WBF Thesen revisited

7 Thesen zum Bloggen – 7 Jahre nach dem World Blogging Forum

Es wird dieser Tage auch schon wieder bald sieben Jahre her gewesen sein, dass sich in den eiligen Hallen der Telekom Austria 200 Bloggerinnen und Blogger trafen, um über Gegenwart und Zukunft der Blogosphäre im speziellen und der sozialen Netzwerke im allgemeinen zu diskutieren. Im Nachfeld des World Blogging Forum Vienna haben wir sieben Thesen aus den einzelnen Sessions und Gesprächsrunden der Veranstaltung extrahiert. Filtriert. Oder sublimiert. Jedenfalls hat Julia Petschinka mich heute Morgen einmal mehr daran erinnert, dass sich die Zeiten ändern und gefragt, wie ich besagte Keyfacts heute zusammenfassen würde.

1.) The content in your social network is as interesting/relevant/useful as the people in your network.

Daran hat sich nichts Grundlegendes geändert: Es sind immer noch die Menschen und nicht die Maschinen, die stinken und schwitzen und sich wunderbar derbe Witze erzählen. Allerdings sind viel häufiger Menschen in der einen oder anderen Form statt für Spaß gegen Bezahlung auf Facebook & Co. unterwegs. Also mehr Brand-Ambassadore statt Ego-Surfer.

2.) Blogging is a passion, not a profession. The business models of old media do not work with blogs. It’s about relevance of content. Not about relevance for the advertising industry.

Blogging ist in Österreich noch viel weiter davon entfernt ein Beruf zu sein als vor sieben Jahren. Zumindest, wenn wir von unabhängigen Blogs sprechen – darunter verstehe ich analog zu „unabhängigen Medien“ in erster Linien selbst finanzierte, selbst verantwortete Weblogs. Und für die Werbeindustrie sind Blogs nicht relevanter geworden, sondern noch viel mehr: Sie sind nachhaltig, effizient und unumkehrbar Teil ebendieser Werbeindustrie geworden. Geschluckt mit Haut und Haaren und halbverdaut wieder ausgespuckt. Blogs sind nicht als Werbeumfeld relevant, sondern als Werbung. Influencer bannen sich mit dickem Grinser im Gesicht den direkten Weg in die Taschengeldtaschen der Millenials und machen Unternehmen vor, wie gut das Unterlaufen jeglicher Werbekennzeichnung funktioniert.

Blogs sind nicht mehr interessant für die Werbeindustrie. Blogs sind Teil der Werbeindustrie.

Zwar treten diese ausgestorbenen Arten sporadisch durchaus noch auf: Im Frühjahr schallt manchmal der unverkennbare Ruf des brunftigen passionierten Reisebloggers durch die österreichischen Auwälder. Besondere Glückskinder können vielleicht sogar eine echte Zero-Waste-Lady bei der Nahrungsaufnahme an der nächsten Mülltonne in freier Wildbahn beobachten. Aber diese scheuen Tiere fliegen entweder langfristig unter dem Radar – oder werden erfolgreich und verwandeln sich in… eben, Influencer. Auch Social Media ist ein lächelndes Aas.

3.) The new source for interesting stories is data. There will be new career opportunities for people creating stories out of data.

Wenn ich das sieben Jahre später lese, dann frage ich mich: Verhielt das je anders? Quantitativ hat sich einiges getan. Dank Open Data wissen wir ganz genau, wo jede öffentliche Telefonzelle in Österreich steht. Wir brauchen nur eben bloß keine öffentlichen Telefonzellen mehr. Und während Social Media und Online Manager Lehrgänge weiter aus dem Boden schießen wie Steinpilze im Herbst 2017, sehe ich noch immer keine dedizierten Datenjournalisten.

Aber Didi wird’s schon richten: Wenn das neue Red Bull Corporate Truth Portal QVV (Slogan: Ihr Opinion Shopping Kanal!) erstmal online geht, werden wir endlich die Wahrheit ™ erfahren. Bis dahin ziehen alle andere (Versicherungen, Reiseverkäufer etc.) ihre Vorteile aus den vielen, vielen Daten. Und trotzdem sind wir klug, denn wir wissen, dass Google schon wieder mehr weiß.

4.) Good information demands to be shared.

Was heißt hier „gut“? Was heißt hier „information“? Was heißt hier „demands“? Okay, was „shared“ heißt ist einigermaßen klar. Diese These muss euch modernen Menschen eigenartig vorkommen, aber vergesst nicht: Wir hatten damals weder Buchdruck noch Radio noch Fake News noch Filteralgorithmen. Denn bevor etwas geschert, pardon, geshared werden kann, müssen wir es erstmal zu Gesicht bekommen. Und „gut“ ist da nun wirklich kein Kriterium. Die Zauberformel lautet nämlich „more of the same“. Schon wieder nix mit Ausbruch aus der Bubble.

5.) Politics is too important to leave to the politicians. Social media are great tools for mobilizing people.

Man will wohl immer das, was man gerade nicht hat. Ich jedenfalls habe innerhalb meiner Bubble nicht gerade den Eindruck, dass sich irgendjemand mehr politische Diskussion auf Social Media Plattformen wünscht. Außer Politikern natürlich. Denn dafür haben Gott und die ÖWA schließlich das Standard-Forum aus einer Rippe von Dichand erschaffen.

6.) Social media are not valuable in itself. You have to be clear about what you want to achieve. And this has to have an effect on the real world.

Die Entwicklung strafte uns Lügen, das genaue Gegenteil ist eingetreten: Man darf keinesfalls klar sagen, was man möchte. Niemand will das Youtube Schmink-Häschen sagen hören:

Eure hässlichen, verpickelten Teenager-Visagen sind mir sowas von egal. Aber kauft gefälligst diesen neuen Lippenstift, schließlich krieg ich Prozente!“

Sneakyness ist der Schmierstoff im Getriebe des Content Marketing. Nicht umsonst tragen so viele Opt-in Services „Ninja“ im Namen. Und mit den Auswirkungen auf die analoge Welt ist das auch so eine Sache: Also ich warte hart auf die erste WaaS (Wurstsemmel as a Service).

7.) Losers are people who never try. Social media is a great enabler of new ideas and of new business.

Wir waren jung und brauchten die Aufmerksamkeit, anders kann ich mir den ersten Satz echt nicht erklären. Wer nicht wagt, der nicht verliert. Wenn Spätberufene Start-Upper das Mantra des Versagens besingen, schleudert ihnen entgegen: Ja, aber es war nicht euer eigenes Geld, das ihr in den Sand gesetzt habt! Und ob man SM als Enabler oder digitale Technologien als unangenehm disruptiv ansieht, hängt letztendlich auch nur davon ab, auf welcher Seite des Fließbandes man seine Wurstsemmel verdient.

In diesem Sinne viel Spaß mit den…

7 blogging keyfacts, 2017 edition: „Losers are people who tried“

  1. The people in your social network are as interesting/relevant/useful as you.
  2. Successfull bloggers have understood the advent of the attention industry in all its glory. The content marketing model requires allegedly neutral touchpoints, so blogs will stay relevant for the new advertising industry for quite a while.
  3. The new source for interesting stories is everything. There will be new career opportunities for bloggers understanding that everything fades while our attention span keeps decreasing constantly.
  4. Algorithms select shareable pieces of information based on repetitive targetting mechanisms. The safe road to success though is to wrap your status update in bacon and have them sponsored by some pig farmer.
  5. Social media is too much fun (that cute baby panda!) to leave it all to (wannabe) politicians. While social media were great tools for collecting signatures without the signees even leaving the coziness of their own home, people are increasingly fed up with political discussions.
  6. Social media are very valuable in itself when we talk about conversions. You have to be sneaky about what you want to achieve though. Just like in the real world.
  7. Losers are people who tried, failed and then some more. Social media is a great enabler of new ways of losing, but also of making tons of money. Especially when you own a piece of Facebook.
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