Blogpiloten-Kolumne: Facebook vor dem Aus?

Blogpiloten-Kolumne: Facebook vor dem Aus?

Im Oktober bin ich zum Autorenzirkel der Blogpiloten gestoßen. Die Einladung hat mich deshalb sehr gefreut, weil dieses kollaborative Projekt schon längere Zeit eines meiner deutschsprachigen Blogs ist. Die Themen sind so breit gestreut wie auf datenschmutz, regelmäßig sorgen Themenschwerpunkt für sehr unterschiedliche Schlaglichter auf aktuelle Netz-Trends. In diesem Beitrag geht’s um das Thema Social Networks und wirtschaftliche Nachhaltigkeit.

Facebook und die laufenden KostenDie Userzahlen wachsen, die Kosten explodieren: eine Million Dollar gibt Facebook im Monat allein für Strom (!) aus, hunderte Millionen fließen in den Ausbau der Serverinfrastruktur. Obwohl erst vor kurzem erfolgreich 500 Millionen „geraised“ werden konnte, muss sich das erfolgreichste Social Network schon wieder auf die Suche nach frischem Kapital machen, und das könnte in Krisenzeiten weit schwieriger werden als gewöhnlich. Ein Leben ohne Attack, Superpoke und Status Updates muss derzeit zwar noch niemand befürchten – in einem halben Jahr könnte die Situation allerdings schon ganz anders aussehen, denn Facebook leidet unter einem Paradoxon des Web 2.0: die explodierenden Userzahlen verursachen Kosten, die durch die Werbeeinahmen nicht mal ansatzweise gedeckt werden können.

„Aufmerksamkeit = Geld“ lautet das derzeitige Credo der Social Web Monetarisierung, doch betrachtet man das Finanzierungsmodell von Facebook aus der Nähe, dann scheint alle Theorie noch grauer als sonst. Denn obwohl Mark Zuckerbergs Vanitas-Spielwiese vor noch nicht einmal einem Jahr auf einen Firmenwert von saftigen 5 Milliarden Dollar geschätzt wurde, fehlen bislang die Realgewinne, die eine solche Bewertung rechtfertigen könnten.

Das ist besonders paradox, weil Facebook seit Mitte diesen Jahres erstmals den Hauptkonkurrenten MySpace in punkto unique Visits überflügeln konnte, und der Aufwärtstrend hält seitdem ungebrochen an, woran Europa einen hohen Anteil hat. Aber User aus der alten Welt sind teure Kunden, denn hierzulande kosten sowohl Bandbreite als auch Manpower eine ganze Latte mehr als in den USA. Die Betreiber kommen kaum mit der Skalierung der Infrastruktur nach, geben 1 Million Dollar im Monat für Strom aus und haben die 500 Millionen der letzten Finanzierungsrunde schon so gut wie verbraucht.
In Zeiten weltweiter Finanzkrisen liegt das Investorengeld aber bekanntlich nicht gerade auf der Straße rum, und CFO Gideon Yu war vorige Woche sicherlich nicht (nur) in Dubai, um auf Kamelen zu reiten.

Der teure Erfolg vermittelt einen realistischen Blick auf den Status Quo des Web 2.0: eine aktuelle Studie, die Ernest & Young für Burda Media durchführen, bestätigt, was alle Involvierten längst wissen: klickbasierte Werbung ist nicht der Weisheit letzter Monetarisierungsschluss.
Es steht zu vermuten, dass Facebook neues Investorengeld auftreiben kann, aber zugleich wird der Druck nach höheren Gewinnspannen akut, soll sich dieselbe Geschichte nicht in kürzester Zeit wiederholen. Eines zeigt die Geldnot des Branchenprimus jedoch überdeutlich: die goldene Ära der Start-Up Finanzierung, auch 2. Blase genannt, neigt sich rasant ihrem Ende zu: wer zukünftig sein Internet-Publikum finden und längerfristig entertainen will, wird nicht umhin kommen, sich ernsthaft Gedanken übers Geldverdienen zu machen.


Fotocredits:
Titelbild: Stromkasten von Knipsermann / pixelio.de

 

0 Kommentare
  1. nastorseriessix
    nastorseriessix sagte:

    Welch kluge Erkentniss, das die reale Finanzblase auch die virtuelle Finanzblase betrifft und diese eben so schnell platz wie die aus der realen welt. Typisch Amerikaner, die haben es bisher einfach nicht geschaft aus ihren Fehlern zu lernen. :roll:

    • ritchie
      ritchie sagte:

      Da bin ich mir nicht so sicher – strukturelle Ähnlichkeiten gäb’s schon. Es gab ja damals sehr gute und tragfähige Konzepte, und 1000e Copycats, das wär schon mal die erste Parallele.

      • rip
        rip sagte:

        Nur… War damals nicht der Vorwurf, dass diese Ideen sämtliche Regeln der „klassischen“ Wirtschaft über Bord werfen wollten, absurd hohe Investorengelder auftrieben, Aktien überbewerteten und dachten, mit einem Massagestuhl im Büro und lockerer Arbeitszeiteinteilung wäre es getan?

        Oh achso, das passiert ja jetzt auch. Hmpf.

    • ritchie
      ritchie sagte:

      Nicht unbedingt… Physiker können durchaus flüssiges Material mit geeigneter Oberflächenspannung verwenden, das dazu führt, dass eine solche Blase unter geeigneten Umgebungsbedingungen praktisch „ewig“ (für menschl. Verhältnisse) bestehen bleibt :cool:

  2. Sven
    Sven sagte:

    Flüssiges Material mit geeigneter Oberflächenspannung kostet jedoch keine Millionen an Unterhalt im Monat :-)

    Mir ist und bleibt es unverständlich, wieso einige rein virtuelle Firmen so hoch bewertet sind. Während Firmen der Old Economy oftmals Kunden haben die bereit waren/sind Geld für eine Leistung / Produkt zu zahlen und somit jedem Kunden auch ein geldbetrag zugewiesen wird um den Wert des Unternehmens mit zu bestimmen, ist bei Facebook und co. niemand bereit Geld für diese Leistung zu erbringen. Allein der Glaube daran ist mindestens so weltfremd wie der Glaube vor einigen Jahren, dass die Finanzierung des Traffics nicht mehr von den Anbietern bezahlt wird, sondern von den Besuchern.

    Gut, aber wer daran noch immer glaubt : In dem Fall hat Facebook natürlich glänzende Zukunftsperspektiven. Kann man auch mit 50 Milliarden bewerten, bei dem Traffic

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