9 Thesen für mehr Nabelschau

9 Thesen für mehr Nabelschau

Wie weiland der Herr Mose gibt die SZ Blogistan 10 Gebote. Zwar sind’s neun, und auch keine Gebote, sondern ganz in lutheranischer Tradition Thesen – aber wenn im Rap die doppelte Verneinung „Yo!“ ergibt, dann muss zweifach falsch auch mit richtig gleichzusetzen sein. Womit ich, und damit kommen wir des Pudels Kern schon näher, bereits im Einleitungsabsatz bewiesen habe, wie sträflich manche Blogger (ich!) sämtliche journalistischen Konventionen missachten.

War indes zu Zeiten Augustinus‘ die intrinsische Versenkung zumindest für mythisch angehauchte christliche Mönche conditio sine qua non olet, so müssen sich die Proponenten Blogistans nicht zum ersten Mal den kombinierten Vorwurf der selbstverliebten Bedeutungslosigkeit anhören. Diesmal erklärt Tobias Moorstedt eloquent, warum erfolgreiche Blogger das Internet hinter sich lassen und wer nicht Ulrich Wickert ist – und bestätigt unsere gestrige Statistik mit folgender Studie:

Laut der PEW-Studie lesen zwei Drittel der Blog-Nutzer nur Texte, die von Freunden und Bekannten geschrieben wurde. […] „Privacy Management“ wird deshalb […] immer wichtiger. Man kann einem Beitrag so unterschiedliche Sichtbarkeitsebenen zu verleihen. Dass James Bond dir gefallen hat, kann dann jeder Blog-Besucher lesen, dass du aber gerade mit deiner Freundin Schluss gemacht hast, sehen nur deine besten Freunde.

Das ist eine nicht unspannende Entwicklung die konsequent zu Ende gedacht aus Blogs diese Tagebücher mit kleinem Vorhängeschloss macht, die sie ja immer wieder gerne behaupten zu sein. Das Dokumentieren des eigenen Lebens als Blog-Motivation hätten frühere Verhaltensforscher wohl noch mit dem Vanitasgefühl des Menschen und dem Wunsch, sein ach so kurzes irdisches Dasein zumindest materiell zu transzendieren, erklärt. (Ramses, schau oba!) Aber der digitalen Welt traut selbst wohl der netzaffine Urgroßvater alles mögliche zu, bloss keine Dauerhaftigkeit. Werden Weblogs also zu einer Art semi-public E-Mail Ersatz? Und welcher Sozialforscher schreibt als erster das Buch „Von öffentlich zu privat. Ein Stufenmodell mit vielen Pfeilen und Stufen.“?

Man weiß es nicht, sicher dagegen scheint These 4: Blogs werden auch von Journalisten gelesen. Ganz falsch dagegen These 5: Blogs als Nachrichtenquelle brauchen ein Ereignis. Der Beweis: diese ganze Diskussion hier. Ich bin mir nicht mal sicher, ob ein grundrauschendes Reflektieren überhaupt noch als Medienereignis 2. Ordnung nach Luhmanns Qualifikation durchginge. Deswegen bitte These 4 und 5 zusammenfassen: Journalisten brauchen ein Ereignis, um Blogs zu lesen..

Schnell reagiert, auch in bestern religionshistorischer Tradition, hat der Spreeblick mit seinen 9 Thesen über die SZ. Dennoch lässt sich eines nicht wegleugnen: Blogger erweisen sich nur so lange als Meister der Selbstreflexion wie diese für sie erfreulich ausfällt. Wer sich auf den Schlips getreten fühlt, der muss sich zumindest den schlau konstruierten Vorwurf, selbst eigentlich lieber eine Esszett sein zu wollen, gefallen lassen. Und auch wenn Stefan Niggemeier fehlendes Rechentalent beschwört, wird aus der Verwechslung von Tagen und Monaten noch lang kein sinnstörender Fehler. Überhaupt sind alle Hitparaden relativ, abgesehen davon traute schon Winston Churchill keiner Statistik, die er nicht selbst gefälscht hat. Und abgesehen davon hätten wir ja alle gern soviele Leser wie die amerikanischen Top-Blog-Dogs… aber ob Nerdmedienkultur tragfähig ist, wird keine These und keine Diskussion, sondern bloss die Zukunft weisen.

PS: Wirklich überraschend neu dagegen ist nur These #1:

Blogs sind keine Massenmedien. […] Die Blogosphäre ähnelt eher einem durch Trackback und RSS hochgradig vernetztem Dorf, das gerade durch die Vernetzung und die Zitat-Gegenzitat-Logik eine Illusion der eigenen Relevanz produziert.

Edit: Mr. Basic hat das fehlende no-follow Attribut gefunden und bestätigt einmal mehr, dass er den Titel Alphablogger zu Recht trägt :-)

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