007 Skyfall

James Bond, Daniel Craig, Skyfall, Durchfall

Stellen Sie sich bitte mal vor, Sie wären die Chefin des britischen Geheimdienstes MI6. Sind Sie soweit? Dann imaginieren Sie weiters, dass ihr einstiger Hongkonger Filialleiter sich auf einer verlassenen Insel mit folgendem Geschäftsmodell selbständig gemacht hat: die Chefin des britischen Geheimdiensts – in unserem kleinen Gedankenexperiment also Sie – töten und demütigen, notfalls auch improvisiert und in umgekehrter Reihenfolge. Da sprengt Ihnen dieser eher holländisch wirkende Spanier en passant Ihr Hauptquartier in die Luft, öffnet im Ausweichquartier via polymorphem Virus, der eigentlich eine U-Bahn-Karte Londons ist, anschließend alle Luken, (Fall-)türen und sonstigen Notfluchtlöcher inklusive der Pforte seines eigenen Panzerglaskäfigs und entkommt erkannt als Polizist verkleidet.

Was würden Sie in dieser Situation tun? Mit Sicherheit das gleiche, was Judy „M“ Dench auch tut: sich von James Bond auf dessen verfallenen Familiensitz kutschieren lassen, um dort mit einer alten Jagdflinte gegen einen zum Kampf- umgebauten Transporthubschrauber anzutreten, nicht wahr? Da fällt die strategische enorm fragwürdige Entscheidung, erst einmal ein halbes Dutzend Gefolgsleute mit Maschinengewehren in die Hütte zu schicken, um selbige kurz darauf mit schwerer Artillerie aus der Luft anzugreifen, schon kaum mehr ins Gewicht.

Der MI6 als unfähiger Haufen, dessen Chefin sich eine Liste aller verdeckt operierenden Agenten klauen lässt, ein Computergenie, das via Mausklick Inseln entvölkert („Die sind alle sofort geflüchtet, als ich das Facebook-Profil des Bürgermeister hackte und reinschrieb, dass hier ein neuer JB gedreht wird, har, har!“), eine Pistole, die sich nur vom Besitzer abfeuern lässt: zum Lachen ist das alles nicht, ja es steht gar zu befürchten, dass die Macher hier keine Parodie im Sinne hatten. Denn während 007 „nur noch von Tabletten und Alkohol zusammengehalten wird“, im Lift Copperfield-artig durch feste Wände steigt und ein paarmal voll daneben schießt, drängt sich ein Gedanke auf, der im weiteren Verlauf des Films zur schrecklichen Gewissheit wird: die Babsi Broccoli und der Sam Mendes, die meinen das voll ernst, ja was heißt, geradezu zeitgemäß wollen die sein!

Dabei haben andere lang gediente Heroen aus der schweißtreibenden Liga längst demonstriert, wie man „Computer“, diese magischen Insel-Entvölkerungs- und U-Bahn-Umlenk-Werkzeuge weit unpeinlicher eine Rolle spielen lässt – und damit genug dieses für Bruce Willis nun wirklich wenig schmeichelhaften Vergleichs. Was Sam Mendes da abgeliefert hat, ödet micht fast so sehr an wie Road to Perdition, wirkt jedoch deutlich zerfahrener respektive herumfahrender: nach den grandiosen ersten 10 Minuten, die offenbar *alles* an Regie-, Schnitt- und Drehbuchtalent verschlangen, was das Team zu bieten hatte, nimmt Daniel Craig den unbedarften Zuseher mit auf eine Tour-de-Force der faden Grotesken: keine Superschurken-Hauptquartiere in umgebauten Vulkanen, dafür ein kaputter James: kein Wunder, dass Frau Dench dieses Denkmalschändung nicht länger mitmachen möchte und am Ende lieber stirbt. Klar kann man versuchen, James Bond zu modernisieren. Oder ein massives Echtholz-Gehäuse fürs Touch-Tablet zimmern. Man sollte sich nur in beiden Fällen darüber klar sein, dass der generierte Mehrwert bestenfalls in verstärkter Inszenierung von Anachronismus gipfeln wird.

Abschließend bleibt mir nur mehr zu konstatieren, dass Skyfall zumindest die alte Streitfrage löst, ob Sylvester Stallone doppelt oder dreimal soviele verschiedene Gesichtsausdrücke samt zugehörigen Emotionen sein eigen nennt wie Daniel Craig. Der kann tatsächlich nur einen, eine Mischung aus Müdigkeit, Sodbrennen mit einem kräftigen Schuss Teilnahmslosigkeit: niemand könnte inspirationsloser durch diese Groteskte von Actionmovie schlendern, als jener Mann, der George „Kleiderständer“ Lazenby letztendlich doch vom Nimbus des schlechtesten 007-Darstellers aller Zeiten befreit hat. Aber selbst wenn das letzte Popcorn „Special Skyfall Edition“ längst den Weg alles Kotigen gegangen sein wird, sinniert der ob der Unfähigkeit des MI6 geschockte Kinobesucher über ungeklärte Mysterien weiter:

  • Schauen Journalisten, die „den großartigen neuen James Bond“ loben, allderweilen in den Film rein oder selbigen sich gar an?
  • Wie schreibt man einen Code, der sich bei Aufruf selbst aus dem Speicher löscht? Vielleicht liest ja „einer der sechs Menschen auf der ganzen Welt, die das können“, zufällig hier mit.
  • Warum musste der arme Sam Mendes dauernd durch Panzer-, Plexi- und Echtglasscheiben hindurchfilmen?

Bild: Screencapture aus dem Youtube-Trailer, Arbeitstitel: „James im Serverraum“.

18 Kommentare
  1. Ritchie Blogfried Pettauer
    Ritchie Blogfried Pettauer sagte:

    Hehe… stimmt! Dann fragt man sich allerdings, wozu sich Superschurken die Mühe machen, dauernd Dinge in Dokumenten abzulegen, die sie nicht mal selber öffnen könnnen – obwohl: wenn die Frau M. das auch so gehandhabt hätte, dann wär ihr diese Liste nie entwedet worden…

  2. Sabine
    Sabine sagte:

    Danke für die köstliche „Mischung aus Müdigkeit, Sodbrennen mit einem kräf­ti­gen Schuss Teilnahmslosigkeit“ :-) … das kommt vielleicht von den Eiweiß-Shakes im Fitness Center….
    Um doch noch irgendwas Gutes am neuen Bond zu lassen: Ich mag den neuen M, den neuen Q und die neue Miss Moneypenny. Vor allem M und Q erinnern stark an die sehr gelungene BBC Neuauflage von Sherlock Holmes und lassen hoffen.

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