FilmKritik: Habana Blues

FilmKritik: Habana Blues

Regie: Benito Zambrano Kamera: Vladimir Cuenca Drehbuch: Ernesto Chao, Benito Zambrano Schnitt: Fernando Pardo Musik: Dayan Abad, Equis Alfonso, Descemer Bueno u.a. Produktion: Antionio P. Pérez, Camilo Vives, Fabienne Vonier Darsteller: Alberto Yoel (Ruy), Roberto Sanmartín (Tito), Yailene Sierra (Caridad), Zenia Marabel (Luz María), Marta Calvó (Marta), Roger Pera (Lorenzo) u.a. Verleih: Warner Brothers
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erschienen im Ray Kinomagazin 2006

Das kontemporäre Kuba bietet diesmal die autentische Bühne für einen der spannensten Musikfilme der letzten Jahre: Leidenschaft, grandiose Musik und mikropolitische Sicht verbinden sich zu einem vielschichtigen, fantastischen MusikSpielFilmPortrait.

Frauenheld Ruy und sein Freund Tito leben vorwiegend für, aber nicht von der Musik Mit ihren Live-Auftritten begeistern sie das einheimische Publikum – für’s eigene Überleben reichen die spärlichen Einnahmen aus dem künstlerischen Schaffen in wirtschaftlich desolaten Kuba alllerdings kaum aus. Als spanische Produzenten ein Casting für ein großangelegtes Projekt, das in Welttournee und Sampler gipfeln soll, veranstalten, bietet sich den beiden nicht die lang ersehnte Chance, das Land auf sicherem Weg zu verlassen, sondern auch die Aussicht auf finanzielle Sicherheit. Die Haßliebe zum Land macht den Entschluss zum Umzug vorerst leicht, doch als Ruy erkennen muss, dass die Teilnahme eine Rückkehr in seine Heimat für alle Zeiten unmöglich macht, beginnt er zu zweifeln: denn die spanischen Produzenten erhoffen einen enormes Marketingpotential durch politische Instrumentalisierung der kubanischen Musiker.

Während die Musiker proben und Songs einstudieren, plant Ruys Fast-Ex-Ehefrau Caridad die gefährliche Flucht in die USA auf dem Wasserweg, bei der Jahr für Jahr hunderte Kubaner ums Leben kommen. Ihr Mann beginnt zugleich aber eine Affäre mit der spanischen Produzentin. Mit Tito kommt es schließlich zum Streit, als Ruy beschließt, allen verganenen Plänen zum Trotz auszusteigen und im Land zu bleiben. Schwierige, komplizierte Beziehungen und unklare, geradezu widersprüchliche Gefühle definieren den kleinen, persönlichen Mikrokosmos ebenso wie die politische Ebene – das macht „Habana Blues“ zu einem semidokumentarischen Spielfilm und zugleich zur zeitlos gültigen Parabel.

Bleibt Kuba trotz oder wegen politischer Restriktionen ein leidenschaftlicher Schmelztiegel expressiver Musiken, ein brodelndes Amalgam aus karibischen Rhythmen, lateinamerikanischen und spanischer Rhythmen und Harmonien? Derlei Fragen will Regisseur Benitor Zambrano stellen, nicht beantworten. Seine komplexe soziale und politische Sicht, evident im Konflikt der beiden Protagonisten, verwebt gekonnt die Story verschiedene Handlungsstränge und schafft es so, ein faszinierendes und autentische wirkendes Bild zu zeichnen. Ein cineastisches Erlebnis, das den Hemmingway’schen Mythos der paradiesischen Insel nachhaltig zertrümmert. Souverän und glaubwürdig agierende Darsteller und beeindruckende Bilder gehören zu den Stärken von „Habana Blues“. Höhepunkte des Films freilich bleiben die grandios inszenierten Konzertszenen: Kameraführung und Schnitt vermitteln ein erstaunliches Live-Gefühl, die verschiedenen Songs spiegeln eine unerwartet breite Palette kubanischer Musikrichtungen weiter. Wer dieses Meisterwerk gesehen hat, wird fürderhin den zugehörigen Sampler im Plattenregal nicht missen wollen.

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