Do it yourself: Interview mit Karel Dudesek

Do it yourselfDie DIY (Do it yourself) Bewegung schwappt von den USA nach Europa über: sie lässt Heimwerken unter veränderten Vorzeichen plötzlich wieder en vogue werden. Zu je komplexeren und undurchschaubareren Konfigurationen sich Technologie auf der einen Seite hin entwickelt, desto größer wird auf der anderen Seite offensichtlich das Bedürfnis, einen Blick hinter die Maske namens Oberfläche zu werfen. Denn selbst im Zeitalter der allumfassenden Digitalisierung macht es manchmal Sinn, das „Begreifen“ wörtlich zu verstehen.

Nicht zuletzt das amerikanische Make Magazine hat den Trend zum Do-it-Yourself entscheidend mitgeprägt. Während die einen in die Disko kroch’n gehen, schrauben die anderen aus purer Entdeckungslust an Klospülungen rum – höchste Zeit also für the gap, einen Blick unter die Haube der DIY-Szene zu werfen. Für die derzeit im Druck befindliche Ausgabe habe ich ein Interview mit Karel Dudesek geführt: der Medienkünstler, Medienkunstprofessor und Musiker organisiert in England das Takeaway Festival und hat ganze Generationen von Studenten an der Angewandten in Wien unterrichtet. Eine Biographie findet auf Kunstradio.at. Herzlichen Dank an Klaus Kraigher für die Fotos!

Audiointerview mit Karel Dudesek

Exklusiv hier auf datenschmutz gibt’s das Interview in voller Länge als Streaming Audio – im Gespräch schneidet Prof. Dudesek einige hochinteressante Themen an, die ich im Artikel aus Platzgründen weglassen musste. Et voilá: Digital Crafts, Kunst und Handwerk und die Entwicklung der Medienkunst der letzten Jahre: Professor Karel Dudesek im Gespräch mit dem Autor. (Bitte die suboptimale Audioqualität zu entschuldigen; ich hatte meine externe Soundkarte nicht zur Hand und der eingebaute Mic-In besitzt einen nicht abschaltbaren Dynamikfilter aus der Hölle. Trotzdem Hörspielpflicht für alle Medienkunst-Freaks!)

[audio:200805-karel-dudesek.mp3]

Mach’s dir selber

Die Lust am Basteln erlebt eine digitale Renaissance.

Einen wesentlichen Kristallisationspunkt fand die DIY-Bewegung im us-amerikanischen Make Magazine: die erfolgreiche Printpostille mit stark bevölkerter Community-Seite stellt so etwas wie die moderne Gegenthese zu Tim Taylor dar: Motor und Kraftquelle ist primär die Lust am Sinn-Losen, Anleitungen für effektivere Stauraumgenerierung oder klassische Haushaltstipps wird man hier nur ein Ausnahmefällen finden. Dafür erklären Redakteure etwa anhand eines detaillierten Films, wie man aus Haushaltsmaterialien einen ferngesteuerten Ornithopter baut oder wie man eine Violine ein USB-Instrument umfunktioniert. Natürlich gehört dazu auch ein nahezu täglich aktualisiertes Blog – und in der Tat erscheint kaum ein Thema so unerschöpflich und variantenreich wie der Einsatz von Technik in der und vor allem gegen die Intention ihrer Schöpfer. Das Web 2.0 mit seinen Social Networks wie Facebook, Myspace oder StudiVZ und den zahllosen Mikromedien-Channels von Weblogs über Twitter-Profile bis zu Youtubes Accounts bietet der Do-it-yourself Kultur die perfekte Selbstdarstellungsplattform. Denn die Freude am selbstgebastelten USB-Mini-Heißwasser Boiler respektive die Motivation, ihn überhaupt erst zu bauen, steigen zum Quadrat, wenn eine potentiell interessierte Weltöffentlichkeit zum Voyeur der eigenen Ingenieurskunst wird.

Dass dieser Paradigmenwechsel am Kunstbetrieb längst nicht spurlos vorüber geht, weiß jeder, der in den letzten Jahren die ars electronica besucht hat. Seit der russische net.artist Alexej Shulgin im Jahr 2000 mit seinen 10 in Steintafeln gravierten Gesetzen das Genre der net.art für verblichen erklärte, wich das analytische Paradigma auch im medien-artistischen Bereich einem Hands-On Ansatz, der den User mehr oder weniger radikal von der passiven Rezipientenrolle in die des Créateurs versetzt.
Universitätsprofessor Karel Dudesek befasst sich seit mehreren Jahrzehnten mit dem Themenkomplex Medienkunst und organisiert in London das Takeaway Festival, eine Mischung aus Konferenz, Ausstellung und kollektivem Bastelworkshop. Der mittlerweile in England, Deutschland und Österreich tätige Theoretiker und Aktivist gestaltete die ars electronica mit, prägte durch seine organisatorische und/oder kuratorische Tätigkeit zahllose Medienfestival und sensibilisierte Generationen von StudentInnen im Umgang mit diesem eigenartig-immersiven Medien-Dingsda*, das sich sowohl im akademischen als auch im künstlerischen Bereich stets so elegant dem finalen Zugriff des Betrachters entzieht. Medien, das predigte McLuhan Zeit seiner Lehrtätigkeit, bilden einen integrativen Teil des uns umgebenden Lebensraums. Wir können sie nicht im klassischen Sinne analysieren, da der nötige Abstand zwischen Betrachter und Subjekt schlicht nicht herzustellen ist – also bleiben uns nur die sogenannten „Probes“, also Sonden, die einzelne „Medienproben“ liefern, aus denen wir Rückschlüsse begrenzter Gültigkeit ziehen können.

Zu Abstrakt? Genau um dieses invasive Hinter-die-Maske-Schauen einerseits und um ein altes Spannungsfeld zwischen Kunst und Kunsthandwerk andererseits dreht sich der aktuelle Diskurs der Medienkunst, wie Karel Dudesek erklärt: „Was komplexer wird, kommt von Natur aus auch in die Krise. Und in dieser Krise modifizierte sich die Medienkunst zu einer Art Designkunst. Die ars electronica und andere Festivals mutierten zu Design-Präsentationen; ob Open Source oder nicht, sei mal dahingestellt. Das hat natürlich dazu geführt, dass in der Spannung zwischen Kunst und Design – also zwischen Kunst und Handwerk, diese Spannung gibt es ja nach wie vor – die handwerkliche Seite in Form der ‚digital crafts‘ plötzlich sehr stark die Oberhand gewonnen hat.“

Die digital-crafts Bewegung existiert seit rund fünf Jahren und zeigt neue Varianten interaktiver Interfaces, die in der „klassischen“ Medienkunst schlicht keinerlei Beachtung mehr fanden: „Designer haben per definitionem keine politische oder kulturelle Selbstaufgabe. Daher auch dieser Begriffsbogen von wegen ‚knitting‘, ‚do-it-yourself‘ und so weiter. Diese neue technologische Situation erlaubt einem viel weiteren Personenkreis, eigene Projekte zu entwerfen und in weiterer Folge auch Geld damit zu verdienen, was natürlich völlig legitim ist. Die Universitäten in Europa haben diese Entwicklung weitgehend verschlafen und beschäftigen sich nach wie vor mit einem tradierenden Kunstbegriff, der mit dieser neuen Form der medienkulturellen Produktion einfach nicht mehr funktioniert.“

Technologien beziehungsweise Werkzeuge formen stets den mit ihnen generierten Output: das Vektor-Grafikformat Flash von Adobe etwa gibt bis zu einem hohen Grad das mit ihm realisierbare Endprodukt vor – eine scheinbar paradoxe Situation, die Prof. Dudesek mit dem in Europa lange Zeit sehr beliebten „Stricken nach Zahlen“ vergleicht. Studenten sollen an Kunsthochschulen für diese Situation sensibilisiert werden und durch den Blick unter die Oberfläche ihre Werkzeuge im Flusser’schen Sinne als Dispositive des Kunsthandwerks verstehen. „Tools framen die Ästhetik,“ erklärt Dudesek, „und die Beschäftigung des Künstlers endet ja nicht an der Oberfläche, sondern es geht darum, diese Interface-Systeme von der intellektuellen Seite her zu kapieren: denn dieses Verständnis spielt ja wieder eine beträchtliche Rolle im kreativen Bereich.“

Für die Einwohner des klassischen Kunstestablishments müssen die Credos der jungen Medienkünstler-Generation wie Altarfrevel erscheinen: wo das Establishment Sicherheit an Ölgemälden in historischen Säulenhallen festmacht, richtet sich die Aufmerksamkeit der jungen Medienkunst auf iPhones, digitale Klospülungen und so ziemlich jede Blackbox, deren unter der Haub verborgener Hard- oder Software-Schaltplan sich neu verdrahten lässt. Was im Bereich elektronischer Musik modifizierte Klangerzeuger-Hardware bedeutet, davon weiß jeder Synthie-Sammler ein Lied zu singen – ob der Do-it-Yourself Schock als nachhaltiger künstlerischer Paradigmenwechsel gelten wird, das kann aber nur eine entscheiden: und zwar die Nachwelt.

Dass (digitale) Re- und Produktionstechniken den Fokus ästhetischen Schaffens auf die Beschäftigung mit den Implikationen der Hard- und Software lenken würde, erkannte in den zwanziger Jahren bereits Walter Benjamin in seinem hellsichtigen – und vielfach zu Unrecht als kulturpessimistisch bezeichneten – Kunstwerksaufsatz (Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeialter seiner technischen Reproduzierbarkeit). Ein berechtigter Zweifel an der Hoffnung auf lustvolle Aneignung der mediengesellschaftlichen Infrastruktur macht sich aber trotzdem breit: noch nie wurden so viele Kochbücher und -sendungen produziert und konsumiert wie in den Nuller-Jahren des neuen Jahrtausend – während zugleich noch nie in der Geschichte Westeuropas privat so wenig gekocht und soviele Fertigprodukte konsumiert werden. Anstatt die guten alten Zeiten elitärer Kunstproduktion zurück zu sehnen, bleibt also nur zu hoffen, dass der hohe Spaßfaktor der Do-it-yourself Philosophie auf breiter Ebene nicht bloß verkleidete Kapitulation vor znunehmend undurchschaubareren Blackboxes symbolisiert.

* Unter anderem auch den Herausgeber des Pamphlets; sowas kommt also dabei raus, wenn man zu lange über dieses Medienzeugs nachdenkt.


Fotocredits:
Bild 1 – Alix-Gehäuse: Roland Alton Scheidl, net culture lab
Bild 2 – Ncl_Radicla Chic: Telekom Austria TA AG
Bild 3 – Löten: David Cuartielles

0 Kommentare
  1. Klaus
    Klaus sagte:

    Hoffe nicht zu sehr Blog-Spam, aber es passt zum Thema:

    DIY kommt nach Wien, im net.culture.space im MQ kann jeder mitbasteln, löten und programmieren.

    Siehe

    Do It Yourself-Workshops
    Make your own: 3D Plot – fab@home | 28. Mai bis 10. Juni
    Make your own: Physical Computing – Arduino | 28. Mai bis 10. Juni
    Make your own: Home Media Server | 28. Mai bis 3. Juni
    Make your own: Wii controlled Whiteboard | 3. Juni
    Make your own: Radical Chic – Wearable Computing | 4. Juni bis 7. Juni
    Make your own: Wearable Computing … | 30. Mai bis 1. Juni und 6. Juni bis 8. Juni

    Wo:

    net.culture.space – quartier21/MQ
    Museumsplatz 1 | 1070 Wien

    Freier Eintritt!

    • ritchie
      ritchie sagte:

      Da werd ich sicherlich auch mal vorbeischauen. Bin ja gespannt, ob das eher die Nerd-Fraktion anzieht oder ob Löten plötzlich Pop-Appeal bekommt und ich meine Zinnrolle wieder auspacken muss :mrgreen:

    • Christine
      Christine sagte:

      Hi
      in deinem Blog werden bei mir sämtliche Umlaute als komische Zeichen dargestellt.
      Anstatt einem o mit Pünktchen steht nur so was da wie “ö”…
      Ist da was mit deiner Zeichensatzcodierung im Blog durcheinander gekommen, oder liegt das eventuell an meinem Rechner? komisch.
      tschau

  2. www.angelboot.org
    www.angelboot.org sagte:

    Ich glaube nicht das Löten plötzlich Pop-Appeal wird, eher werden es mal wieder die Nerds seien die mit der Zinnrolle und der Lötpistole am Gürtel kommen werden.

  3. Robert
    Robert sagte:

    Wie habe ich das früher geliebt mit meiner Lötstation die komischsten Sachen zusammen zu löten :roll:

    Mittlerweile benutz ich den nur noch, wenn meine Lüftersteuerung mal wieder spinnt.

    Nen Besuch wäre es aber dennoch wert denke ich. :mrgreen:

  4. Andreas
    Andreas sagte:

    Ist doch eine nette Sache! Ich habe früher auch immer gerne „case modding“ gemacht. Wobei ich mittlerweile auf ein Laptop umgestiegen bin und keinerlei Spiele mehr spiele somit sind Desktoprechner für mich relativ uninteressant geworden. :mrgreen:

    Grüße
    Andreas

  5. kalle
    kalle sagte:

    …DIY im Spannungsfeld zwischen Kunst und Kunsthandwerk…? –

    Wenn man es so sehen will, warum nicht. Mir geht’s dabei um’s ‚Händische‘ und um’s ‚Begreifen‘ von Techniken und Technologie und gestalterischen Möglichkeiten.

    Ich wundere mich schon lange über den offensichtlichen Mangel an guten deutschsprachigen Seiten zu diesem Thema. Im Vergleich zu den USA ist da sogut wie gar nix. Daher fänd ich’s gar nicht schlecht, wenn die grundlegende Begeisterung für’s Erfinden, Erschaffen und Gestalten etwas abfärbte.

    • ritchie
      ritchie sagte:

      Das stimmt natürlich… weit und breit nix Vergleichbares zum Make Mag. Wobei: die gute alte Elektor geht bzw. ging ja auch in diese Richtung, wenn auch rein auf Elektronik beschränkt. Ich sag nur: Ing. Dieter Nührmann, der Franzis-Verlag Held meiner frühen pubertären Jahre!

  6. Musashi
    Musashi sagte:

    Das Selbermachen hat mich immer schon fasziniert. Habe aber leider überhaupt kein Talent für jede Art von Handwerk. Sei es im Haus oder im Computer. Schaue daher immer etwas neidisch auf die, die das können.

  7. Klaus
    Klaus sagte:

    Würde auch gerne im Handwerken und vor Allem im Löten gerne mehr Geschick von Geburt an mit in die Wiege gelegt bekommen haben.

    Meine XBox 360 hat nämlich den berühmten „Ring of Death“ und ich würde sie nun am liebsten gerne selbst neu verlöten.

    Evtl. kann mir ja Jemand von Euch nen Rat geben wo ich das am Beste machen kann in Frankfurt??? Wäre sehr dankbar für einen guten Tipp bei diesem ja doch recht sensiblen Thema!

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