnen-I’s“ überraschen. Letzteres beeinträchtigt die Lesbarkeit von Text und löst kein Problem, sondern verlagert es bloß – denn beim lauten Vorlesen oder auch beim „akustischen Lesen“ wird im Klang nicht zwischen männlich und weiblich unterschieden, das Binnen-I klammert also bloß die andere Hälfte der Bevölkerung aus. Allerdings handelt es sich hierbei um die freie Entscheidung des Autors, während im Fall der Bundeshymne die Sache komplett anders gelagert ist: schließlich dient dieses Werk ganz explizit und ausschließlich der Repräsentation und kann in diesem Sinne wohl kaum als individuelle Ausdrucksform verstanden werden. Insofern bin ich gespannt, ob die durch Christina Stürmers Rockhymne neu aufgeflammte Diskussion diesmal Ergebnisse zeitigen wird.
Ein paar Worte noch zur inkriminierte „Rockhymne“ und ihrer Interpretin: Ich bin aufgrund meiner langjährigen Hip Hop, Dub, DnB, Breakbeat und Techno Sozialisation nun wahrlich kein Freund der Rockmusik. Dennoch verwundert es mich immer wieder sehr, wenn Hobby-Musikkritiker behaupten, Christina Stürmer wäre eine schlechte Musikerin. Hier mag womöglich ein wenig Casting-Show Nachgeschmack mitwehen, doch zu Unrecht: die junge Dame hat eine sensationelle Stimme, die mich seit ihrem ersten Auftritt fasziniert hat. Über ihre Tracks (und deren Markt-Optimierung) könnte man sicherlich trefflich streiten, aber ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass „Christl“, wie ihre Fans sie nennen, in späteren Jahren die rockigen Gewässer umschifft und sich Soul und Funk zuwendet – aber das ist nur meine persönliche Meinung.
Abschließend bleibt mir nur fest zu stellen, dass Christina mit ihrer Neu-Interpretation der Bundeshymne durchaus ein Ohrwurm geglückt ist. Beim ersten Anhören hat mich das akzentuierte „und Töchter“ im Refrain mehr irritiert als begeistert, mittlerweile ertappe ich mich dabei, wie mir der Refrain im Kopf rumschwirrt. Ein Soul-Album wär echt mal großartig.
das wärs, die frau stürmer singt soul und toastet über dubstep.
hatten wir die heimat bist du debatte nicht schon mal bei frau rauch-kallat?
ist das so eine groundhog day debatte, die immer wieder kommt, wo aber nichts entschieden wird.
im sinne der werktreue bin ich mir nicht so sicher, ob hier der text geändert werden sollte, ist bei büchern ja auch immer seltsam, wenn das von denkern wie kant und adorndo gedroppte n-wort ex post in schwarzer geändert wird.
heimat bist du voller koffer
Hehe… das wär mal eine Textänderung! :pirat:
Im übrigen bräuchten wir wirklich ganz dringend eine Dubstep-Bundeshymne; da sollten wir wohl mal bei Gelegenheit 2/3 von the24seven entführen und zum Produzieren zwingen!
Christina Stürmer ist eine von den einzigen Stars, die aus Casting-Show hervorgekommen sind, die ich mag, eigentlich mag ich die fast alle nicht, aber sie ist echt gut!
ich meine, c. stürmer ist aus OBERÖSTERREICH.
egal, wie + was sie singt.
Ja, ich glaub auch – aber soweit ich weiß, wohnt sie in NÖ.
„die Perpetuierung eines chauvinistischen Anachronismus“
Schön gesagt. Aber wenn ich dran denke, was diese Kampagne wohl kostet – ohne dabei den geringsten Nutzen zu haben – und dass ich ich für so einen Schmarrn Steuern zahlen muss, wird mir schon richtig übel…
Okay, von der Seite betrachtet hast du recht – man kann ja auch kaum von Künstlerförderung sprechen; Christl hat die (zum Glück) definitiv nicht nötig :king:
Ganz ehrlich: Die „Christl“ ist ein grundsympathischer Mensch, dessen Karrierekurve nach zwei Jahren dramatisch abgeflacht ist. Nun hat sie mit Steuergeldern ein überschaubares Skandälchen. Ihr Management sieht sie wieder am richtigen Weg und alles wird gut. Hier geht es nicht um Chancengleichheit, faire Entlohnung für Frauen, Gewissensfragen oder les- bzw. hörbare deutsche Sprache. Da die Christl *eigentlich* singen kann und auch so wirkt, als hätte sie was für ernsthaftes Musikschaffen unter der Fahne des „Alternative“ übrig, wär es wohl zielführender, wenn sie sich als Musikerin von Managern emanzipiert, die ihr sowas anraten, als in unnötige Scheingefechte unter der Fahne der Emanzipation geschickt zu werden.
Eine gänzlich neue Bundeshymne müsste her!
Also, mein Vorschlag wäre, auf eine diffuse Heimatduseligkeit gänzlich zu verzichten und stattdessen eine Hymne einzuführen, die sich mit den zentralen Pfeilern der Bundesverfassung, nämlich den Grundprinzipien (Demokratie, Republik, Bundesstaat, Rechtsstaat, Grundrechte), auseinandersetzt. Solche Werte sind wirklich wichtig und eben nicht die Lobpreisung der schönen Berge und des schönen Stromes, so etwas gibt es auch in unrechtsstaatlichen Diktaturen! Und schließlich sind uns Zentraleuropäern diese Grundwerte nicht vom Himmel zugeflogen: lange, zäh und blutig war das Abtrutzen!
Im Rahmen eines Hymnenwettbewerbes des FM4 Soundpark, der wahrscheinlich auch als Satire auf die Gender-Hymnen-Forderung 2005 ins Leben gerufen wurde, haben mein Bruder und ich (die Band „Die kreuzfidelen Jammertaler“) das sogenannte „Kelsenlied“ geschrieben. Der Titel ist eine Hommage an Hans Kelsen (ein weltberühmt gewordener österreichischer Rechtsphilosoph und Staatsrechtler, der maßgeblich am Bundes-Verfassungsgesetz 1920 mitgewirkt hat), der Text ist eine Lobpreisung der Bausteine der Verfassung. Der Text lautet folgendermaßen:
1.
Demokratie, sei hoch geachtet
Wir bestimmen, was geschieht
Lange haben wir geschmachtet
Heut‘ nur uns man herrschen sieht
Abgeordnete, stets beachtet
Wahret stets das Menschenrecht
Friede, Wohlfahrt niemals schlachtet
Sonst droht Unheil und Gefecht
2.
Republik, sei hoch geschätzet
Keine höh’re Macht lenkt uns
Staat und Kirche nicht vernetzet
Kein Gott eines Kaisers Tuns
Bundesstaat soll sich nicht ändern
Voll der dezentralen Kraft
Ausgleich zwischen Bund und Ländern
Kompetenzverteilung schafft
3.
Rechtsstaatlichkeit, sei hoch verehret
Der Vollzug nur nach Gesetz
Rechtsanspruch wird nicht verwehret
Mit Bescheid und Urteil geht’s
Und der Rechtsschutz uns bescheret
Jedes Spruches Revision
Auf diese Weis‘ Konfliktlösung währet
In geordneter Façon
Die Melodie entstammt dem bekannten Kirchenlied „Heiliges Kreuz, sei hoch verehret“.
Den Hymnen-Contest samt anderen auch albernen, satirischen usw. Texten finden Sie am besten, wenn die die Seite der kreuzfidelen Jammertaler (http://fm4.orf.at/soundpark/d/diekreuzfidelenjammertaler) aufrufen und dann dem Link auf der rechten Seite (dort geht es zu „befreundeten“ Bands oder Projekten) folgen. Viel Vergnügen und möge die Diskussion um Hymnen-Alternativen fruchtbar sein!
Der Bürderbub
Macht total Sinn vom Inhalt… kA, warum as ganze ein wenig wie eine Parodie klingt; aber das liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit bloß an mir, weil’s ein Kirchenlied ist. :satan:
„…und es kann nicht schaden, sich den historischen Entstehungskontext des Textes vor Augen zu führen: als die Zeilen verfasst wurden, durften Frauen noch nicht einmal wählen!“
„Im April 1946 wurde bei einem Preisausschreiben gegen ein Preisgeld von damals beachtlichen 10.000 Schilling ein „Lied hymnischen Charakters, das den neuen österreichischen Bundesstaat und seine Menschen im In- und Ausland sowohl textlich als auch musikalisch würdigt“ gesucht. Auf das Preisausschreiben erfolgten etwa 1.800 Einsendungen, 29 davon gelangten in die engere Auswahl … Die Jury entschied sich für Preradovics Text und am 25. Februar 1947 erfolgte ein Ministerratsbeschluss, der den Preradovic-Text Land der Berge, Land am Strome in leicht veränderter Form als neue Nationalhymne proklamierte.“ quelle http://de.wikipedia.org/wiki/Land_der_Berge,_Land_am_Strome
„Somit wurde 1918 das Wahlrecht auch den Frauen zuerkannt“ Quelle
also irgendwie ist deine theorie nicht ganz stimmig, weil die entstehung des textes im konnex mit dem frauenwahlrecht zeitlich nicht wirklich miteinander zu tun haben, oder? schließlich liegen da 29 jahre dazwischen ;-)
D’oh! Ertappt. Ich hab mich bei der Jahreszahl des Textes vertan… aber sag mal: wurde der Preradovics Text für die Ausschreibung gemacht, oder nicht doch schon vor 1918 geschrieben?
soweit ich weiß, wurde er im zuge der ausschreibung verfasst. zumindest stand das so oder ähnlich in den meisten berichten zum thema. müsste man recherchieren, aber dazu fehlt mir jetzt die zeit…
Also ich weiß ja nicht, wie Werquer zu der Annahme kommt, Christina Stürmers „Karrierekurve sei nach zwei Jahren dramatisch abgeflacht“. Sie hat bereits wieder eine neue Single auf dem Markt gebracht und im österreichischen Madame Tussauds wird sie 2011, nach der Eröffnung, auch bald zu sichten sein. Und ich denk mir, wenn man es bereits ins Wachsfigurenkabinett schafft, dann ist keinesfalls von einem Abflachen der Karrierekurve zu sprechen.
Das ist eine kausale Logik, der man sich nur schwerlich entziehen kann – zum Glück gibt’s da nicht die Wiener-Straßennamen-Regelung, dass man erst nach dem Ableben gewachst werden darf… und natürlich setzt die Madame (Tussaud, nicht Stürmer) auf Lokalisierung.
Aber wie auch immer – ich mag die Christl ja, und du hast recht: vor allem in Deutschland verkauft sie recht brav.
Auch hier in Deutschland ist ja Christina Stürmer sehr bekannt und beliebt, aber dass mit der Hymne hatte ich gar nicht mitbekommen. Ich habe mir den Song mal eben auf einem Videoportal angehört. Ist doch cool geworden :-)
Christina Stürmer ist cool und die Hymne ist sehr sehr cool.
:-? :smoking666: :frog3:
großer fan der christl, hab auch auch nix davon mitbekommen. ich glaub ich muss runter ziehen. aber bei dem lied stolpert sie irgendwie über die textvorlage.. :frog7: kommt nicht wirklich in fahrt das lied… mag sie trotzdem. ;-)
I <3 Christina Stürmer