Die Kolumne #51 (Dezember 2003)

Die Kolumne #51 (Dezember 2003)

Saß ich doch neuerdings mit Tante Brigitte, der Beauty-Journalistin K. und meiner Freundin in einer Art Bio-Restaurant, das seine Gemüse gesotten, gebraten, gebacken, gedünstet und gedämpft anbietet, und musste an letzthin Gelesenes mich erinnern. (Der Leser soll die Kälte ruhig fühlen, die Sprache wird angloamerikanisch christmessy, Charles-Dickens’scher – Bedrohliche Weihnachten! Bedrohliche Weihnachten!)

Mit Bügeleisen nach Rüpeln schmeißen

Teilte mir doch ein vegetarisches Ernährungsbuch mit, dass man durchaus „nicht ausschließlich ungekochtes Gemüse“ zu sich nehmen müsse; wenn dem eigenen Körper danach sei, gönne man sich abseits schlechten Gewissens ruhig von Zeit zu Zeit auch ein sanft gedünstetes Kohlblättchen. Nur sollte der Anteil der gekochten Nahrung zwanzig Prozent nicht übersteigen.

Das zu lesen erfreute mich außerordentlich, weil mein Gasherd beim Anmachen so einige Marotten zeigt: Eine der vier Feuerstellen lässt sich zwar anzünden, doch sobald ich loslasse, bleibt der Knopf nicht drin. Man müsste ihn – den Knopf – schon mit Duck-Tape fixieren. Die anderen drei Platten erfordern zwar keine permanente Halte-Action, bedürften aber zum Behufe des Anmachens verschiedener kottanesker Tricks – deshalb haben Fremde keine Chance, sich in meiner Küche auch nur ein hartes Ei zu kochen, es sei denn, sie verwendeten hiezu den Wasserkocher.

Aber wieder zurück vom ungekochten Eiern zur Beauty-Journalistin K., der es mich eine brennende Fragen zu stellen gelüstete. Denn in einem derzeit on air rotierenden Werbeclip sagt der Sprecher-Dingsda bzw. schreibt die Texteinblendung, so genau weiß ich das nicht mehr: „Die Wirkung wurde wissenschaftlich und jetzt auch von Beauty-Journalisten bestätigt.“ Ich frug also K., worin denn spezifisch sich die Methodik der Beauty-Journalisten von jener der Wissenschafter unterscheide, und ob Erstere ihre Expertise auch anderen Wissensgebieten als nur der Schönheit per se zur Verfügung zu stellen gedächten.
Obschon bereits wildeste (glaubt mir: wildeste!) Mutmaßung und Spekulation mir im Kopfe kreiste, enttäuschte mich K. mit dem im Angesicht einer so wichtigen Erörterung vergleichsweise lapidaren Kommentar, man habe vielleicht ihre KollegInnen befragt, systematisch, mit Bogen und Multiple Choice, ganz auf die Gewöhnliche. Kann die Welt so banal sein, kann sie denn weiterhin auskommen ohne Beauty-journalistische Forschungslabors, direkt neben den ausgedehnten Doktor Best Dental Studios, wo alle Mitarbeiter ständig kreisende Bewegungen mit sanftem Druck ausüben? Liegen die zukünftigen Forschungssynergien im Spannungsfeld von Kulturwissenschaft und Informatik oder von Zahnsäuberungskunde und Schönheitsberatung?

Gegrilltes Gemüseallerlei mit Sauce Analús unterbrach unser Gespräch, und so kann ich bis heute nur spekulieren, wie genau die sieben Zeichen der Hautalterung definiert werden:

  1. Graue Haut nach dem Konsum von stark Vitamin C hältigen Fruchtgetränken.
  2. Dünne Ascheschicht zwischen Kinn und Unterlippe gleich nach dem Aufstehen.
  3. Sehnsuchtsgefühl der Epidermis nach dem „Seniorenclub“.
  4. Leichtes Desorientiertheitsgefühl in Expressliften, verbunden mit deutlich fühlbarer Erschlaffung an der Innenseite der Oberschenkel.
  5. Niveauunterschiede von bis zu vier Millimetern an der Hautoberfläche.
  6. Verhärtung der Nasenhaare bis hin zur Nasenhaarspitzenspaltung.
  7. Senile Reaktion der Haut auf Sonneneinstrahlung.
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