Doudet gegen Jardino

Bloggerin verurteilt: Negative Restaurant-Kritik auf Google weit vorne

Rechtsstreitigkeiten begleiten die Medienszene wie Stubenfliegen eine Herde Kühe. Wenn Unternehmen gegen Verlage zu Gericht ziehen, so hat das in der Regel keine finanziellen Auswirkungen auf den Schreiber des Beitrags. Bei Bloggern verhält sich die Sache naturgemäß anders. So erging es auch Caroline Doudet, Betreiberin des Kultur-/Lifestyle-Blogs Cultur’elle, die für eine negative Restaurantkritik zu einer Geldstrafe von €1.500 verurteilt wurde und obendrein noch die Gerichtskosten von €1.000 übernehmen muss. Kurios an der Sache: es kam zum Prozess, weil Caroline ihre SEO-Hausaufgaben gemacht hatte und der betreffende Beitrag in den Google-Suchergebnissen zwar nicht vor dem Eintrag der Pizzeria „Il Giardino“ auftauchte, aber immerhin auf Platz 4.

Wie BBC berichtet, ordnete die Richterin nicht die Löschung des Beitrags, sondern eine Änderung der nach Meinung des Klägers geschäftsschädigenden Überschrift:

The judge decided that the blog’s title should be changed, so that the phrase: „the place to avoid“ was less prominent in the results. The judge sitting in Bordeaux also pointed out that the harm to the restaurant was exacerbated by the fact that Ms Doudet’s fashion and literature blog „Cultur’elle“ had around 3,000 followers, indicating she thought it was a significant number.

Caroline Doudet hat den bekrittelten Beitrag entfernt, eine Kopie finden die interessierte Netzöffentlichkeit aber weiterhin via Wayback Machine. In Berufung gehen will die Blogautorin laut eigener Aussage voraussichtlich nicht, da sie nicht nochmal solche qualvollen Wochen durchleben wolle. Ihr Kommentar zur der unerfreulichen Affäre trifft die Situation recht genau:

What is perverse, is that we look for bloggers who are influential, but only if they are nice about people.

SEO, freie Meinungsäußerung und Rufschädigung

Die Il-Giardino-Story stößt in der Blogosphäre auf reichlich Gehör und hat auch schon den Sprung über den großen Teich gemacht. Amerikanische Blogger betonen in ihren Beiträgen, dass das Urteil keinen Präzedenzfall konstituiert, denn in Mitteleuropa gilt schließlich nicht das Prinzip des „Case Law“. Man muss diese Einzelentscheidung also nicht überbewerten, dennoch wirft sie ein Schlaglicht auf ein immer evidenteres Problem: Wo verläuft die Grenze zwischen freier Meinungsäußerung und Rufschädigung und was für Rolle spielt dabei unser alles Lieblings-Suchmaschinen-Monopolist?

Nicht zuletzt im Licht des berüchtigten Google-muss-Vergessen-Urteils stellt sich einmal mehr die Frage, wie mit negativen Reviews umgegangen werden soll. Denn pikanterweise stand ja nicht der Inhalt des Artikels zur juristischen Diskussion, sondern die Tatsache, dass der Text so prominent in Googles Suchergebnissen auftauchte. Überspitzt formuliert ist Frau Doudet also ein Opfer des Pagerank-Algorithmus geworden.

Google stellt sich stur als die neutrale Vermittlerinstanz dar und aggregiert immer schlauer und schneller immer mehr Informationen. Der sogenannte „Knowledge Graph“ sorgt dafür, dass bei passenden Suchanfragen rechts neben den Ergebnissen ein Kästchen mit Zusatzinformationen angezeigt wird, die Google aus verschiedenen Quellen aggregiert. Teils aus Wikipedia, teils auch aus hauseigenen Produkten – die in den letzten Wochen forcierte Vermählung von Google Places und Google Plus rückt Kundenreviews noch ein Stückchen näher an die Suchergebnisse. So manchem Dienstleister dürfe ganz und gar nicht gefallen, was potentielle Kunden dort zu Gesicht bekommen. Personalisierte Suche und der künftig wohl zunehmende Einfluss von Reviews auf den Google-Index verkomplizieren die Situation zusätzlich.

Dass Restaurants mit weniger als 2-Sterne-Durchschnittswertung demnächst Besuch von Testessern aus Palo Alto bekommen, ist wohl auszuschließen. Eine Einzelfall-Prüfung mit Schlichtungskommission kann man Google bei allem Misstrauen nicht zuzumuten… also werden sich SEO-Streitfälle vor Gericht in nächster Zeit vermutlich häufen.

Blogger-Relations: Grinse-August gesucht?

Für einen Mann mit einem Hammer ist jedes Problem ein Nagel. Und Kommunikationsexperten verfallen häufig dem Irrglauben, jedwedes Problem ließe sich kommunikativ lösen. Im großen Lehrbuch der Blogger Relations fände man im betreffenden Kapitel vermutlich eine Schritt-für-Schritt Anleitung von der Kontaktaufnahme über die Bitte um erneutes Testessen bis zur Klärung des „Missverständnisses“… doch nur im Märchen leben Blogger und Gretel glücklich und froh bis ans Ende des Internets.

Ein wenig Recherche zeigt rasch, dass sich hier regelmäßig der Club der unzufriedenen Gäste trifft, denn die sagenhaft niedrige Bewertung von 1.5 bei 80 Erfahrungsberichten auf Google+ spricht eine deutliche Sprache. Und dass sich die Betreiberin des Lokals mit der Klage durchwegs keinen Gefallen getan hat, demonstriert ein Blick auf die aktuellen Suchergebnisse für „il giardino cap ferret“: Wenig überraschend dominieren Berichte über das Urteil, darunter auch ein BoingBoing-Beitrag mit dem besonders schmeichelhaften Titel Is Il Giardino in Cap-Ferret the worst restaurant in France? auf Platz 3. Also Operation gelungen, Patient tot?

Letztendlich hilft nur ein einziges Mittel gegen unwahre negative Reviews: man muss an das Kritische im Surfer glauben und davon ausgehen, dass sich potentielle Kunden nicht bloß bei einer einzigen, immer subjektiven Quelle erkundigen. Wer seinen Job ordentlich macht, wird auch viel Positives Feedback bekommen und die eine oder andere Kritik nicht nur vertragen, sondern sogar als konstruktiven Input nutzen können. Sind die negativen Stimmen aber in der Überzahl, sollte man weder auf Online-Marketing-Tricks noch auf rechtliche Mittel setzen, sondern das eigene Produkt bzw. die eigenen Dienstleistung (endlich wieder) konkurrenzfähig machen.

Dass sich Blogger zukünftig noch besser überlegen müssen, wie weit sie sich mit Kritik aus dem Fenster lehnen, hinterlässt allerdings einen schalen Beigeschmack. Solange kein finanzielles Interesse dahinter steht – Stichwort „negatives Reputation-Management“ – geht die freie Meinungsäußerung nun mal vor. Ohne Wenns und Abers.

11 Kommentare
  1. datenschmutz.blog - medien.kultur.technik
    datenschmutz.blog - medien.kultur.technik sagte:

    Hi Selcuk! Ja, das wär die naheliegende Vorgangsweise – macht aber nur Sinn, wenn das schlechte Essen ein „einmaliger Ausrutscher“ war.

  2. Juergen Koller
    Juergen Koller sagte:

    Echt heftig, kommt mir aber sehr bekannt vor. Hab selbst mal einen eher negativen Beitrag über einen Griechen geschrieben & der Beitrag war dann ebenfalls ganz weit vorne in den Suchmaschine. Der Restaurantbetreiber wollte mich auch verklagen wenn ich den Beitrag nicht entferne. Hab ihn aber online belassen & nichts mehr von ihm gehört. Aber so kanns scheinbar auch gehen…

  3. we-love-google-adwords
    we-love-google-adwords sagte:

    Das Internet und die freie Meinungsäuserung stehen sich immer etwas Kritisch gegenüber. Die Grenze dazwischen ist nunmal nicht sehr klar, es ist nicht immer einfach abzuwägen, was nun überwiegt und wie mit der Situation umgegangen werden soll. Genau für solche Situationen ist eine klare Regelung nötwendig die von der Gesetzeslage unterstützt werden muss. Nutzer brauchen einen gewissen Schutz, sonst drot Selbstzensur.

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