Speckweg

Hilfe, die Online-Werbung hat mir ins Ohr gespuckt!

Wie intrusiv darf Online-Werbung sein, oder anders gefragt: sollte erfolgreiche Online-Werbung sämtliche technischen Möglichkeit nutzen, die kostbare Aufmerksamkeit des User um jeden Preis zu erhaschen? Die Frage klingt verdächtig nach einer suggestiven Nona-Einleitung – allerdings scheinen einige vermarktende Kollegen im Eifer des Impression-Gefechts zu ganz anderen Ergebnissen zu kommen als der gesunde Hausverstand. Zumindest legt dies ein aktuelles Beispiel des Facebook Game-Providers Rock You! nahe. Doch man muss man gar nicht erst online gehen, um auf Spammer zu stoßen.

RockYou! (ehemals „Rock you live“) und Zynga sind die zwei größten Anbieter von Facebook-Spielen. Zu den erfolgreichsten RockYou!-Apps gehört „Zoo“, ein Sammel- und Wirtschaftsspiel, dessen RPG-artigem Simpel-Charme nicht nur Karnivoren verfallen. (Mhmmm, die Tierchen sehen ja alle sooo lecker aus!) RockYou! bietet schon eine ganze Weile lang die direkte Verrechnung von Aufmerksamkeit in Geld an: wer freiwillige Werbevideos guckt, bekommt Facebook-Credits, mit denen man wiederum besonders rare Tierarten kaufen kann. Facebook-App-Anbietern sind bekanntlich auf den „Content Canvas“ beschränkt, sprich die rechte Seitenspalte mit den altbekannten Facebook-Ads bleibt immer sichtbar.

Als Werbeflächte können die Betreiber nur das Spiel selbst nutzen. Zoo ist, wie die meisten Games, komplett in Flash programmiert – und das verlockt anscheinend zu wilden Experimenten: seit kurzem blendet die Applikation beim ersten Laden unterhalb des eigentlichen „Spielfelds“ ein Flash-Video ohne Bedienelemente ein, das automatisch startet. Selbst auf größeren Bildschirmen liegt der Clip „below the fold“, also unterhalb des sichtbaren Bildschirmbereichs, dafür dudelt bei aufgedrehten Boxen der Ton umso penetranter los. Als heute (ja, ich spiel Zoo. Natürlich *nur* aus Recherchegründen) eine nicht enden wollende Werbung für Vanish Oxy Irgendwas erklangt, beschuldigte ich im Geiste zuerst sämtlich anderen Browser und -Tabs, dachte einen kurzen Moment lag gar an einen Virus-artige Adware, bis ich das gar nicht mal so leicht auszumachende Video beim Runterscrollen entdeckt.

Solche Werbung wirkt ungemein „gut“: Vanish-Irgendwas-Produkte kauf ich garantiert nie mehr, aber ich nehm nicht an, dass die Kampagne von der Konkurrenz bezahlt wird. Erstaunt hat mich aber allemal, dass die Lokalisierung wohl recht gut funktioniert und sich offensichtlich sogar für den deutschsprachigen Raum Werbekunden finden, die meinen, mit akustischer Invasion des Arbeitsplatzes ihre Verkaufszahlen steigern zu können. Und weil Spiele immer ein guter Online-Marketing Trendindikator sind, steht uns da Flash-mäßig im Social Web wohl noch einiges ins Haus!

Unterjubeln vs. Interesse wecken?

WWW steht eigentlich für World Wide Web und nicht für wildgewordene Werbewirtschaft. Trotzdem gehören erektile Spams aus den Abteilungen Penisvergrößerung und -verlängerung zum täglichen Internet-Brot wie langweilige Kurzhaarfrisuren zur ORF-Moderatorinnen. (Nein, das ist nicht beleidigend. Ich hätte ja erstens „furchbare Frisuren“ schreiben können und zweitens handelt sich’s sowieso nur um persönliche Meinung.)

Die Geschichte der randständigen Online-Werbung ist weniger eine Geschichte der Missverständnisse als vielmehr eine des Wettlaufs zwischen Technologie und Intrusion: kaum kam jede dahergelaufene Safety-Suite mit einem Pop-Up Blocker an Board, poppten uns die Werbebotschaften via DHTML-Layer entgegen – die oder der eine oder andere hat die immer wieder mal hier auf datenschmutz aufpoppende freundliche Erinnerung zum wohlwollenden Bezug des Newsletters gewiss bemerkt.

Und was soll ich sagen? Es funktioniert einfach verdammt gut. Die Hälfte meiner Newsletter-Anmeldungen bekomm ich über die Seitenleiste, die andere Hälfte über das Pop-Up. Man muss als Werbetreibender also abwiegen, wie interessant die eigene Botschaft für den Leser sein könnte – wie gut ein Werbemittel „wirkt“ (also im Online-Bereich Klicks respektive Conversions generiert), ist der beste und direkteste Indikator für das Interesse des Users. Webmaster, die ihre Besucher mit aufdringlicher Dauerwerbung nerven, schaden mittelfristig ohnehin ihrer eigenen Seite. (Es sei denn, die Inhalte sind derart „unique“ und attraktiv, dass sabberende Surfer so ziemlich jede Browser-Vergewaltigung über sich ergehen lassen müssen wollen. Aber da nähern wir uns bereits Triple-X und Torrent-Gefilden, und das wär ein Posting für sich.)

Der Offline-Spammer

Als „Spam“ bezeichnen wir unverlangt zugestellte Mails – eine Praxis, die im analogen Pendant zur E-Mail-Box schon lange gang und gäbe ist. Doch während sich die unerwünscht Papierflut im Postkasten mittels „nur persönlich adressierte Sendungen“ abstellen lässt, bleibt speziell den Nutzern recht alter E-Mail-Adressen nur ein möglichst guter Spamfilter.

In der analogen Welt sollten, zumindest in der Theorie, ein Sticker, der nicht persönlich adressierte Sendungen entschieden zurück weist, ausreichen. Die meisten Zettelverteiler halten sich auch dran – nicht so ein Gewichts-Verlust-Experte, den ich via außen am Briefkasten angehefteten Zettel kennen lernen durfte:

Speckweg

Ja, das erweckt Vertrauen – vor allem das wunderbare Passfoto aus den späten 50ern! Ich werd gleich mal anrufen, aber vorher muss ich mir noch das günstige Viagra aus Armenien bestellen, einem reichen nigerianischen Erben dabei helfen, seine Goldbarren nach Nicaragua zu schaffen und für die nette Russin, die mir immer E-Mails schickt, ein Flugticket buchen!

0 Kommentare
  1. Christopher
    Christopher sagte:

    Ich persönlich mag agressive Werbung überhaupt nicht. Besonders abschreckend finde ich im Internet Werbebotschaften, die mit Sound hinterlegt sind.

    Ich habe aber nichts gegen Werbung. Im Gegenteil. Wenn themenrelevant und dezent, gut sichtbar aber nicht störend, geworben wird, dann finde ich Werbung auch mal nützlich, da ich dann weitere Informationen finden kann.

  2. Keramikmesser
    Keramikmesser sagte:

    Aber war doch eigentlich schon immer in der Geschichte der Menschheit so. Jeder will jedem was verkaufen und damit Geld machen…nur kann es halt nicht jeder und die, die es nicht können suchen sich dann „andere“ (SPAM) Methoden

  3. Tobias
    Tobias sagte:

    wir leben doch von werbung! werbung als vorstufe der bedürfnisbefriedigung ist ein essenzieller part unserer geschichte und zukunft! klar, manchmal geht es einem tierisch auf die nerven, aber gelegentlich ist doch immer was dabei, was man zwar nicht wirklich braucht, was man aber unbedingt haben muss :D

  4. Dennis Farin
    Dennis Farin sagte:

    Ich mag Online Werbung, allerdings auch nur wenn diese nicht zu primitiv um meine Aufmerksamkeit buhlt.
    Dezent im Hintergrund fällt mir meisten mehr auf und bleibt auch länger hängen als direkt mit dem Vorschlaghammer ins Gesicht gemeißelt zu bekommen. :frog6:

  5. Mathias
    Mathias sagte:

    Hallo,

    erstmal vielen Dank für den interessanten Beitrag und die Kommentare. Ich bin der Meinung, dass Werbung auch Online zur freien Marktwirtschaft gehört. Ob Werbung gefällt oder nicht, ist fast egal, sie muss funktionieren. Das passiert eigentlich nur, wenn man erstens Aufmerksamkeit erregt und zweitens die Angebote passen. Im Netz ist es viel leichter die Zielgruppe zu erreichen, denmn die meister Nutzer (google-Sucher) haben eine konkrete Kaufabsicht. So werden Streuverluste reduziert und Kosten gesparrt. Meist ist der Kunde auch nur einen Klick entfernt. Schneller kann man theoretisch keine Kunden gewinnen.
    Wenn hingegen Werbung nervt oder als störend empfunden wird, ist dieses Werbegeld pure Geldverschwendung da diese Maßnahmen kontarproduktiv sind. Somit kann jedem der Onlinewerbung macht nur dringenst empfohlen werden, nur damit zu werben, was gesucht wird. Dies läßt sich mit etwas Arbeit gut realisieren (Zielgruppenanalyse, Konkurrenzanalyse, Welche Plattformen für welche Produkte).

    Viele Grüsse und viel Erfolg

    Mathias

  6. degia
    degia sagte:

    Sollten sich mal allen Werbeclowns zusammensetzen und sich was wirkoucbkreatives überlegen, um in der www comunity wirklich etwas zu bewegen. tatsache ist doch, dass solche Werbung nur zu Ärger führt und Dinge, über die ich mich ärgere, die kauf ich nicht. Basta. Positives Beispiel ist derzeit bestimmt „Hunter shoots bear“ auf Youtube – solche Werbung verbreitet ich zudem auch ganz von alleine.

    mfg

    Degia

    • Ritchie Blogfried Pettauer
      Ritchie Blogfried Pettauer sagte:

      Das Problem ist in der Praxis ja, dass beide Methoden (bis zu einem gewissen Grad) funktionieren; sonst würd sich ja längst niemand mehr die Arbeit machen, Massenspam zu verschicken, das kostet ja auch ordentlich Geld. Aber meine Hoffnung ist, dass die Strukturen des Social Web es immer schwieriger für solche Spammer machen, und damit mein ich keineswegs nur E-Mail.

  7. Vinzent
    Vinzent sagte:

    Jaja so ist das mit der Werbung. Für Macher ist schlechte Werbung einfach unterträglich. Konsumenten hingegen gehen einfach dran vorbei bzw. klicken weg.
    Bei den Beispielen ist es auch gar nicht so schwer es „besser zu machen“.

  8. Felix
    Felix sagte:

    Beim letzten Absatz hab ich mir fast in die Hose gemacht! Herrlich :-D

    In letzter Zeit kommen mir immer wieder Rich-Media-Anzeigen unter, die Videos abspielen, die sich weder stoppen noch die Lautstärke reduzieren lassen. Einzige Option ist die Seite zu schließen (oder eben das Ding laufen zu lassen…).

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