EU überlegt Verlinkungsverbot

Die EU will vielleicht das Internet kaputt machen | Kein Link ist illegal

Die EU-Kommission plant seit längeren eine europaweite Urheberrechts-Novelle: Digitale Grenzbarrieren sollen abgebaut und Hyperlinks zukünftig möglicherweise verboten oder zumindest kostenpflichtig werden. Mögen andere jammern und klagen, ich behaupte: Wenn diese Miss-Vision Realität werden sollte, dann kommen auf Blogger noch goldenere Zeiten zu. Denn unsere Inhalte darf jeder jederzeit verlinken.

Die inzwischen längst wieder außer Kraft gesetzte Gurkenkrümmungs-Verordnung hat sich zu einem veritablen Symbol für den EU-Regulierungswahn entwickelt. Was die guten Leute in Brüssel nun vordenken, lässt das Lachen allerdings im Hals stecken bleiben. Daher warnte die deutsche Parlamentspiratin Julia Reda am Freitag in ihrem Blogbeitrag vor einem Szenario, das man auf den ersten, zweiten und dritten Blick für einen verfrühten Aprilscherz halten könnte.

Ein von IPKat veröffentlichtes, internes EU-Dokument suggeriert nämlich, dass die EU-Kommission ernsthaft erwägt, Links zu urheberrechtlich geschützten Inhalten im Internet unter Urheberrechtsschutz zu stellen.

Stellen Sie sich mal vor, Sie möchten sich über einen Artikel auf oe24.at lustig machen und müssen erst bei Wolfgang Fellner nachfragen, ob Sie das Spottobjekt überhaupt verlinken dürfen!

Julia schreibt von einem Frontalangriff auf den Hyperlink, den Grundbaustein des Internets. Piraten neigen nicht ungern zur Arr-Arr-Übertreibung, und in der Tat steckt hinter der Urheberrechtsnovelle ein löblicher Ansatz, der aber – und das wäre nicht das erste Mal – auf Druck einer Lobby ganz böse nach hinten losgehen könnte.

Drah die ned um – die EU Kommission geht um

Denn an und für sich wollen die Kommissare in erster Linie das europäische Urheberrecht harmonisieren und Grenzschranken im digitalen Binnenhandel abbauen. Was sollte das mit Hyperlinks zu tun haben?

Kein Link ist illegal

Hieß es nicht mal, Google mag keine bezahlten Links? Ohne Hyper könnte es im Netz ziemlich einsam werden.

Grundsätzlich hat der Europäische Gerichtshof seine Auffassung zu Hyperlinks bereits im vielzitierten Svensson-Urteil kundgetan:

Darin stellte das das Gericht zwar einerseits fest, dass das bloße Verlinken öffentlich zugänglicher Inhalte keine Urheberrechtsverletzung darstellt, weil damit keine neue Öffentlichkeit erreicht wird. Einige Fragen blieben jedoch offen – etwa wann genau ein Inhalt als „öffentlich zugänglich“ gilt und wie Links zu behandeln sind, die z.B. eine Paywall umgehen.

Da sich die Kommission nicht zum ersten Mal Sorgen um das Überleben der Verleger macht, legen die Ausführungen im geleakten PDF [nicht mehr online] nahe, dass fürderhin im Worst Case Szenario das Verlinken von Inhalten auch unter die juristische Kategorie „Zugänglichmachung“ fallen könnte. Eine ausführliche Analyse dazu finden Sie bei Netzpolitik:

Inwieweit hier aber Änderungen bei Bestimmungen zu öffentlicher Zugänglichmachung helfen sollen, bleibt im Unklaren. Da es hierbei aber um ganz grundlegende Praktiken wie Verlinkung auf online verfügbare Inhalte geht, könnte eine vom LSR inspirierte Einschränkung von Verlinkungs- und Embeddingfreiheiten drohen.

Deshalb: Kein Link ist illegal

Jammern und Wehklagen hilft erfahrungsgemäß wenig. Dass Google, sollte ein solches Verlinkungsverbot jemals in Kraft treten, einen eigenen Pagerank-Algorithmus für Europa schreibt, halte ich für äußerst unwahrscheinlich.

Also kein Grund zur Jammerei: Wenn Verlage keine Backlinks mehr bekommen wollen dürfen, dann springen wir Bloggern gern in die Bresche. Deshalb rufe ich alle Gleichgesinnten, die ihre Artikel ebenfalls veröffentlichen, um Sie einer breiten Öffentlichkeit öffentlich zugänglich zu machen, auf, rechtzeitig die geneigte Leserschaft auf den freiwilligen Verzicht auf Verlinkungsverbote hinzuweisen.

In diesem Sinne: Seiten, die mit dem „Kein Link ist illegal“ Sticker gekennzeichnet sind, nehmen auch in Zukunft am World Wide Web, so wie wir es kennen, teil.

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* Der EU-Gesetzgeber überlegt auf Druck der LSGs (Leistungsschutzgesellschaften = Verlegerlobby) derzeit, ob das Verlinken von Webinhalten zukünftig zustimmungspflichtig sein soll.

Für Webmaster könnte dies bedeuten, dass sie zukünftig nachfragen müssen, ob die jeweilige öffentliche zugängliche Information verlinkt werden darf – respektive gegebenenfalls sogar dafür bezahlen.

Dies vermutet jedenfalls Julia Reda, Abgeordnete zum EU Parlament für die Piratenpartei.

Digitalkommissar Öttinger hat sich schon öfter als Robin Hood der Verlage positioniert: Die sollen für ihre steigenden Verluste kompensiert werden – wenn dabei als Kollateralschaden das Internet kaputt wird, ist das schließlich halb so wild.

Uns ist das egal – die Regulierer und Urheberrechts-Fans sollen das ruhig unter sich ausmachen. Ich erkläre hiermit, dass ab jetzt und in alle Zukunft jede/r Online-Publisher sämtliche öffentlich zugänglichen Inhalte dieser Webseite zeitlich und örtlich unbeschränkt kostenfrei und ohne vorherige Genehmigung verlinken darf. Respektive soll.

Meistens bedanke ich mich anschließend sogar für den Backlink.

Die EU will vielleicht das Internet kaputt machen | Kein Link ist illegal


Sternenhimmel-Foto: Unsplash / Greg Rakozy

9 Kommentare
  1. Moritz Jaeger
    Moritz Jaeger sagte:

    Ich bin inzwischen der Meinung: Lass diese Deppen machen. Es ist ein leichtes, eine Blackliste zu allen Verlegern zu bauen, damit Links ins Leere laufen.
    Wenn die glauben, dass dadurch ihre Pfründe sicher bleiben, von mir aus. Die werden schauen, wie schnell keiner mehr zu ihnen verlinkt.

  2. datadirt
    datadirt sagte:

    Yo Moritz, das seh ich genauso wie du – hab eine Weile überlegt, als ich den Artikel geschrieben habe – ich denke auch, dass sich die Verleger nicht effizienter selbst abmontieren können.
    Das ist doch bloß digitale Maschinenstürmerei, wir leben in der Aufmerksamkeitsökonomie. Ich find’s aber aus medienpolitischer Sicht hochspannend, wie sich die ganze Sache nun weiterentwickelt. Kurz gesagt: Wird die Kennzeichnung eine Bring- oder Holschuld?

  3. datadirt
    datadirt sagte:

    Eben, und da könnte das pragmatische Problem liegen – wenn sich Leute „im Zweifelsfall“ nicht mehr trauen, zu verlinken.  Aber dann heißt’s halt in Zukunft: „Hier werden Cookies verwendet und du darfst verlinken, Oida“ *g*

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