FilmKritik: Kontroll

FilmKritik: Kontroll

Regie / Drehbuch: Nimród Antal Kamera: Gyula Pados Schnitt: Troy István Király Musik: Neo Szenenbild: Balász Hujber Kostüme: János Breckl Produktion: Károly Fehér Darsteller: Sándor Csány (Bulcsú), Zoltán Mucsi (Professor), Csaba Pindroch (Muki), Sándor Badár (Lecsó), Zsolt Nagy (Tibi), Bence Mátyássy (Bootsie), Balász Mihályfi (Gonzo) Ungarn 2003, 35mm, 100min. Verleih: Tiberius Film
Homepage: kontroll-derfilm.de

erschienen im Ray Kinomagazin 2005

Zwischen schwarzer Komödie und hochdramatischer Symbolik siedelt der ungarische Jungregisseur Nimród Antal seinen ersten abendfüllenden Spielfilm an. Die ungewöhnliche Melange aus hyperrealen und skurrilen Sequenzen berichtet vom harten Los der allseits unbeliebten Ticketkontrolleure im städtischen Untergrund und gehörte zu den Überraschungsgewinnern zahlreicher Filmfestivals.

Kulturelle Differenzen spiegeln sich häufig dort wieder, wo man’s nicht vermutet hätte: in der Budapester U-Bahn etwa. Wer über die vergleichsweise harmlos-bedauernswerten Wiener Kontrolleure nur milde lächelt, dem dürfte angesichts der optisch durchwegs furchteinflößenden und vor allem stets in Rudeln auftretenden ungarischen Wachorgane durchaus der Wille zur Renitenz durchwegs fehlen. Zumal noch dazu für jede Linie eigene Fahrscheine gelten, bezahlt der wohlmeinende Gast öfter mal die „Vollpreispauschale“ – Widerstand in der Regel zwecklos, Kontrollen überdurchschnittlich häufig.

Die Ungarn selbst jedoch gehen mit den Hütern der öffentlichen Verkehrsmittel zumindest in „Kontroll“ ganz und gar nicht respektvoll um. Anschreien und -spucken gehören noch zu den harmloseren Übungen. Doch nicht genug damit, dass sich Hauptperson Bulcsú mit seinen „Kunden“ herumschlagen muss – da sind auch noch rivalisierende Kontrolleursbanden, schlägernde Fußballfans, ein passagiermordender Kollege, ein unheimlicher Killer, der wahllos Passagiere vor einfahrende Züge stürzt und schließlich die bezaubernde Tochter eines U-Bahn Fahrers, die das Leben unter Tage noch zusätzlich verkomplizieren. Der Regisseur, Absolvent der Budapester Filmakademie, sammelte bisher vor allem mit Musikvideos und Werbeclips Erfahrung, und entsprechend kommen die teils rasanten Schnitte und die mosaikartige Anordnung der Story zeitgeistigen Rezeptionsgewohnheiten entgegen. Die größte Stärke des Films liegt freilich in der glaubwürdigen Darstellung einer skurill-paranoiden Parallelwelt. Wenn sich zwei Kontrolleure einen beinahe tödlichen Wettlauf mit der letzten U-Bahn liefern, gelingt Nimród Antal eine bemerkenswerte Parabel auf die Furcht vor existenzieller Sinnlosigkeit – und selbst die allgemeine Hassfigur des Kontrolleurs wird zum gehetzten Subjekt einer unverständlichen, vermutlich sogar feindlichen Umwelt: U-Bahn-Fahren aus der Perspektive des Feindes sozusagen.

In Kooperation mit den Budapester Verkehrsbetrieben drehte Antal den gesamten Film On-Location in den nächtlichen Betriebspausen. Der Kampf mit diversen Widernissen wie O-Ton-Aufnahmen neben quietschenden Rolltreppen und der komplizierten Produktionslogistik hat sich freilich bezahlt gemacht: das geschichtsträchtige Filmset der ältesten festland-europäischen Metro bietet mit seinen steilen Rolltreppen und schmalen Tunneln eine prächtige Kulisse für einen der ungewöhnlichsten Genre-Mixes der letzten Jahre, der perfekt abgestimmte Soundtrack des ungarischen Elektronik-Duos Neo trägt dabei eine beträchtlichen Teil zur stimmigen Atmosphäre bei.

Wenngleich Kontroll durch Originalität und gelungene visuelle Umsetzung zu begeistern weiß, so hätte dem Film etwas mehr Sorgfalt bei der Lokalisierung keineswegs geschadet: die unzähligen Übersetzungsfehler in den Untertiteln machen für Ungarisch-Unkundige das Mitlesen mühsamer als notwändig.

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