Domingo platzt das Ohr

Domingo platzt das Ohr

Auf der allerletzten Seite der steirischen Kleinen Zeitung (Nr. 219 vom 11. August 2007), Haus-und-Hof Organ des Styria-Verlags, kommt auf der beliebten „Leute“ Seite heutigentags Placido Domingo zu Wort, um seine erstaunlichen Erkenntnisse über Psychoakustik zu verbreiten.

Der Titel „Er hat ein Ohr für Gehörlose“ legt den Schluss nahe, dass Herr Domingo sich für jene einsetzt, die seine eigene Kunst aufgrund beeinträchtiger Hörfähigkeiten nicht genießen können – und in der Tat ist das eine Drittel der drei Tenöre als „Botschafter“ der Initiative „Hear the World“ unterwegs, die eine Reise durch die Klangwelt Salzburgs vermittelt und von der Hörgerätefirma Phonak gesponsert wird. (Ich vermute, dass die Installation auch für Menschen mit beeinträchtigen Hörvermögen geeignet ist, aber das geht aus dem Text nicht wirklich hervor.)

Dass die Welt der Opernsänger voller lärmender Restaurants ist, war mir allerdings neu:

„Wir leben“, sorgt er (Domingo) sich, „in einer soundüberfluteten Welt und mehr denn je sind Menschen gefährdet, taub zu werden.“ Etwa durch Restaurants, in denen laute Musik gespielt wird: „Ich will gut essen, mich mit Freunden unterhalten und schon jault es aus den Lautsprechern, dass man sein eigenes Wort nicht mehr versteht.“

In welche Restaurants geht der Mann essen? In die Dorfstube, wo die Kapelle gerade ein Indoor-Platzkonzert spielt? Oder haben Opersänger generell empfindlichere Ohren? Aber wie ertragen sie dann das Volumen ihrer eigenen Stimmen? Fragen über Fragen, doch Placido ist nebenbei auch noch Hobby-Psychoakustiker:

Discos? „Es geht nicht nur um die Ohren. Haben Sie gemerkt, wie sich laute Bässe auf Ihren Herzrhythmus auswirken?“

Yup. Ich habe das durchaus gemerkt. Nicht nur der Herzrhythmus, das ganze Zwerchfell und eigentlich jede Zelle im gesamten Körper spürt die Basslines im Club. Das ist ja auch der Grund, warum wir dorthin gehen. Das ist auch der Grund, warum unterschiedliche Menschen unterschiedliche Musiken und Geschwindigkeiten bevorzugen. Und ich spreche nicht von Landdiscos mit gräßlich übersteuerten Höhen und Mitten, ich rede von rollenden Basslines, donnerenden Bassdrums und jenen PA-Boxen, die, richtig eingesetzt, eben nicht die Ohren zerstören, sondern Musik, die sonst bloss hörbar ist, fühlbar machen. Dub(Step), Grime, vor allem Drumandbass beruhen auf einer synästhetischen Verbindung verschiedenster Sinneseindrücke. Domingos Argumentation erinnert mich an skurrile Texte aus dem Unterstufen-Religionsunterricht, in denen von „satanischer Metalmusik“, die mit ihren tiefen Bässen das Sexualverhalten gottesungefällig stimuliert, die Rede war… man sollte eben nur Dinge verdammen, die man nicht bloss vom Hörensagen kennt…

0 Kommentare
  1. Christine
    Christine sagte:

    Ich möchte mal an die Musikuntermalung in Restaurants anknüpfen. Gottseidank habe ich persönlich noch kein Restaurant besucht, in dem ich die (leise!) Hintergrundmusik als störend empfunden hätte, aber dafür flüchte ich regelmässig aus Kaufhäusern, die ihr Geschäft mit einer Disco verwechseln. Denkt blos mal an die Kaufhausmusik in der Adventzeit! Aber auch sogenannte In-Friseure schaffen es mich mit einem zu hohen Geräuschpegel zu vergraulen. Ich finde alles zu seiner Zeit und vor allem in der richtigen (passenden) Lautstärke – wenn ich ein Geschäft oder Restaurant betrete dann will ich !nicht !in erster Linie Musik hören, daher runter mit dem Lautstärkepegel.

  2. mara
    mara sagte:

    mir ist der artikel in die hände gefallen und ich fragte mich auch in welchen restaurants der gute mann denn so verkehrt – selbes erlebnis ist mir nämlich völlig fremd. und wenn es ihn persönlich stört, dann soll er doch gehen.

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