CD-Review: Jan Delay - Mercedes Dance

CD-Review: Jan Delay – Mercedes Dance

Was dem telekom-Magazin copy recht, ist datenschmutz allemal billig – und die neue Jan-Delay Platte entwickelt sich sowieso zu einer Spätzünderin. Wenn also hier wie dort die Reze eines Albums, das bereits im August die Plattenläden beglückte, gedruckt wird, sind Bytes allemal geduldiger als Papier – hier also zur Nachlesen meine Review von Jan Delays „neuer“ Platte „Mercedes Dance“, Erschienen in the gap und mit einer kleinen Einleitung als Reminiszenz an die guten alten Zeiten des Musikjournalismus. Denn stellen Sie sich vor, geneigter Leser: selbst den eigenen PR-Partnern misstraut die Industrie und lässt uns teilweise gar grässlich verunzierte Aufnahmen zukommen, auf dass keine Kopie im Internet auftauche. Und wir müssen unseren Rezensionen dann anhand über-mäh-ter 32 Bit Aufnahmen schreiben. Ärgerlich.

Musikjournalismus und Internet

Wir haben da was gehört: es klingt entfernt nach Jan Delays neuer Platte. Aber es kracht und zwischt, dazwischen muht’s und mäh’s wie auf unserer kleinen Farm. Okay, man versteht die Texte und der Rezensent kann sich eine Meinung über’s Songwriting bilden, sofern er mit ausreichend masochistischer Ader ausgestattet ist, um bis zum Ende hinzuhören. Mehr aber auch nicht.
Dass selbst die grausam verstümmelte Presse-Vorabversion bereits in E-Mule aufgetaucht ist, mag eine gewisse Paranoia ja rechtfertigen. Dass der Rezensent nach Erscheinen des Albums die „vollwertige“ Version bekomme, hilft zum Zeiptunkt des Schreibens auch nicht weiter. For God’s Sake, es gibt „Listening Sessions“, es gibt personalisierbare digitale Kopien. Nur Kollektivstrafen riechen immer irgendwie verdächtig.
Aber die Hoffnung, dass Fans Alben kaufen, weil sie den Künstler unterstüzen wollen, kann man sich als Major Artist vermutlich nicht mal in der finanziellen Liga von Jan Delay leisten. Und auch wenn in diesem Fall Vorschusslorbeeren gerechtfertigt ein mögen: wenn dieses Beispiel Schule macht, dann sind zukünftig Reviews nicht nur geschmäcklerisch, sondern auch noch geraten.

Das Nordlicht tut’s schon wieder

Mit „Mercedes Dance“ setzt Jan Delay einmal mehr dort fort, wo vorher noch keiner aufgehört hat und nimmt sich fest vor, den Funk in die Clubs einzuladen.

Sich Kategorisierungen zu widersetzen gehört zum künstlerischen Image von Jan Delay wie Hamburg zu den Beginnern. Mit seinem aktuellen Soloalbum „Mercedes-Dance“ rückt dasmmer für Überraschungen gute Multitalent den Fokus auf Captain Funk. Der soll, unterstützt von „richtigen“ Instrumenten (s opposed to Sampling & Co.) und knackigen deutschen Texten die Clubs nicht rück-, sondern ganz einfach nur erobern.

Die Fahnen im Hamburger Hafen zeigen günstigen Wind an für dieses Vorhaben. Und wenn bislang erst recht wenig über den neuesten Solostreich des Herren Eißfeldt nach außen drang, dann liegt’s schlicht daran, dass das Album erst Anfang August den Weg zum Konsumenten finden wird und die Single sich erst Ende Juli ans Erklimmen der Charts machen wird. Besucher diverser Festivals bekommen vor dem Release einen Vorgeschmack auf den neuen „Eizi Eiz“: Reggae- wie Hip Hop Einflüsse sind deutlichst vorhanden, Eingängkeit und Kopfnickfaktor bleiben wiedererkennbar – das Leitmotiv allerdings lautet Grand Funk mit Band.

Die Style-Leine abnehmen

Bereits bei der Aufnahme von „Searching for the Jan Soul Rebels“ packte Delay eine ganze Live-Band ins Studio und garnierte die Tracks zusätzlich mit programmierten Beats. Und das letzte Beginner-Album „Blast Action Heroes“ richtete seinen Blick in manche Richtung ganz schön weit über den Tellerrand. „Mercedes Dance“ allerdings vollzieht den Genrewechsel mühelos und vollständig. Die programmatische Vergangenheit klingt allemal als akustisches Zitat durch, und sowas lässt sich nicht am Reißbrett planen: „Ich wollte diesmal keine Reggae-Platte machen; daneben war schon länger der große Wunsch da, mit einer Band zu arbeiten, die auch Jazz-Funk spielen kann und verschiedene Styles zu kombinieren. Vieles hat sich dann beim Aufnehmen im Studio ergeben, als ich gemerkt hab, dass wir in diverse Richtungen gehen können und die Style-Leine abnehmen.“

„Mercedes Dance“ hat das Potential zur Trendsetter Platte – für Jan Eißfeldt eines keineswegs unbekanntes Phänomen: Obwohl im Hip Hop kommerziell groß geworden, mussten oder wollten sich die Beginner und ihr nasal intonierendes Aushängeschild nie explizit um Coolness bemühen. Der kleine Mann mit dem rasierten Kopf und dem rauhen norddeutschen Charme zog freche Seiten auf: allerdings servierte er statt der hinlänglich bekannten hirnlosen Dissereien gerne mal kluge politische Seitenhiebe, ließ seinen Gedanken in Interviews und Texten freien Lauf und ist wohl höchstpersönlich für die Aussöhnung so mancher Fans von „echter Musik“ mit dem Phänomen Hip Hop verantwortlich.

Seriöse Handwerksarbeit

Dafür reichen natürlich die schönsten Worte allein nicht aus: für die notwändige Kompatibilität des Gewinner Sounds sowohl mit Opinion Leader Geschmack als auch breiten teilen des Mainstream sorgt seit „Bambule“ und den diversen Neben-, Seite- und Soloprojekten dasselbe Team: Chef-produziert hat Delay diesmal zwar selbst, aber selbstverständlich standen Studiogroßmeister Matthias Arfmann und Soundfrickler Tropf wiederum hilfreich zur Seite. Und so gehen wir jedenfalls davon aus, dass „Mercedes Dance“ unverschämt fett produziert wurde – genau sagen lässt sich das aufgrund der mit höllisch nervenden Tierlauten verunzierten 64kB Presseversion nun allerdings zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit Sicherheit.
Homepage: jandelay.net

0 Kommentare
  1. flavor4rava
    flavor4rava sagte:

    Was die überbiepten Presseexemplare betrifft, stimm ich komplett zu. Das neue Jan Delay Album allerdings find ich ziemlich überbewertet… ist halt netter Swing Sound, aber vom Erneuerer des deutschen Hip Hop hätt ich mir was ausgefalleneres erwartet.

  2. gottfried
    gottfried sagte:

    Ich kenn bislang nur die Single, swingt nett und wird Jan Delay zumindest ganz neue Publikumsschichten erschließen. Also kluges Musikmarketing, und wieder nix mit dem Ende der vier Major Labels.

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