Almcamp 2010: Fotos, Fazit und die Barcamp-Zukunft

An: Marco Schreuder / Re: Eine persönliche Bitte

S.g. Herr Schreuder,

ich habe mich sehr über Ihr heutiges E-Mail gefreut, auch wenn ich, obwohl Sie angeblich „in meinem Sinne aktiv waren“, erst mal keine Ahnung hatte, wer mir da schreibt. Wissen Sie, ich krieg nämlich ständig Mails von Afrikanern, die mir große Erbschaften überweisen möchten und Weißrussinnen, die ausgerechnet mich heiraten wollen. Bei denen klingt der erste Absatz meist recht ähnlich wie in Ihrem Schreiben:

Wir sind uns in den letzten Jahren, seit ich im Wiener Gemeinderat bin, real und/oder auf Facebook und im Sozial Web begegnet, bzw. hast Du meine Arbeit auf die eine oder andere Weise verfolgen können. Ich hoffe, auch in deinem Sinne aktiv gewesen zu sein. Ich möchte deine Anliegen weiter verfolgen, weiter helfen und dranbleiben. Um das zu tun brauche ich allerdings deine Hilfe.

Ich bin gerührt! Ein Politiker braucht meine Hilfe – da muss es ja wirklich schlimm stehen um die Grünen. Aber Herr Schreuder, auch wenn Ihr Name ein bisschen nach Gerd Schröder klingt, also recht polit-kompetent, fürchte ich, dass ich Sie leider enttäuschen muss.

Was Sie da in Ihrem aktuellen Clip so daher brabbeln, das geht wirklich auf kein Tarnnetz: „Wir brauchen viel mehr Investitionen in Musikschulen. Die Grünen wollen in jedem Bezirk eine Musikschule mit ausreichender Ausbildung vor allem auch von popkulturellen Elementen oder DJing,“ sagen Sie in Ihrem aktuellen Video. Aber weil Sie nicht der Kasperl aus dem Wurstlprater und auch nicht der Flex-Sonic sind, sondern der Kulturversprecher der Wiener Grünen, wollte ich mal genauer nachfragen, wie Sie sich den DJ-Unterricht in den Wiener Musikschulen eigentlich so vorstellen. Das könnten Sie ruhig mal ausführlicher erklären. „Hojak, Scratchen, 5“ – stell ich mir durchaus unterhaltsam vor.

Überhaupt ist das, lieber Marco Schreuder, eine schwierige Sache mit diese Kültür. Top-Down funktioniert ja nicht mal mehr in der Josefstadt richtig, und irgendwie wirkt der durchschnittliche Opernbesucher auf mich wesentlich unverkrampfter als Sie und Ihre Parteikollegen. Ein wenig früher, als alles noch ein bisschen besser war (direkt nach Hainburg und so), da konnte man sich wenigstens drauf verlassen, dass naturverbundene Basisdemokraten ihre Linksdialektik aus dem FF beherrschten. Das scheint sich geändert zu haben, denn, Marco Schreuder, ich muss Ihnen mal was verraten: eine Kultur ist keine Leberwurstsemmel und es macht einfach überhaupt keinen Sinn, von „kultureller Nahversorgung“ zu sprechen. Klingt zwar irgendwie so, als würd man sich den „Nöten und Ängsten des skurrilen kleinen Mannes“ annehmen, sagt aber was ganz anderes. („Erna, die Kultur geht uns aus! Wir müssen in den 2. ziehen.“)

Wer unreflektiert in derartig üble Rhethoriken verfällt, neigt nämlich dazu, einen wesentlichen Punkt zu übersehen: irgendwer muss nun mal bestimmen, was die „Kultur“ ist, mit der „nahversorgt“ werden soll. Solche Modelle haben, dies noch als abschließender kleiner Hinweis an Sie, in diversen Diktaturen immer sehr gut funktioniert. Mangels Protestmöglichkeiten. Denken Sie doch mal über Enablement statt Distribution nach – fördern, was man selber sympathisch findet, wär ja sowieso bloß die Fortführung der SPÖ Politik… oder?

leicht bestürzt,
Ihr Blogfried datenschmutz

0 Kommentare
  1. Marco Schreuder
    Marco Schreuder sagte:

    Lieber Blogfried,

    Tja, dass mit den 60 Sekunden ist so eine Sache. Der ORF gab mir nicht mehr, das war die Spielregel. Natürlich hätte ich gerne detaillierter erklärt, wie ich mir die kulturelle Nahversorgung so vorstelle, denn Top-Down ist genau das, was ich NICHT will. Auslösendes Moment für dieses Thema war die Besetzung des Casinos Baumgarten vor einem Jahr. Als ich junge Leute kennenlerne, die einfach einen Raum haben wollten, wo sie wunderbaren kreativen Wahnsinn und Sinn machen konnten. Falls gewünscht, könnten wir uns gerne darüber mal unterhalten, so wie ich es mit der IG Kultur und anderen Kulturvernetzern mache.

    Dass ich eine Mail auch an Sie geschrieben habe, liegt einfach daran: Ich erlaubte mir einige Netzwerke, mit denen ich in den letzten Jahren viel zusammen gearbeitet habe, zu kontaktieren. Das sind vor allem Lesben und Schwule, Blogger und die Twitteria sowie Menschen aus dem Bereich Kultur. Mit Bloggern machte ich ja etwa eine Reise nach Brüssel, versuche über meine Arbeit so gut es geht im Social Web zu informieren, beschäftige mich mit Themen wie Urheberrecht versus Filesharing, Open Data, Open Government, etc.

    Da wir auf Twitter und Facebook vernetzt sind, nahm ich an, meine Meldungen, Links und Blogbeiträge und somit meine Arbeit sei Ihnen bekannt. Aber offensichtlich ignorieren Sie die Meldungen, Links, Tweets anderer. Schade.

    Nix für ungut. Find es gut, dass diese Meinung hier gebloggt wurde.
    Marco Schreuder

    • Ritchie Blogfried Pettauer
      Ritchie Blogfried Pettauer sagte:

      Lieber Marco, danke für das Statement! 60 Sekunden sind eine verdammt lange Zeit – es geht ja gar nicht so sehr um die detaillierte Erklärung. Was mich letztendlich bewogen hat, den Beitrag zu schreiben, war ein typisch rot-grünes Syndrom: Sie gehen davon aus, dass mit mehr Geld, mehr Förderungen, mehr Infrastruktur eine Verbesserung zu erzielen wäre – das ist schlicht einfallslos.

      Wenn Sie „Freiräume“ zur Verfügung stellen möchten oder Ideen für selbstverwaltete Kulturprojekte haben, dann sagen Sie das doch – aber von „DJ Kursen in Musikschulen“ zu reden klingt mir nach unreflektiertem Populismus.

      Eine kurze Erklärung zum Thema „ignorieren“: nicht absichtlich und gezielt, nein. Aber pragmatisch: ja natürlich. Man könnte auch sagen: „I’m a firm believer in the philosophy that relevant information finds me“, und genau diese Funktionsweise schätz ich an Plattformen wie Facebook und Twitter.

      Als heavy social media user (über Zugehörigkeit zur „Kulturszene könnte man trefflich streiten, ich seh mich ja eher als BoPro – Bourgeois Prolo – denn als Bobo) gehöre ich wohl zu mindestens einer Ihrer „Zielgruppen“

      Um ehrlich zu sein: nein, ich kannte Ihr Blog nicht – von der Reise nach Brüssel, die ich für eine sehr gute Idee halte, haben mir Max und Gerald erzählt. Allerdings war mir nicht klar, dass Sie diese Aktion organisiert haben. Wieder was gelernt!

      Dennoch, ich hab’s oben schon erwähnt: wir haben offenbar eine recht unterschiedliche Auffassung von der Bedeutung einer Facebook-Freundschaft. Ich würde mich trauen zu behaupten, ich sei „im Sinne all jener Personen tätig“, die mir auf Twitter folgen oder Fans meiner Page sind.

  2. Helge
    Helge sagte:

    Lieber Ritchie, ich schätze pointierte Meinungen in Blogs sehr, aber ein bisschen Substanz sollten Sie schon aufweisen.

    Du kotzt dich hier über jemanden aus, dessen Interview dir nicht gefällt, von dem du aber ganz offensichtlich sonst ziemlich wenig weisst. Etwa dass er zu den vielleicht drei Prozent der Landtagsabgeordneten zählt, die OpenData, oder, um bei der Kultur zu bleiben, die Copyright-Problematik verstanden haben. Jemand, der seit Jahren (gemeinsam mit Marie Ringler) jede Kulturausschusssitzung fast-live bloggt – meines Wissens ein Novum, von ein paar Peter-Pilz-Aktionen abgesehen. Jemand, der Leute wie Peter Sunde (Flattr- und Piratebay-Gründer) zu Diskussionsveranstaltungen mit Kulturschaffenden nach Wien bringt. Von der Rettung des jüdischen Friedhofes Währing und der Interessensvertretung Wiener Homosexueller ganz zu schweigen.

    So wie ich dich kenne, würdest du einige gute Gründe finden, Marco Schreuder zu wählen – zumindest wenn du dafür nicht die Grünen wählen müsstest ;-)

    Jetzt sitzt der Mann auf einem Wackel-Listenplatz und kämpft redlich darum, wieder in den Landtag zu kommen. Schreibt dir ein Email. Was hättest du an seiner Stelle gemacht (außer natürlich ein brilliantes TV-Interview)? Keine Emails verschickt?

    Das einzige Stückchen fundierter Kritik in deinem Text ist die Kritik am Interview, das nicht sonderlich aussagestark ist. Der ganze Rest deiner Kritik ist polemische Mutmaßung. Ritchie, du hast schon bessere Pieces geschrieben.

    • Ritchie Blogfried Pettauer
      Ritchie Blogfried Pettauer sagte:

      Damn. Jetzt hab ich meine Wette verloren… hättest du einen eigenen Blogbeitrag drüber geschrieben, könnt ich jetzt mit einer Flasche Shiraz drauf anstoßen :frog:

      Und dass hier einiges „polemische Mutmaßung“ ist, müsstest du doch wissen. Aber ganz im Ernst: ich hab ja nur das Video kritisiert! Ich kenne nie den gesamten Hintergrund zu den Dingen, über die ich hier schreibe. Aber auch ohne jede Minute meines Lebens mit Mark Zuckerberg verbracht zu haben, maße ich es mir an, es zu kritisieren, wenn Facebook etwas meiner Meinung nach Dämliches tut. Warum sollte ich das bei einem Medienpolitiker nicht tun?

      Aber nur so am Rande: ich hab einige Beiträge im Blog gelesen. Es mag sein, dass Marco Schreuder Open Data Experte der Wiener Politik ist – dann wär’s aber eine gute Idee, das Thema im Programm für die nächsten fünf Jahre auch anzusprechen. Und natürlich ist es eine tolle Sache, Herr Sunde nach Wien zu holen. Aber wenn ich mir dann den zugehörigen Blogbeitrag anschaue, dann besteht der hauptsächlich aus der Absage von Herrn Müllern und Marcos Fazit, dass die Zeit noch nicht reif für eine offene Diskussion sei.

      Das wirkt alles sehr symptomathisch für die Grünen: da gibt’s eben ein paar medien-affine Akteure, die in ihrem näheren Umfeld halt ein paar Buzzwords aufschnappen und für die Stimmwerbung verwenden. (Und ja, es gibt rühmliche Ausnahmen, und ja, Christoph Chorherr ist eine, aber das sind eben… Ausnahmen.) Aber eine inhaltliche Auseinandersetzung findet so gut wie nicht statt, weder in der eigenen Partei noch mit der Öffentlichkeit, und natürlich nicht bloß im IT-Bereich. Da steht dann schon mal ein Martin Baluch auf einer Kandidatenliste. Und wie groß die inner-parteilichen Differenzen zum Thema „digitale Medien“ sind, müsstest du ja spätestens seit dem Vorwahl-Desaster wissen.

      Was ich damit sagen will: nichts gegen Marco Schreuder persönlich oder seine politische Arbeit. Ich glaub, ich würd ihn sogar wählen, wenn die Vorzugsstimme von der Partei trennbar wäre; die „Wiederentdeckung“ des Jüdischen Friedhofs Währing fand ich großartig, ebenso den Einsatz für die Erhöhung der Filmförderung, um zur Abwechslung auch mal was Nettes zu sagen.

  3. Jakob
    Jakob sagte:

    Also ich hab die email auch bekommen. Ich hab auch schon perönlich von einer Aktion von Marco Schreuder und den Grünen profitiert und hab deshalb auch nix dagegen angeschrieben zu werden. Ich wohn zwar derzeit nicht in Wien, aber ich fand sie um einiges besser als was ich aus der ferne sonst von der Wiener Wahlwerbung der Parteien so mitbekomme.

    Ich finds schade, wie ein aktiv kommunizierender, mit frischen Ideen antretender Politiker hier unreflektiert angefeindet wird. Und als Hauptgrund ein Video zu nennen, aber sonst seine gesamte Arbeit auszublenden ist meiner Ansicht Nach falsch. Noch dazu hatte er nur kurz Zeit seine Ideen vorzustellen und stellt daher wahrscheinlich nicht den vollen Inhalt seiner Meinung dar. Die fände man z.B. auf seinem Blog… Somit sind die diversen Unterstellungen in dem Kommentar eher irreführend, wenn du sogar zugibst, dich nicht auszukennen.

    Ich find es gut, wenn ein Politiker klar sagt, welche Probleme sieht und was er ändern will. Ob ich das dann gut find oder nicht kann ich ja bei der Wahl entscheiden. Und besser als das „es is eh alles supa“ der SPÖ find ichs allemal.

  4. Andreas Ostheimer
    Andreas Ostheimer sagte:

    Um dieses Thema abzuschließen – hier die ORIGINAL-Africa-Prince-Version der E-Mail*.

    Wir sind im vergangenen Jahr, aus meiner Stadtrat Wien, realen und / oder traf auf Facebook und Social Web, oder Sie können meine Arbeit in der einen oder anderen zu folgen. Ich hoffe, er war aktiv in dem Sinne, Sie. Ich möchte Ihre Anliegen weiter zu verfolgen, stay tuned und Hilfe. Dazu benötige ich Ihre Hilfe though.

    *Gelingt mit Deutsch-Englisch-Haitianisch (sic)-Deutsch und sonst unmöglich.Jawohl. :frog2:

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