Der neue Google Plus Boss sperrt zu

Das Ende von Google+ begann vorgestern

In nur dreieinhalb Jahren akquirierte Google+ 2,2 Milliarden Mitglieder – auf dem geduldigen Papier eine mehr als respektable Leistung, die wohl bei jedem anderen zu astronomischen Bewertungen geführt hätte. Aber Google ist nun mal erstens nicht jedes andere Start-Up und hat mit dem rasanten Wachstum aus demselben Grund kein besonderes Kunststück vollbracht. Denn wenn man jeden Youtube-, Maps- und Gmail-Nutzer ein Plus Konto recht unsanft aufnötigt, dann ist das so authentisch wie die berüchtigten Facebook-Like-Käufe bei Politikern.

Google plus sperrt zu

Mit Google+ ging’s zuletzt rasant abwärts. (Foto: Office Zurich / Google Pressefotos)

Nicht mal die mittlerweile wieder abgeschaffte „Authorship“ konnte aus der Geisterstadt eine blühende Metropole der sozialen Medialität machen. Dabei verzichtete kaum ein ambitionierter Webmaster darauf, im Google-Suchindex mit Bildchen vertreten zu sein. Hangouts, der geniale gratis Gruppen-Videochat, die Facebook weit überlegenen Foto-Hosting Features… sie alle reichten bei weitem nicht aus, um das Ding zum Abheben zu bringen.

Zwei von drei Internetnutzern haben ein Profil bei Google+

Während der letzten Monate wurde Plus Ello immer ähnlicher: man hat zwar ein paar hundert Freunde, aber die fünf, die regelmäßig posten, die kennt man nach einigen Wochen wirklich gut. Doch mit dem Unter-uns-Sein ist demnächst wohl bald Schluss, denn ein neuer Projektleiter soll filetieren, ausgliedern und dann vermutlich das sinkende Network als letzter verlassen und die Türe hinter sich zusperren.

Der neue Hüter des Plusses heißt Bradley Horowitz und übernimmt die Produktverantwortung von David Besbris, der seit April 2014 Gründer und Google+ Mastermind Vic Gundotra ablöste. Zuerst berichtete Techcrunch, dann bestätigte Bradley via G+ Posting. Ich hab ihn gleich mal in meinen Circle „Social Network Bosse“ einsortiert…

Jedenfalls haben wohlmeinende Nutzer Herrn Horowitz gleich mal mit Feature-Request überhäuft: Panoramio muss bleiben, bitte schiebt „Locations“ zurück zu Maps… und so weiter:

Feature Requests: Bitte ans Salzamt richten!

Feature Requests: Bitte ans Salzamt richten!

Dabei scheint jedoch mehr als fraglich, ob der neue Boss diese Wünsche wird erfüllen dürfen. Daran zweifeln lässt zumindest dessen LinkedIn Profil, denn dort lautet seine Jobbezeichnung VP, Photos and Streams at Google. In der Beschreibung heißt es zwar Running team comprised of Google Photos, Google News, blogger, Google+ and related infrastructure, aber das für The Verge gleich mal genug Anlass, das offizielle Ende von Google+ anzukündigen.

Ich hab David zum neuen Job gratuliert unter seinem LinkedIn Posting mal nachgefragt, ob die angekündigte Entkoppelung das Ende für Googles Facebook-Konkurrenz-Ambitionen bedeutet:

Google+ das Ende

Man kann ja mal nachfragen.

Die besten Teile werden schonend konserviert

Dass die Finanzabteilung in Palo Alto den Betrieb des riesigen Netzwerks auf Dauer nicht für Bruno, Günter, Rainer, Michael und mich aufrecht erhalten würde, zeichnete sich spätestens gestern auf dem Mobile World Congress in Barcelona ab. Dort bekräftige Produktchef Sundar Pichai, dass man die Hangouts und die Foto-Hosting-Funktionen ausgliedern und als eigenständige Produkte weiterführen will.

Verständlich – was Pichai allerdings meint, wenn er davon spricht, auch „den Stream ausgliedern“ zu wollen, weiß nur Google. Außerdem stellt sich damit die berechtigte Frage: Was bleibt ohne Fotos, Videos und Stream? Zum Beispiel Google My Business.

Die viele Arbeit: Überall den G+ Share-Button wieder ausbauen

Man muss sich nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen, um in diesen Entscheidungen den Anfang des Endes für den letzten, arg schwächelnden Facebook-Konkurrenten zu erkennen. Nachher ist man immer klüger – dass sich Google mit der engen Integration aller Services keinen großen Gefallen getan hat, zeigt sich an etlichen Details.

Nicht zuletzt an den Business-Features: Google hat die KMU-Steuerzentrale mit Map-Eintragsverwaltung und zugehöriger Plus-Page recht konsequent ins nun nicht mehr so geliebte Netzwerk verlagert. Bleibt Google+ zukünftig ein Business-Rudiment oder verschwindet die Marke gänzlich aus dem Portfolio?

Ich befürchte zweiteres. Und hege nebenbei schon länger einen Verdacht: Die Aktivität hat in den letzten Monaten beständig abgenommen, aber niemand hat am Algorithmus respektive an der SERP-Anbindung gedreht. Also hatten kleine Aktionen immer größere Auswirkungen… schade.

Google+, du wirst mir mehr fehlen als Wave.

6 Kommentare
  1. MichiEndemann
    MichiEndemann sagte:

    tja das wars dann wohl. Die Communities waren recht ok, zumindest im IT/Health Bereich, englischsprachig. Was nervt ist dass die Android-App nie die richtigen Bilder zum Post anzeigt, wenn nicht mal das funktioniert, wie dann was anderes…. :-/

  2. datadirt
    datadirt sagte:

    MichiEndemann Ja, die haben ein fettes Teil hingestellt und anschließend hat sich niemand mehr um die Kleinigkeiten gekümmert….

    Die Communities waren definitiv eine der Stärken, da gab’s etliche recht aktive.

  3. blogsashde
    blogsashde sagte:

    Hallo,
    habe den Artikel gerade gelesen und hoffe doch wirklich, dass es G+ weiterhin geben wird, da ich auf dieses Social Network auch gerne setze, habe dort selbst eine kleine Blogger-Community und es wäre recht schade, wenn ich es nicht mehr hätte. Wollen wir hoffen, dass der neue Chef bei G+ sich auch mit dem Netzwerk befassen wird und nicht nur andere Interessen verfolgen wird.

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