FilmKritk: Be cool

FilmKritk: Be cool

Regie: F. Gary Gray Drehbuch: Peter Steinfeld, nach der Romanvorlage von Elmore Leonard Kamera: Jeffrey L. Kimball Schnitt: Sheldon Kahn Musik: John Powell, Baby Bash Szenenbild: Denise Pizzini Künstlerische Leitung: Lauren E. Polizzi, Dan Webster Produktion: Danny DeVito, David Nicksy, Michael Shamberg, Stacey Sher Darsteller: John Travolta (Chili Palmer), Uma Thurman (Edie Athens), Vinca Vaughn (Raji), Cedric the Entertainer (Sin LaSalle), André 3000 (Dabu the Great), Christina Milian (Linda Moon), Robert Pastorelli (Joe Loop), Harvey Keitel (Nick Carr), The Rock (Elliot Wilhelm), James Woods (Tommy Athens), Danny DeVito (Martin Weir) Verleih: Twentieth Century Fox
Homepage: becoolmovie.com

erschienen im Ray Kinomagazin 2005

Waren es in „Schnappt Shorty“ noch prototypische Charaktere der Filmindustrie, die dem mafiosen Charme John Travolta’s erlagen, so wählt sich der Grandseigneur des heillos übersteigerten Coolness-Faktors im Sequel die Glitzerwelt des Pop als Betätigungsfeld aus.

Ihr Image als „cooles Business“ hat die Musikindustrie in den letzten zehn Jahren arg eingebüßt: aller Orten DJ Ötzis, massenkompatibler Weichspüler Pop an allen Ecken und Enden und Klagen gegen minderjährige Internetuser gehören eben nicht direkt zum Mythos Rock’n’Roll. Zum Glück steht BE COOL aber nicht für eine Warnung vor der ökonomischen Krise der Plattenindustrie, und John Travolta muss ganz und gar keine Handy-Klingeltöne verkaufen. Entwarnung also: statt Distributionstabellen und Casting Shows gibt’s wie vermutet Kugelhagel, Star-Glamour und Klischees satt.

Auch eine Handlung

Kaum keimt Langeweile in dem nunmehr arrivierten Filmproduzenten Chili Palmer auf, da wird auch schon sein bester Freund, Besitzer eines Independent Labels, erschossen. Gar nicht abgeschreckt von solch rauhem Wind in der Popkultur, befreit Chili eine talentierte junge Sängerin aus den Händen ihrer ausbeuterischen Produzenten und überredet die Witwe des Verstorbenen, das Soul-Talent zu promoten. Dass die Vertragsauflösung nur bedingt freiwillig geschah, das Label auf einem ordentlichen Schuldenberg sitzt und außerdem einige Russen noch ihre Rechnung mit Palmer offen haben, sorgt für reichlich Konfliktpotential. Chili Palmer nutzt selbiges aus, verschafft seiner Neuentdeckung einen Gig mit Aerosmith, tröstet die Witwe des Hinterbliebenen und spielt die Bande russischer Schuldeneintreiber so geschickt gegen das ausbeuterische Konkurrenzlabel, schwarze Gangster, die Polizei und alle anderen Beteiligten aus, dass er trotz der obligatorisch aussichtsslosen Anfangssitutation schließlich am Ende als nicht nur strahlender, sondern notorisch cooler Sieger dasteht.

Genre- und erwartungsbedingt mag die Absurdität der Handlung verzeihbar sein, die fehlende Stringenz des Drehbuchs, die nicht zuletzt der fallweise willkürlich wirkenden Szenenabfolge geschuldet ist, disqualifiziert BE COOL allerdings für höhere narrative Weihen. In erfolgreichen Komödien dient die Handlung oft bloß als Fugenkleber, der das Gag-Feuerwerk zusammenhält – Klamauk-Streifen wie der Nackten Kanone verzeiht man das, Be Cool allerdings präsentiert ein eher recyceltes denn rasantes Sammelsurium an komischen Szenen.

Eine Dekade später

Gleich zu Beginn klärt Travolta John Woods über die Langweile der täglichen Routine auf: gerade habe man ihn gezwungen, ein lahmes Sequel seines erfolgreichen Films zu drehen, und nun habe er genug von der ständigen Wiederholung. Mögen solche Rückbezüglichkeiten vor zehn Jahren noch eine gewisse Prise anarchischen Charme versprüht haben, wird in diesem Fall bloß der weitere Verlauf des Films leider recht zutreffend prognostiziert.

Volle 10 Jahr hatten die Autoren Zeit für die Fortsetzung. Ob nun allerdings Romancier Elmore Leonard und Drehbuchautor Peter Steinfeld mit des Publikums Vergesslichkeit rechneten oder sich gar selbst nicht mehr erinnern konnten, trotz eines fast schon erschreckenden kombinierten Staraufgebots aus Musik- und Filmwelt bleibt
BE COOL im Vergleich ein abgeschmackter Aufguss des ersten Teils – so sehr SCHNAPPT SHORTY das komischen Potential des smarten Gangsters in der korrupten Businesswelt ausreizte, so wenig geht der Nachfolger über die ausgetrenen Pfade des Vorgängers hinaus. Wer immer noch wahnsinnig komisch findet, wenn Steve Tyler Chili Palmer erklärt, dass er Musiker ist und niemals in einem Film mitspielen würde, darf sich auf einige Lacher gefasst machen – der Bart solcher Gags ist indes länger als die erwähnten zehn Jahre.

Zu viele Promis verderben den Brei

Zum Thema Star-Overkill: nicht nur fast drängt sich der böse Verdacht auf, dass hier möglichst viele Rollen in einen Film gequetscht wurden zugunsten des Kassenmagnetismus – auf Kosten einer gravierenden Vernachlässigung von Kriterien wie Handlungsstringenz, Charakterisierung und Glaubwürdigkeit der Darsteller. Obwohl letztere sicher keineswegs zu den Hauptanliegen des Regisseurs gehört haben dürfte, denn die komischen Highlights des Films liefern überraschenderweise The Rock als homosexueller Leibwächter mit Hollywood-Ambitionen und Outcast’s André 3000 als schießwütiger, grenzdebiler und permanent sozialunkompatible Geräusche erzeugender black Gangster.

Leider muss an dieser Stelle auch in aller Offenheit gesagt werden, dass eigentlich im Dunkeln bleibt, warum Harvey Keitel in Be Cool mitspielt: handlungsunrelevant oder gar beinahe störend charakterisiert seine Rolle. Da geht’s dem Charaktermimen allerdings wie einem beträchtlichen Teil seiner Kollegen – zwar bietet das Pop-Umfeld das ganz natürliche Revier für ein Defilée an Stars: Sergio Mendes, Gene Simmmons, RZA vom Wu Tang Clan, Aerosmith scheinen allerdings vor allem deshalb mitzuspielen, weil sie beim Drehtermin eben gerade Zeit hatten. Es ist allerdings nicht nur die Besetzung nach dem All-available-Stars-Prinzip, die BE COOL bei seiner Überlänge von 118 Minuten zu einem recht lahmen Erlebnis verkommen lassen.

Klischeecocktail

Umberto Eco hat in der Nachschrift zum „Name der Rose“ erklärt, dass er keine Geschichten im eigentlichen Sinn erfindet, sondern bloß Charaktere und Settings, als gewisse Parameter, möglichst genau festlegt – aus diesen entwickelt sich die Handlung dann notwendig und quasi unaufhaltsam. Nun gleicht Be Cool ganz gewiss nicht dem Name der Rose, allerdings hat auch hier der Drehbuchautor im vorhinein die Eigenschaften, nein, nicht der handelnden Personen, sondern gleich der handelnden Gruppen festgelegt. Da tauchen die gefährlichen, rücksichtslosen, russischen Schuldeneintreiber genauso auf wie die schwerbewaffnete Hip Hop Crew aus dem Ghetto, der durchgeknallte Musikproduzent und einige andere mehr. Das Gerangel um die begehrte Sängerin und die Rückforderung verliehenen Geldes sind für ein paar allzu konstruierte Verwirrungen gut, John Travoltas Intrigenspiels als gewiffter Edelbluffer wirkt zwar cool, aber nicht einmal im bescheidenen Rahmen dieses Settings glaubwürdig. Zu vieles wirkt arg strapaziert, denn es gab schlichtweg zu viele andere Filme, in denen Travolta cooler, Thurman beeindruckender und die Tanzszenen wesentlich gelungener waren.

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