Buchtipp: Anleitung zum Subversivsein

Buchtipp: Anleitung zum Subversivsein

subversionenTrifft die Politik die Ästhetik und fragt: was für ein Verhältnis haben wir eigentlich? Ein subversives, versichern die AutorInnen eines brandneuen und ausgesprochen erfrischenden Sammelbandes zum gleichnamigen Thema. Den HerausgeberInnen Thomas Ernst, Patricia Gozalbez Cantóm, Sebastian Richter, Nadja Sennewald und Julia Tieke ist es gelungen, ein vielschichtiges Bild eines schwer fassbaren, aber zentralen Konzepts einer Weltwahrnehmungsweise des 20. Jahrhunderts zu zeichnen. Neben den Beiträgen der einzelnen AutorInnen enthält der Sammelband die Transkription einer Diskussion mit dem Titel „Aber ich würde es nicht machen, wenn ich nicht glauben würde, dass es funktioniert“ und Armin Chodzinskis Fotozyklus „Von der Sehnsucht nach Widerständigkeit“.

Mein Überblick über aktuelle politische wie ästhetische Literatur ist ein enden wollender – aufmerksam gemacht auf das Buch hat mich Kollege Mirko, der seit einigen Semestern in Utrecht alle möglichen Mensch/Maschine/Kunst Interaktionen beforscht und -schreibt. Gemeinsam mit Hans Bernhard hat er für den vorliegenden Band den Beitrag „Subversion ist Schnellbeton“ geschrieben, der sich mit der Ambivalenz respektive hochfrequenten Aneignung subversiver Strategien durch jene Strukturen, die eigentlich bloßgelegt werden sollen, beschäftigt – der Artikel ist auf Mirkos Homepage auch online verfügbar. (In der Tat ist dies wohl die zentrale Frage in der Bewertung jeglicher Alternative zu ultra-liberalem Turbokapitalismus. Denn kein anderes System war jemals so effektiv darin, jegliche strukturelle Form der Kritik zum adaptieren, implementieren und damit letztlich völlig zu entkräften.)

Ich habe das Buch vor einigen Wochen erhalten und noch nicht alle Beiträge gelesen – doch bereits jetzt, zur „Halbzeit“, gehört das Kompendium zu meinen Lieblings-Readern der jüngeren Vergangenheit. Einen Teil tragen auch die sehr gelungene Aufmachung und das Layout des Buches bei – in der Fußzeile findet sich, fortlaufend gedruckt, übrigens ein „Bonustext“, nämlich Florian Neuners „Was tun wenn’s brennt / Aussageverweigerung / Wahl der Mittel“. Sehr gelungen finde ich die Zusammenstellung sowie die Art und Weise der thematischen Annäherung: hier wird gar nicht erst versucht, in irgendeiner Weise Subversion dogmatisch zu definieren, stattdessen arbeitet das Herausgebertrio ganz bewusst mit einer Multiplizität der Zugänge, die sich auch im Aufbau des Buches widerspiegeln. Nach einem einleitenden Teil, der sich mit Geschichte, Strategie und Wirkung des Begriffs auseinandersetzt, folgt die weitere Einteilung spezifischen Zugängen der unterschiedlichen „schönen Künste“: Beleuchtet wird das Phänomen Subversion in Literatur, Theater, Fotografie, Film und Fernsehen sowie in der Bildenden Kunst und Mode. Ob Lumpendesign im Modekontext oder unmögliche Perspektiven im Kino dank Computertechnologie: schnell wird deutlich, dass Subversion keine fixen Rezepte kennen kann, da sie stets von einem bestimmten zeitlichen Spannungsfeld getragen ihre „Wirkung“ nach immer kürzerer Zeit verlieren. Soweit in diesem Kontext Verallgemeinerungen überhaupt möglich sind, versucht sie Mark Terkessidis in seinem einleitenden Text „Karma Chamäleon. Unverbindliche Richtlinien für die Anwendung von subversiven Taktiken früher und heute.“ Gemeinsam scheint allen subversiven Strategien jedenfalls die Einsicht, dass eine Kritik am System aus dem System heraus sich in einer paradoxen Münchhausen’schen Situation befindet: aber vielleicht kann man sich ja doch an den eigenen Haaren aus dem Sumpf herausziehen – denn die Ästhetik wiegt bekanntlich weniger als ein Vogerl.

4 Kommentare
  1. Oraklit
    Oraklit sagte:

    Klingt nach einer brauchbaren Überlebensanleitung für den Arbeitsalltag… sozusagen Marketing für Non-Dummies :razz:
    Den Text von Bernhard und Mirko hab ich online gelesen, den find ich sehr gelungen. Obwohl ich von „Sound of eBay“ ein wenig enttäuscht bin.

  2. gutesbuch@eingutesbuch.com
    gutesbuch@eingutesbuch.com sagte:

    ich weiss nicht: ist mir alles etwas zu schwammig (zumindest die Beschreibung). Dann doch lieber Andre Breton’s „Anthologie des schwarzen Humors“, die subersiver ist als alles Schreiben ueber sie.

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