Facebook Demetricator: Social Media ohne Zahlen

Facebook unnummeriert: Denn Zahlen wollen immer mehr

Facebook ist so sehr zum Teil unseres Surf-Alltags geworden, dass den meisten von uns wohl gar nicht mehr auffällt, wie viele Zahlen und Statistiken ständig präsent sind. Die Likes, Shares, Zahl der Kommentare, Freunde etc. beeinflussen als Metalayer unsere Wahrnehmung, vermutet Benjamin Grosser von der School of Art & Design in Illinois. Für sein Paper What do Metrics want? How Quantification prescribes social interaction on Facebook hat den Facebook Demetricator programmiert.

Dieses Browser-Addon für Firefox, Chrome und Safari tut das, was sein Name vermutet lässt: es verbirgt sämtliche Zahlenspielereien, ändert aber ansonsten nichts an der Funktionalität Facebooks. Als gelernter Medien-Optimist erhofft Herr Grosser nämlich nicht gerade kleinlaut, einen Beitrag zu einer besseren, weil verteilteren Aufmerksamkeitswelt zu leisten:

No longer is the focus on how many friends you have or on how much they like your status, but on who they are and what they said. Friend counts disappear. „16 people like this“ becomes „people like this“. Through changes like these, Demetricator invites Facebook’s users to try the system without the numbers, to see how their experience is changed by their absence. Thus, with this open source browser addon I aim to disrupt the prescribed sociality these metrics produce, enabling a network society that isn’t dependent on quantification.

In diesem dreiminütigen Video erklärt der Autor selbst Funktion und Motivation des Facebook Demetricators:

Macht im Testeinsatz wirklich Spaß, denn das ganze funktioniert quasi wie eine umgekehrte kognitive Täuschung: erst wenn die Zahlen mal alle weg sind, merkt man plötzlich, wie viele vorher da waren.

Facebook Metriken

Facebook: Mehr Zahlen als in einem Sudoku. [Screenshot von Benjamin Grosser]

Zurück zu besagtem und wirklich lesenswertem Paper: Grosser bezieht sich darin einerseits auf Theorie-Literatur und wertet andererseits Feedback der Nutzer seiner Software aus. Dabei hat er eine klare Tendenz festgestellt:

Feedback from users of Facebook Demetricator illuminates how metrics activate the „desire for more,“ driving users to want more „likes,“ more comments, and more friends. Further, the metrics lead users to craft self-imposed rules around the numbers that guide them on how, when, and with whom to interact.

An der Idee, dass die permanente Visualisierung der quantitativen Ebene unser Verhalten beeinflusst und eine Art Dauerwettlauf im Verlangen nach „mehr“ in Gang bringt, könnte durchaus was dran sein. Verstärker- und Abschwächungseffekte sind der Kommunikationswissenschaft ja schon lange vor digitalen Medien bekannt, siehe etwa Elisabeth Noelle-Neumanns „Schweigespirale“. Da wäre dann also nicht bloß der gern als „dubios“ apostrophierte Social Graph Algorithmus, der ein gewichtiges Auswahl-Wörtchen „mitredet“, sondern auch die permanente Visualisierung, die eine ständig sich nach oben schraubende Norm perpetuiert. Oder, in Grossers Worten:

Through its metrics, Facebook imposes patterns of interaction on us, changing what we say to each other and guiding how we think about each other. Demetricator, through its removal of the metrics, both reveals and eases these prescribed patterns of sociality. It shows us what the metrics want. The metrics want more.

Sind die Facebook-Metriken also tatsächlich eine Art Self-fullfilling-Prophecy? Es gibt nur einen Weg, dies rauszufinden: schalten Sie doch einfach mal eine Woche lang den Demetricator ein und starten Sie den Selbstversuch in Sachen Dequantifizierung.

Facebook Demetricator - Bewertung
7.8 / 10 Wertung
Pros
Man verbringt weniger Zeit auf Facebook
Cons
Man verbringt weniger Zeit auf Facebook
Zusammenfassung
Ein ungewöhnliches Add-On, das möglicherweise neue Einsichten ins eigene Surfverhalten schafft.
Funktionsumfang1
Usability10
Geek-Faktor10
Preis-Leistung10
4 Kommentare
  1. Ronny
    Ronny sagte:

    Das habe ich noch nie so betrachtet, aber du hast recht! Wenn man sich mal genauer damit befasst, realisiert man, dass es aber auch vielen Social-Kanaälen genauso aussieht: Flickr und Instagram (Anzahl Likes, Follower, Beiträge) oder bei Google+ ist es ähnlich wie bei Facebook…

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