Interview mit Paul Zasky - Dubble Standart - Immigration Dub

Interview mit Paul Zasky – Dubble Standart – Immigration Dub

dubblestandart1„Ein heftig tiefer Bass ist kompromisslos und rebellisch,“ sagt Paul Zasky von Dubble Standart. Dieser Aussage kann man ebenso wenig widersprechen, wie es möglich ist, sich dem groovigen Charme des aktuellen Longplayers „Immigration Dub“ zu entziehen. Die Review habe ich für die kommenden Ausgabe von the gap geschrieben (#77); und weil der Platz in Printmedien meist zu begrenzt ist und aus unserer E-Mail Unterhaltung ein sehr informatives und ausführliches Interview wurde, gibt’s hier vorab die Review samt ungekürztem Interview. Dass die bisherigen Reaktionen der internationalen Musikpresse euphorisch ausfielen, verwundert kaum: der 10. Longplayer der Band besticht durch dichten, atmosphärischen, abwechslungsreichen Dub-Vibe deluxe.

 

CD-Review: Immigration Dub

„Ich hinterfrage bestehende Systeme und Strukturen. Ich schaffe offene und flexible Soundwelten, die live anders klingen als auf Platte, die auf das Publikum reagieren, die die Phantasie des Publikums beschäftigen,“ erklärt Paul die Sound-Philosophie des österreichischen Quartetts, dessen Platten man seine Herkunft so dermaßen wenig anhört, wie kaum einer anderen alpenländischen Produktion. Das hat im vorliegenden Fall wohl mit aufwändiger Studio-Frickelei auf exotischer Hardware, mit reger Reisetätigkeit und mit jahrelanger Erfahrung zu tun: Die erste nicht US, UK oder Jamaican Dub Production, die auch veröffentlicht wurde, stammt von DS. Rootscontroller 1991: „Front Of Enemies“ mit Mikey Kodak/Rebel Radio und später „Vienna Dub Melange“ auf Suga B’s Silly Solid Swound Park Label – in den über eineinhalb Dekaden hat die Band ihren Sound gewaltig verfeinert. „Immigration Dub“ lebt nicht einmal ansatzweise von Reggaeseligkeit und falsch verstandenem Kulturtransfer – mit ihrem Hi NRG Dub Sound geben Dubblestandart einem urbanen Lebensgefühl mit einer Feinfühligkeit und Inspiration Ausdruck, die an die Produktionen großer Namen wie Lee Perry und King Tubby locker heranreicht.

dubblestandart3Die Herangehensweise der Band kann man dabei durchwegs als klassisch bezeichnen: „Wir nehmen alles in Live Sessions auf, real drum, bass, guit, keys – danach nehmen Robbie und ich die Tracks her, editieren, machen Overdubs, laden gegebenenfalls Gäste für Vocalaufnahmen ein. Robbie bearbeitet vieles dann noch einmal mit teilweise 30 Jahre altem Electronik-Eequipment, das das alles so klingt, wie es soll. Dazu gehört auch eine der wenigen fetten 2inch Bandmaschinen, die er sein eigen nennt, wo wir die ganze Produktion noch einmal analogisieren.“ Das Resultat ist für Paul keineswegs bloßer Lifestyle: „Derzeit geht der Trend wieder zur Wahrhaftigkeit zurück. Da elektronisches Equipment mittlerweile leicht zu beschaffen ist, wirkt vieles stereotyp und nicht sehr eigenständig. Heute findest du dafür 18-Jährige, die sich 200-Gramm-LeePerry-Vinyls aus dem Jahr 1972 kaufen, weil dort ein nicht nachzuvollziehender Sound drauf ist. Original Dub ist nicht nur einfach Experimentieren mit Klängen, sondern politischer Ausdruck.“

Highlights inter pares: die Dub-Ballade „When I fall in love“ feat. Ken Boothe, der übrigens das Original von Boy Georges „Do you really wanna hurt me“ schrieb, „Tiny little place called earth“ und „Wadada“ feat. Prince far I & Truman Chewstick. Diese Tunes schrauben sich gleich beim ersten Anhören ins Ohr, sollten allerdings nicht über die subtilen Hitqualitäten des Rests hinwegtäuschen. Kurz gesagt: „Immigration Dub“ gehört in jede gut sortierte Dub-Sammlung.

Dubblestandardt: Immigration Dub (Collision / Groove Attack)
www.dubblestandart.com

Interview mit Paul Zasky

ritchie: Dubble Standart gibt’s nun schon eine ganze Weile – nächstes Jahr feiert ihr 20jähriges Jubiläum. Was hat sich eurer Ansicht nach im Genre Dub in diesen zwanzig Jahren bewegt?

Paul: Für mich hat die gesamte elektronische Musikszene plus DJ Culture irgendwo Anfang der 70er in Kingston/Jam bzw. dem Schwarzen Viertel in Brooklyn und der Bronx begonnen. Dort wo amerikanische R&B Sachen auf Carribean Vibes trafen. Dubversions, Dub Plates, Extended Mixes, gesungene Lieder auseinander zu nehmen und neu mit Echos, Hall & zusätzlichem Sound wieder zusammenbauen: Ob Scientiest, King Tubby, Lee Perry oder dann Curtis Blow und später Giorgo Moroder oder in Great Britain das Post Punk Movement, in Germany Krautrock und bei uns New Wave und in den 90ern elektronische Musik. Klangtapeten fuer die Urbane Welt in mannigfaltiger Ausführung. Drum & Bass, House, Ambient, Trip Hop usw: alles hat die Landschaftsmalerei mit Klängen(und natürlich auch Lyrics) und das Aufbrechen klassischer Strukturen als brodelnden Schaffenskern zugrunde.

Dub Anfang der 70er war deshalb so innovativ, weil, was für uns heute selbstverständlich ist, damals nicht so war: Instrumentalversionen, die durch die Bearbeitung mit techn. Equipment auf 4-Spur Bandmaschinen zu psychedelischen Klangwelten wurden; Dub Mixes, die den Toastern a la I-Roy, U-Roy, Charlie Chaplin oder Dillinger oder Linton Kwesi Johnson in UK als Background für ihre Live Sessions und Political Messages dienten. Dub war in den 70er und 80er Jahren definitiv Black und vor allem in England präsent. Bis Anfang der 90er gab es (zumindest nach unserem Wissenstand) außerhalb Jamaicas (z. B. King Tubby, Scientist, Ruppie Edwards, Bunny Lee) Brooklyn (z. B. Sir Thomas, Bullwackie, Word Sound) und UK (z.B. Onu Sound, Mad Professor, Dennis Bovell) praktisch niemanden, der sich mit Dub Reggae befasste. Die erste nicht US, UK oder Jamaican Dub Production, die auch veröffentlicht wurde, war übrigens Dubblestandart – Rootscontroller 1991: „Front Of Enemies“ mit Mikey Kodak/Rebel Radio und dann „Vienna Dub Melange“ auf Suga B’s Silly Solid Swound Park Label. (so schauts aus!!)

dubblestandart2Massive Attack haben mit ihrem chilligen Ambient Sound und ihren Verbindungen zur engl. Dub Szene sicher einiges bewegt, nämlich dass Leute begonnen haben, die Instruments wie gleichberechtige Stimmen zu verwenden, nicht in der klassichen Hierachie des Rock. Dass Musiker angefangen haben, ihre Stimmungen mehr in Klängen als in Text auszudrücken und damit ein wesentlich vielschichtigeres Stimmungsbild ihrer Zeit und Gefühle darzustellen. Die genannten Artists sind die bekanntesten Beispiele – das soll aber nicht heißen, dass es nicht eine Menge anderer Experimentierer und Soundtüftler gab und gibt; ich meine die mit den closest Ties zu Dub-Reggae. Heute sind alle diese Stile etabliert: von der Wiener Elektronik-Szene bis zum britischen Dubstep oder Electro á la LCD: Originalsounds verfremden, sie urbaner oder psychodelischer, staubiger oder spaciger zu machen. Überall in irgendwelchen Studios wird permanent geschraubt und getüftelt.

Derzeit geht der Trend wieder zur Wahrhaftigkeit zurück. Da elektronisches Equipment mittlerweile leicht zu beschaffen ist, wirkt vieles stereotyp und nicht sehr eigenständig. Heute findest du dafür 18-Jährige, die sich 200-Gramm-LeePerry-Vinyls aus dem Jahr 1972 kaufen, weil dort ein nicht nachzuvollziehender Sound drauf ist. Original Dub ist nicht nur einfach Experimentieren mit Klängen, sondern politischer Ausdruck. Ich hinterfrage bestehende Systeme und Strukturen. Ich schaffe offene und flexible Soundwelten, die live anders klingen als auf Platte, die auf das Publikum reagieren, die die Phantasie des Publikums beschäftigen. Ein heftig tiefer Bass ist kompromisslos und rebellisch.

Eine Band wie Audio Active oder Asian Dub Foundation operiert so ziemlich genau in unserer Richtung: Hi-NRG Dub Reggae for Urban Druggy Drones like u and me, trying to make a living in the 3rd millennium, the restless dizzy age continues….

?: Welche Künstler liefern für euch maßgebliche Einflüsse?

!:In den 90ern war es sicher On U Sound, mit denen wir ja auch mittlerweile ab und an was machen, zum Beispiel im letzten Jahr die Live Session at Canadian Festivals/Wadada Version am neuen Immigration Dub Album/Studioproduction mit Mark Stewart. Mad Professor (siehe die Playerhater Production, damals noch auf dem österr. Label Fabrique Records) und natürlich Lee Scratch Perry (siehe Dubblestandart & Lee Perry Tour 92), oder Dillinger(Dubblestandart & Dillinger Tour 97). Wie erwähnt Audio Active oder Asian Dub Foundation. Wichtig in den 90ern: The Orb, the Prodigy, Metalheadz, Scorn, die Junglescene, aber auch die Attitude des Techno-Movements (Es gibt eine Dubblestandart Platte mit Spiral Tribe, die wir damals bei uns im alten Studio produziert haben – Dubblestandart goes Techno!) Heutzutage die ganzen Dubstepsachen. Es ist die Emotion dahinter. Der Geist unserer Zeit. Die Basis für uns bildet jedoch immer wieder klassischer Roots Reggae, das ist der Heartbeat. Wir sind aber aus Europe, deswegen sind unsere Einflüsse und damit vielfach unser Sound eben auch ein ganz anderer.

?: Wie kam’s zu den einzelnen Features am aktuellen Album?

!: Den Mpla Dub hab ich mit Tappa Zukie persönlich klargemacht, da ich ihn ja aus Kingston schon länger kenne. Devon D. unser Produzent in Kingston hat den Connect zu Ken Boothe hergestellt. (Ken Boothe hat übrigens das Original von „Do U Really Wanna Heart Me“ von Boy George geschrieben). „Wadada“ und die „We All Have To Get Hi“ Sache ist über Adrian von On U Sound, das Horace Andy Cover über unserern Labelmanager entstanden. Diese ganze orginale Dub Scene kennt sich ja irgendwie. Unser Labelmann Nicolai Beverungen war ja früher für On U Sound als Labelmanager tätig, unsere Booking Agency bucht auch Dub Syndicate und unsere Zusammenarbeit mit Ariup von den Slits tut das übrige. Wir sind halt alle irgendwie ein ruheloser Haufen, der ständig was aushecken muss und an irgendwelchen neuen Gschichten bastelt. Das ist halt unser Ding! ..und jetzt genug des Angebens…

?: Wo entstand das aktuelle Album? Nehmt ihr die Tracks in Wien auf oder unterwegs?

!: Ist alles in Robbie Osts Go East Studio entstanden – bis auf die Vocalaufnahmen, die sind in NY bzw. Kingston aufgenommen worden. Das Go East Studio in Wien ist das einzige, in dem wir in Österreich und eigentlich auch in ganz Europa den Sound so hinkriegen, wie wir ihn brauchen. (And i have seen a lot.) Gäbs das Go East Studio nicht, wären wir wahrscheinlich 1990 nach Brooklyn oder Kingston ausgewandert…

?: Ich behaupte mal, „Immigration Dub“ liefert keinerlei Hinweise auf seine „geographische“ Herkunft. Wie sind die ersten internationalen Reaktionen von KollegInnen auf’s aktuelle Album ausgefallen?

!:: Die Response ist derzeit ziemlich cool, das Album kommt aber erst ab 25ten in die Läden, das letzte Wort haben die Superlisteners out there…. Wir waren jetzt gerade für ein Paar Dub Shows in New York und danach beim Dubfest im Glazart in Paris. Es gibt eine Menge Leute, die sich derzeit für die ganze Hi-NRG Dub Suche bis hin zum Dubstep begeistern. Während Kode 9 aka Burial, Dubstep Allstars die Slowmotion Hardcore Versions machen, sind wir quasi die Uptempo Hi-NRG Variante eines urbanen Zeitgeistes -der gerade jetzt passiert… (behaupte ich jetzt mal hier so, äh..)

?: Wie funktioniert bei euch die Arbeitsaufteilung? Wer schreibt die Tracks, wer produziert?

!: Wir nehmen alles in Live Sessions auf, real drum, bass, guit, keys – danach nehmen Robbie und ich die Tracks her, editieren, machen Overdubs, laden gegebenenfalls Gäste für Vocalaufnahmen ein. Robbie bearbeitet vieles dann noch einmal mit teilweise 30 Jahre altem Electronik-Eequipment, das das alles so klingt, wie es soll. Dazu gehört auch eine der wenigen fetten 2inch Bandmaschinen die er sein eigen nennt, wo wir die ganze Produktion noch einmal analogisieren…

?: Habt ihr so etwas wie „Lieblingstracks“, bzw, wird es Singleauskopplungen geben?

!: Also Top ist bei uns : „Tiny Place Called Earth“, „Wadada“ und „We All Have To Get High“. In New York war im April Money mit Gudrun von She Says NR. 1 in den club Charts. Den Ken Booth Track „When I Fall in Love“ gibts am neuen FM 4 Sampler, sowie als 12inch mit einem JSTAR RMX von Ariup und Island Girl. „Wadada“ kommt mit dem neuen Rolling Stone Magazin auf einer Compilation im Juni across Europe. Das freut das Herz der Truppe und erklärt unsere most wanted ones!! Im August ist Tour in Canada und California geplant so everything is looking good so far….

0 Kommentare
  1. IrieHenna
    IrieHenna sagte:

    „When I Fall in Love“ ist schonmal sehr gut geworden, wenn der Rest auch dieses Potenzial aufweißt, dann ist das Album wirklich sehr gelungen. Interessant finde ich auch deren Aufnahmetechnik mit der 2Inch Bandmaschine, um den Klang zu analogisieren.

  2. afterburner
    afterburner sagte:

    Also ad hoc fällt nix ein… außer: über Dub schreiben ist wie über Architektur tanzen :mrgreen: Aber ernsthaft: Dubblestandart haben’s schon immer geschafft, die Bootys ins Shaken zu bringen.

  3. lonelysun
    lonelysun sagte:

    Dub ist groß und hat die keine andere Musikrichtung das Talent, sämtliche Styles zu inkorporieren!!! Dub ist kein Stil, sondern ein universaler Zugang zu Musik.

  4. denton
    denton sagte:

    So, ich bin also wohl der letzte… die Chancen scheinen ja noch gut zu stehen. Na dann nehm ich doch mal folgende Aussage mit rein die Competition: Guter Dub ist wie Dub. Er wärmt den Zentralkortex.
    Das reicht doch für eine Single?

  5. denton
    denton sagte:

    ok, srry, kommentieren ging vorhin nicht… na dann bin ich wohl der letzte und die chancen stehen ja noch gut. wie wär’s mit: guter dub macht froh wie mary jane. reicht das für eine single? :twisted:

  6. Pete
    Pete sagte:

    Hab das Album Mittwoch oder Donnerstag in der Post gefunden. Feinste Ware. Lief gleich 3, 4 mal in der Endlosschleife. Großartige Musik zum chillen am Balkon. Danke und Gratulation zum Album!!!
    Auf Ritchies Empfehlungen it einfach Verlass. :grin:

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