Meine Shoppentour durch das Kaufhaus Österreich

Ich war im Kaufhaus Österreich (und wäre fast von einem Regal erschlagen worden)

Ehrlich, ich verstehe die Aufregung um das WKÖ/Wirtschaftsministeriums-Projekt Kaufhaus Österreich. NOT. Soviel Häme hat ein simples Web-Directory einfach nicht verdient, dafür ist schließlich Shöpping da. Zugegeben, das Erwartungsmanagement war suboptimal und die Positionierung als „Österreichs Amazon“ ebenso unglücklich wie aus der Luft gegriffen. Im Fall von OE24, wo die Redaktion besonders laut trommelt, vielleicht auch durch Eigennutz motiviert.

Wie Peter in Das Kaufhaus Österreich ist der Elchtest der WKO völlig richtig schreibt:

Es muss jemand aufgefallen sein, dass das keine Shop Lösung a la Amazon ist.

Ich habe die Kritik ja zuerst über diverse Screenshots mit „Kein Suchergebnis“ auf Twitter mitbekommen. (Okay, das war gelogen: Ich habe die Twitter-Screenshots auf irgendeinem Portal gesehen. LinkedIn lässt dir echt keine Zeit für Flirts mit anderen SMs.) Und mir als allererstes gedacht: Pfuh, was ’ne Herkules-Aufgabe!

Leere Regale im Kaufhaus Österreich?

Leere Regale im Kaufhaus Österreich?

Ein Aggregationsmarktplatz zählt für jedes noch so fitte Konzeptionisten- und IT-Team zu den komplexeren Herausforderung der Webwelt. Daher habe ich mir innerlich sofort eine ganze Reihe von Fragen gestellt wie:

  • Stellen die gelisteten Shops die Produktdaten in einem standardisierten Format zur Verfügung oder kommt gar ein Crawler zum Einsatz?
  • Was tun bei Mehrfachlistungen? Da die WKÖ involviert ist, kommt das Geizhalts-Billigstbieter-Prinzip wohl nicht in Frage.
  • Wird es Review-Funktionen und/oder ein Affiliate-Programm geben?

Beim ersten Besuch stellte sich heraus: All diese Fragen sind völlig irrelevant, denn das Kaufhaus Österreich ist – in krassem Gegensatz zu dem, was sein Name vermuten lässt – wegen des Lockdowns geschlossen.

Nein, kleines Corona-Scherzerl. Natürlich nicht, denn ins Internet passen 10 hoch druffzig Baby-Elefanten! ABER es ist überhaupt kein Kaufhaus, sondern „nur“ ein Webkatalog, der österreichische Online-Shops listet. Dass die Suche nach „Hose“ also keine Trefferliste voller Hosen, sondern höchstens einen Shop mit „Hose“ im Namen oder im Idealfall einen mit „Hose“ beschlagworteten Shop anzeigt, sollte nicht für Überraschung sorgen.

Kanonen wieder sichern. Es ist doch ein Vogel und kein Flugzeug.

Irgendwie sind Webkataloge zwar voll 1998 (ich hab damals selbst mehrere betrieben). Seit spätestens 2005 versucht jeder Suchmaschinen-Optimierer verzweifelt, die seinerzeit motiviert angelegten Katalog-Backlinks wieder loszuwerden.

Aufs Ö-Kaufhaus fällt ein anderes Licht. Die WKÖ ist einer der stärksten Domains Österreichs, das Kaufhaus ist eine umfangreiche Seite und zwar noch neu, aber ich behaupte: Der Backlink von dort wird bald einiges wert sein. Wäre ich ein Online-Shop-Betreiber, dessen Angebot sich vorwiegend an Endverbraucher/Konsumenten richtet (Quelle: WKÖ) würd ich mich raschest für die Teilnahme registrieren.

Überaus elegant gelöst ist die Datenanbindung an das von der WKÖ schon lange forcierte und uneingeschränkt empfehlenswerte Firmen-ABC. Das dortige Profil muss erstmal komplettiert werden, dann können Daten nach der Einverständniserklärung übergeben werden. Die weiteren Datenfelder sind optional. Katalog-Style eben!

Für (Klein)Unternehmer listet das Portal eine Plethora von Kurz-Tutorials für Shop-Betreiber (z. B. SEO in 3.869 Zeichen inkl. Leerzeichen), die mir bei schnellem Überfliegen durchwegs ebenso up-to-date wie nützlich erscheinen. Einen großen Mehrwert sehe ich in der derzeitigen Form für den Endkonsumenten vor allem deshalb nicht, weil das Suchszenario „Ich schau mal, welche Online-Shops es in meiner Umgebung gibt“ in der Form schlicht nicht existiert. Das Projektteam hat es trotzdem für eine gute Idee gehalten, ein Karten-Interface einzubauen. Vielleicht nach dem Motto: Schau, die sitzen ja *wirklich* in Österreich!

Es ist und bleibt ein Web-Katalog.

Ich wollt doch bloß eine Winterjacke und jetzt sitz ich in meiner Infrarot-Kabine mit flauschig weichem Teppich und trinke einen Espresso.

Also nochmal: Man sucht nach Shop-Namen und/oder -Kategorien, nicht nach Produkten. Warum aber bei der Suche nach sehr konkreten Produktnamen abwechselnd nada (wie in: nix) und völlige Random-Ergebnisse rauskommen, wissen nur die Programmierer der Suche. Wenn bei „Bekleidung“ zuerst drei Shops, die KEINE Bekleidung verkaufen und dann 9x C&A (die haben wirklich 9 Bundesländer-Onlineshops?) auftaucht, dann wär das der richtige Zeitpunkt gewesen, um VOR dem Launch einen ehrlichen Katalog draus zu machen. Anstatt eine missverständliche und selbst in ihrer Trivialität völlig dysfunktionale Suchfunktion in den Fokus des nichtsahnenden Schaufensterbummlers zu rücken.

Also wie gesagt: Alles eine Frage des Erwartungsmanagements und der Usability. Ich kritisier meine Popcorn-Maschine ja auch nicht dafür, dass sie nicht mit dem WLAN-verbunden ist, solange das Popcorn schön knackig poppt. Auf längere Sicht betrachtet könnte aus dem Kaufhaus Österreich wahrhaftig eine zarte Knospe der Sichtbarkeit für at-Online-Shops erwachsen. Aber bis dahin wäre es noch ein langer Weg, der viel Werbe- und Weiterentwicklungs-Budget bräuchte. Sonst bleibt das Ding eben das, was es ist: Ein Backlink-Katalog bar jeden B2C-Appeals.

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

Schreibe einen Kommentar