bruit: Gert und Nachtstrom im Interview

bruit: Gert und Nachtstrom im Interview

bruitAm Samstag habe ich über den sonntäglichen Launch des netlabels bruit berichtet und ein Interview angekündigt – Mica war noch schneller, hier meine virtuelle Unterhaltung mit den zwei Labelgründern und einige Hörbeispiele aus dem aktuellen Repertoire.

ritchie: Einerseits bieten netlabels durch kostengünstige Veröffentlichungen riesige Chancen, andererseits besteht gerade durch die geringen Eintrittshürden die Gefahr, in der Masse an Labels unterzugehen. Wie möchtet ihr euch von anderen Labels abheben?

bruit:: Also erstmals sind die Downloads von unserem Label Frei (allerdings nicht gratis, wir entwickeln da gerade eine entsprechende Lizenz); wir verstehen uns grundsätzlich als Präsentationsplattform für Künstler, die teilweise schon viele Releases auf anderen Labels herausgebracht, für unser Label allerdings exklusiv komponiert haben.

Von inflationären Seiten wie mp3.com unterschieden wir uns zuallererst mal durch unser schmales Angebot; und das ist wirklich handverlesen; wir würden auch keine eingesandten Demos akzeptieren. Wichtig für uns ist, dass WIR auf die Künstler zugehen, die wir entdecken und gut finden, und sie um einen Release für bruit bitten. Das ist sozusagen auch unsere Qualitätskontrolle. Es wird auch in Zukunft keine „Releaseschwemme“ auf bruit geben.

?: Der Fokus eures Programms liegt auf experimenteller Elektronik – wie würdet ihr die Kriterien beschreiben, die ein Track erfüllen muss, um ein potentieller Release-Kandidat für *bruit* zu sein?

bruit!: Der Fokus auf die experimentelle Elektronik hat sich für den Labelstart eher zufällig ergeben; da ist in Zukunft eine Ausweitung auf andere Styles auf jeden Fall drinnen. Für uns ganz wichtig sind originelle, in sich schlüssige Konzepte, die sich ein Künstler für einen bruit-Release ausdenkt. Alles was wir derzeit auf bruit präsentieren, war für uns „alte Hasen“ in gewissem Sinne Neuland- ob es nun die trickreichen harmonischen Schwankungen eines Robert Lepenik, der High-Speed -Noise eines Jon Eriksen oder das konsequente „zwischen zwei Stühlen“ von Gerald Schauder aka Kabelton ist (der sich absichtlich nie zwischen avanciertem Experiment und furztrockenen Technobeats entscheidet), das sind die Experimente die uns interessieren. Spannend ist auch, wenn ein gstandener Elektronikmusiker für bruit ein anderes Instrument bedient- wie Maru mit seinem Gitarren-Doom-Inferno…

?: Was war der Grund dafür, dass ihr euch entschieden habt, ein eigenes netlabel zu gründen, anstatt eure eigenen Releases auf anderen netlabels zu veröffentlichen?

bruit!: Erstens war dies ein schon lange gehegter Wunsch von uns Brüdern, mal gemeinsam ein Label zu machen. Zweitens geht es uns ja auch um Größeres, denn bruit ist einfach ein „neues Element“ in unserem Portal Listening.at, welches ja bereits seit längerem aus einem wöchentlichen Podcast, einem riesigen Sendungsarchiv (wo auch unsere Vorgängersendung „Hörbar Abstrakt“ zu finden ist) und einem Blog besteht. Das ist alles noch sehr ausbaufähig, um zu einer großen Anlaufstelle für diejenigen zu werden, die sich für musikalische Nischen interessieren.

?: Ihr seid beide schon seit Jahren in der Elektronik-/Kunstszene aktiv. Wie würdet ihr die netlabel- oder überhaupt die Label-Entwicklung der letzten Jahre beschreiben?

!: Kleine (physische) Labels abseits des Mainstreams tun sich seit längerem ja unglaublich schwer, so es sie denn überhaupt noch gibt. Ich erinnere nur an den Tod von Mego oder Cheap, um nur mal an Wien zu denken. Und da man sich heutzutage eh sowieso mehr oder weniger alles im Netz anhört bzw. herunterlädt, hat sich die Entscheidung zum „Netlabel“ eigentlich ganz natürlich ergeben.

?: Wie sieht die Planung der nächsten Schritte mit *bruit* im Detail aus?

!: Zwei Sachen sind uns für die nähere Zukunft ganz wichtig: Zum einen möchten wir die Vernetzung der bruit-Artists untereinander fördern und würden uns freuen, wenn da Neues, Kreative entsteht. Zum anderen wollen wir auch beginnen, uns um Liveauftritte für unsere Musiker zu kümmern, da die Situation bei experimentellerer Musik hier ja nicht ganz einfach ist.

?: Denkt ihr, dass Online-Labels Musikern Chancen auf Einkommen bieten, oder sehr ihr die Online-Distribution primär als Marketing-Kanal, wo eigentlich nur gratis Musik eine Chance hat?

bruit!: Marketing-Kanal ist ein Wort mit schlechtem Karma, finde ich :)) Präsentationsplattform mit Zukunftschancen gefiele mir da wesentlich besser. Ich (Nachtstrom) kann da nur von mir sprechen, ganz bewusst soll es bei unserem Label bzw. Portal NICHT um Geld gehen, das ist ein reines „Labour of Love“, für uns sowie die gefeatureten Künstler. Wenn sich allerdings für irgendjemand von uns finanzielle Zukunftschancen ergeben würden, hätte ich ganz sicher nichts dagegen.

bruit
Listening Blog

7 Kommentare
  1. Martin Staudinger | Werbeplanung.at
    Martin Staudinger | Werbeplanung.at sagte:

    Liebe bruit-Macher,

    erstmals Gratulation zur Gründung. Eine große Bitte – auch wenn schlecht für Karma und Hörgenuß: Veröffentlicht einfach mp3-files. Wollte mir gerade Künstler von Euch anhören – leider spielen Eure „.ogg-files“ mein iTunes einfach nicht. Kurz auf Hilfetext geklickt … aber hab‘ einfach keine Lust jetzt halbe Stunde herumzuspielen. Klar: Mein Problem, dass ich Windows & iTunes nutze … ABER ich möchte Eure geile Musik hören und es wäre schade, wenn Ihr Eure Präsentationsplattform durch technische Einschränkungen so klein macht, dass es halt nur auf 1 bis 2 % der Rechner ohne Tricks automatisch läuft! Also viel Erfolg mit dem Netlabel und mp3-Files! :wink:

  2. ritchie
    ritchie sagte:

    @Martin: ideologisch ist das ogg-Format ja hochgradig überlegen – freier Codec, keine Fraunhofer-Patentrechte etc… allerdings spielt hier wieder wie so oft die normative Kraft des Faktischen rein: zwar existieren für alle gängigen Software-Player Ogg-Plugins, aber gerade bei der Hardware-Unterstützung mangelt’s enorm; nur ganz wenige Player können Ogg abspielen. Ich hab mal überlegt, selbst alles in ogg zu archivieren, aber mich aufgrund dessen dagegen entschieden. Die normative Kraft des Faktischen spricht für mp3… der „net culture Hausverstand“ allerdings für ogg.

  3. verena
    verena sagte:

    Diese Einstellung finde ich sehr schade und meiner Meinung nach macht es natürlich durchaus Sinn sich gegen normative Kräfte zu stemmen. Noch dazu dauert es ca. 3 Minuten sich den VLC zu installieren, der ogg Files problemlos abspielt, und diese Zeit kann man als engagierter Hörer doch bestimmt erübrigen.
    Mit besten Grüßen

  4. ritchie
    ritchie sagte:

    @Verena: nein, das sehe ich überhaupt nicht so. Ich müsste dann meine komplette Sammlung „doppelt“ archivieren, damit ich die Tunes auch beim Auflegen mit Laptop verwenden kann und meine tragbaren Player sie abspielen…
    Und den VLC mag ich überhaupt nicht, aber das wär kein Problem: für alle beliebten SW-Player gibt’s ja eh plugins, aber die Hardware und die „ernsthaften“ Musikprogramme unterstützen ogg häufig entweder gar nicht oder nur lückenhaft.
    Dass die Klangquali von ogg bei gleicher Datenrate um 20% höher liegt – oder anders gesagt, dass dieselbe Qualität in ogg 20% weniger Platzplatz braucht, ist mir völlig egal, weil das nur bei niedriger Kodierung zum Tragen kommt. 320kBps mp3s sind eine brauchbare Archivierungs-Variante… da merk ich selbst auf Studio-Equip kaum Unterschied zu Standard-Waves.

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