FilmKritik: Borat

FilmKritik: Borat

Nachstehendes Feature entstand für ray – das Kinomagazin. Ich war vorige Woche in der Pressevorführung, und muss sagen – bootylicious! Ein Film, der auf der vordergründigen Klamauk- ebenso gut funktioniert wie auf der hintergründigen Sarkasmusebene. Große Unterhaltungskunst eben. Bitte sehr: nächste Woche im ray, jetzt schon auf Datenschmutz.net:

Borats Lehr- und Wanderjahre

Regie: Larry Charles Drehbuch: Sacha Baron Cohen, Anthony Hines, Peter Baynham, Dan Mazer, Todd Phllips Kamera: Luke Geissbuhler, Anthony Hardwick Schnitt: Craig Alpert, Peter Teschner, James Thomas Musik: Erran Baron Produktion: Sacha Baron Cohen, Monica Levinson, Dan Mazer, Jay Roach
Darsteller: Sacha Baron Cohen (Borat), Pamela Anderson (herself), Ken Davitian (Azamat Bagatov)
Verleih: 20th Century Fox
Website: http://www.borat-derfilm.de/

Der kasachische Reporter Borat, neben Ali G die wohl bekannteste Kunstfigur des britischen Komikers Sacha Baron Cohen, geht auf seine bisher weiteste Reise. Von seinem kleinen Heimatdörfchen im verschlafenen Kasachstan, wo Mensch und Vieh sich friedlich die Schlafstatt teilen, bricht der Star des staatlichen Fernsehens zu einem Abenteuer auf, das sich zu einer veritablen dramatisch-komischen Odysee entwickelt.

Der Bildungsauftrag treibt den Moderator in die USA – er soll dort Eindrücke sammeln und eine Doku drehen, aus der Kasachstan für seine zukünftige Entwicklung lernen soll. Begleitet wird er von einem Kameramann und seinem anfangs getreuen, später jedoch umso abtrünnigeren Produzenten Azamat Bagatov.

Katastrophen sind von dem Moment an vorprogrammiert, als der blauäugige Pechvogel amerikanischen Boden betritt. Zuerst noch ausschließlich interessiert an der Erfüllung seines kulturellen Auftrages, verlagert sich der Schwerpunkt von Borats Suche blitzartig, als er Videos und Fotos von Pamela Anderson zu Gesicht bekommt. Quer durch die USA führt der Trip, der schließlich im Heiratsantrag an die Baywatch-Nixe gipfeln soll. Doch bis Borat die Autogrammstunde seiner Angebeteten stören kann, muss er sich durch eine Serie selbstverschuldeter peinlicher Situationen manövrieren und moderieren – was dem selbstsicheren Kasachen zumindest in seiner eigenen Wahrnehmung stets brillant gelingt.

„Cultural Learnings of America for Make Benefit Glorious Nation of Kazakhstan“ – schon der Untertitel des Films lässt vermuten, dass die Geschichte des hier präsentierten semifiktiven Landes nur eine Geschichte voller Missverständnisse sein kann. Dass ein erfolgreiche Fernsehfigur zum Proponenten eines Spielfilms mutiert, ist per se nichts neues – doch während andere Spaß-TV Formate ihren Funfaktor aus grotesker Übersteigerung oder gezieltem Durchbrechen von Lifestylekonventionen beziehen, klopft Ali G. dort an, wo es wirklich schmerzhaft wird: genau, gekonnt und analytisch-präzise sondiert der Brite kulturelle Konventionen und Verbindlichkeiten des Alltags, um sie dann genüsslich zu sezieren. Die Maske des naiven Borat steht ihm für diese Aufgabe perfekt zu Gesicht: Denn der vorgebliche Kasache präsentiert jede noch so hart jenseits der Grenze der Unerträglichkeit liegende Peinlichkeit mit einem nachhaltig um Verzeihung bittenden Gesichtsausdruck, der deutlich zu sagen scheint: „Ich bemühe mich ja, aber ich verstehe einfach nicht, warum ihr alle so konsterniert reagiert!“

In den besten Passagen des Filmes verweigert sich Borat dem genussvollen Verweilen an der Oberfläche der Harmlosigkeiten. Wenn Ali G. seine perfekt einstudierte Naivität im nahezu sokratischen Sinne einsetzt, dann fungiert die Position des „unmöglichen“ Außenseiters als überdeutliche Projektionsfläche für die Neurosen der Gesellschaft. Wenn Ali G. etwa vor einem Sportmatch die amerikanische Nationalhymne schamlos umtextet und anschließend eine kriegstreiberische Rede hält, in der er sich bei der versammelten Menge für das harte Durchgreifen der USA bedankt, dann wird der zuerst frenetische Applaus der Menge immer leiser, der Gedanke „welcher Idee applaudieren wir da eigentlich?“ dagegen fast hörbar.

Sacha Baron Cohen wuchs in einer jüdischen Familie in Wales auf. Nach einem längeren Aufenthalt in Israel studierte er Geschichte an der Universität Cambridge. Der Engländer kennt sein Fach nicht nur als Komiker, sondern auch von der theoretischen Seite: sein Studium schloss er ab mit einer Arbeit über die Kultur von Schwarzen und Juden – mit besonderer Berücksichtigung der Probleme ethnischer Minderheiten.

Mit seiner Kunstfigur schuf Ali G. eine kulturelle Metapher, die in Zeiten der Globalisierungsdiskussionen einen mindestens spannenden Blick auf die alte Frage nach Identität erlaubt. Zweifellos erlaubt gerade „Borat“ verschiedene Lesarten und wird auf noch geteiltere Kritik stoßen als die bisherigen Kurzauftritte des kauzigen Kasachen, dessen MTV-Moderation immerhin zu einer offiziellen Protestnote der Regierung jenes Landes führte, das Borat so gern in besonders schlechtes Licht rückt. Dass die Auswahl gerade auf Kasachstan fiel, verdankt die ehemalige russische Teilrepublik der Wahrscheinlichkeitsrechnung – wie Produzent Dan Mazer und Sasha Baron Cohen erklären, suchte man schlichtweg ein Land, dessen tatsächlichen Einwohner man möglichst selten begegnet und über das generell wenig bekannt ist. Das Kinopublikum nimmt ihnen diese Veralberung gar nicht übel: so bewerteten die User der Internet Movie Database die Produktion mit seltenen 8.4 von 10 Punkten.

Alles aus der Hand

Dass die Kinoformattierung einer TV-Minisendereihen-Figur so reibungslos funktioniert – in scharfem Kontrast übrigens zu Leinwandadaptierungen des Jackass-Formats – liegt an der überraschenden Qualität des Drehbuchs.
Produktionsästhetisch folgen die Macher der Mockumentary (so der mittlerweile eingespielte Name für Spielfilme, die sich klassischer dokumentarischer Stilmittel bedienen) einem Trend, den Michael Hirschborn in seinem Essay mit dem Titel „Thank you, you tube“ als DIY Video bezeichnete. „Do it yourself“ begründet eine neue Videoästhetik: die ungeheure Popularität, die der digitale Vertriebskanal Internet Homemade-Videos verleiht, wirkt wieder als ästhetische Gestaltungsstrategie aufs Kino ein. Während „Blair Witch Project“ eindrucksvoll die Eignung des Handkamera-Wackel-Formats für Mystery-Film demonstrierte, verwendet Jackass die simple Aufnahmetechnik ganz im Stile von Skatervideos zur Unterstreichung der Autentizität.

„Borat“ schöpft aus der Homevideo-Ästhetik eine erstaunlich dichte Atmosphäre, die zu einem hohen Grad dem nicht nur vorgeblich zum Einsatz kommenden Improvisationstalent des Hauptdarstellers geschuldet ist. Selbst wenn sich in den genau gescripteten Szenen Borat mit seinem Produzenten Azamat nackt quer durch’s Hotel prügelt oder versucht, Pamela Anderson in seinen kasachischen Hochzeitssack zu stecken, bleibt der Eindruck der Spontaneität stets erhalten. Bleibt zu hoffen, dass die USA nicht das einzige Land bleiben, das der unerschrockene falsche Kasache mit seiner Kamera bereist.

0 Kommentare
  1. El Amante
    El Amante sagte:

    der film entlockt auch den us-amerikanern die schmutzigsten und rassistischten gedanken.
    man achte auf die szene mit dem islamverachtenden texas-cowboy oder die 45er magnum szene um einen juden am besten töten zu können. es gibt zahlreiche von diesen szenen die die amerikaner als rassistische und fanatische menschen zeigt

Hinterlasse einen Kommentar

Schreibe einen Kommentar