Kreativ, aber unterbezahlt? Patreon macht die Crowd zum deinem Mäzen

Kreativ, aber unterbezahlt? Patreon macht die Crowd zum deinem Mäzen

Weltweit stöhnen Verlage unter der Last der frei verfügbaren Inhalte auf, werden Tageszeitungen eingestellt, verlieren Journalisten ihre Jobs oder wechseln rechtzeitig in die PR-Branche. Wie in der Musikbranche bereits vor etlichen Jahren geschehen höhlen digitale Technologien in überholtes Businessmodell aus. Doch während die Musikbranche längst mit neuen Businessmodellen und Mikro-Vertriebskanälen reagiert hat, warteten Micro-Publisher bisher vergeblich auf ihr iTunes. Patreon.com ermöglicht Fans, mit wiederkehrenden freiwilligen Spenden ihre Lieblings-Künstler und -Schreiberlinge zu unterstützen.

Im Mai 2013 ist Patreon mit 2 Millionen Dollar Investorenkapital angetreten, um eine Alternative für Micro-Publisher zu präsentieren, die viele gute Ansätze auf smarte Weise kombiniert. Die Plattform versteht sich als eine Art Kickstarter für alle, die regelmäßig im Netz Inhalte veröffentlichen. Videos, Musik, Texte, Comics, DIY-Anleitungen – Patreon wirbt um die Gunst von Bloggern, Cartoonisten, Photographen und allen anderen Micro-Publishern, die mit Enthusiasmus und Talent das Internet zu jenem bunten Jahrmarkt der Meinungen, Interessen und Prokrastinations-Paradiese macht, den wir alle so sehr schätzen. Ähnlich wie auf Kickstarter richten Publisher ein Profil für ihr Projekt ein und bitten ihren Fans und Followern entweder pro neuer Veröffentlichung oder pro Monat um eine freiwillige Spende.

Die Idee hat immenses Potential. Die Möglichkeit, den eigenen Lieblings-Blogger, Cartoonisten, Podcaster, Photographen und Co. zu unterstützen und zu motivieren, spricht Fans schließlich nicht erst seit dem Internet an. Früher nannte man sowas Mäzenatentum, heutzutage bezahlen dank Crowdsourcing viele Mikro-Mäzene anstatt eines einzelnen Fürsten die Rechnung fürs Kulturschaffen. Und zwar ausgesprochen gern – das zeigt eine ganze Reihe erfolgreicher Kampagnen, die getreu dem Motto der beiden Gründer Jack Conte und Sam Yam bereits etlichen Künstlern eine unabhängige Existenz ermöglichen.

We founded Patreon as a way to support artists in their pursuit of a decent living while doing what they love.

An die Idee der wiederkehrenden freiwilligen Spende glauben offensichtlich auch jene 15 Investoren, die Patreon Ende Juni mit weiteren 15 Millionen versorgten. Die nähere Zukunft des Dienstes ist damit erstmal gesichert. Sollte die Patreon-Idee weiterhin auf Zusprache stoßen, werden die Betreiber wohl früher oder später Provisionen einbehalten, was derzeit aber noch nicht der Fall ist.

Patreon.com – zu früh fürs deutschsprachige Web?

Wenn neue Ideen aus den USA gut, einleuchtend und sympathisch klingen, dann funktionieren sie in Europa in der Regel frühestens 2 bis 3 Jahre später. Wenn überhaupt. So überrascht es kaum, dass Patreon derzeit auf Mehrsprachigkeit pfeift und sich ganz dem englischsprachigen Internet widmet. Das hindert einige mutige Pioniere aber keineswegs daran, ihr Glück dennoch zu versuchen. Im Fall von Manuel Fritsch, der auf Superlevel.de den täglichen Spielepodcast Insert Moin moderiert, überaus erfolgreich: 1.374,73 Dollar bezahlen 236 Patrons jedes Monat für ihren Lieblingspodcast.

Wie von Kickstarter gewohnt kann jeder Anbieter beliebig viele Milestone-Ziele anlegen. So verspricht Manuel ab 2.000 Dollar pro Monat seinen Fans Entwickler-Interviews mit Video, ab 2.500 Dollar will er einen monatlichen Video-Podcast starten. Ebenso flexibel zeigt sich das Preismodell. Bezahlt wird entweder pro Veröffentlichung (ein Video, ein Blogbeitrag, ein Cartoon mit optionaler monatlicher Obergrenze) oder pro Monat. Der Betrag ist frei wählbar, der Anbieter kann spezielle „Rewards“ für bestimmte Beträge vorsehen – beispielsweise eine Erwähnung in der Hall of Fame ab $5 oder ein T-Shirt ab $20.

Für einen durchschlagenden Erfolg von Patreon sehe ich am deutschsprachigen Markt derzeit zwei Hürden: zum einen die generell mangelnde Zahlungs- respektive Spendenbereitschaft für Online-Inhalte und zum anderen die mangelnde Bekanntheit der Seite. Potentielle Förderer müssen sich registrieren, und auch ohne nähere Kenntnis der Nutzungs-Statistiken vermute ich mal ganz stark, dass hierzulande vorerst mal deutlich mehr Publisher als potentielle Mäzene Accounts anlegen werden.

datenschmutz auf Patreon – machen Sie mich bitte schnell reich!

Als neugieriger Optimist halten mich diese Überlegungen natürlich keineswegs davon ab, selbst einen Hut umzudrehen und auf milde Spenden zu hoffen. Einerseits gefällt mir die Idee, andererseits gehört teilnehmende Recherche zum Bloggen wie Abschreiben zum Boulevard-Journalismus. Nach Eingabe der Account-Daten wählt man als Inhalts-Anbieter ein Upgrade auf den „Creator Account“ und bekommt anschließend Zugriff auf die Kampagnenseite. Wer mehrere Projekte einzeln präsentieren will, braucht zusätzliche Accounts, denn mehrere Kampagnen-Seiten pro Nutzer sind derzeit nicht möglich.

Die Betreiber empfehlen, ein Vorstellungsvideo hochzuladen – ‚ere we go:

Goals und Rewards sind optional – je nach Aufwand dauert das Einrichten der Kampagnenseite zwischen 30 Minuten und mehreren Stunden. Weitere Parallele mit Kickstarter: Mit der Einrichtung der Seite ist’s keineswegs getan. Patreon ist lediglich ein Service-Provider, um die Bekanntheit der eigenen Kampagne muss man sich schon selbst kümmern. Je aktiver und begeisterter die eigenen Fanbase ist, desto leichter fällt es, regelmäßige Leser, Hörer und Seher zum Abschluss eines freiwilligen „Mäzenaten-Abos“ zu bewegen, das selbstverständlich jederzeit kündbar ist.

Das Ergebnis meines Experiments finden Sie ab sofort unter www.patreon.com/datenschmutz. Obwohl ich nicht ernsthaft damit rechne, über Nacht zum Millionär zu werden (das wird wohl ein, zwei Wochen dauern), unterstütze ich mit Vergnügen den Gedanken einer Fan-based Economy. Wie denken Sie darüber? Würden Sie freiwillig monatlich 1 oder 2 Dollar für Ihr Lieblingsblog springen lassen?

datenschmutz auf Patreon

Links:
  • Patreon Blog
  • mehr über Patreon in der Crunchbase
  • Portrait im Wired Magazine
0 Kommentare
  1. BrunoHautzenberger
    BrunoHautzenberger sagte:

    Ehrlich gesagt unterstütze ich bereits ein paar wenige über Patreon. Finde die Idee das so zu machen toll. Denn auch Content-Produzenten sollen was von ihrem Content haben und wenn ich etwas richtig toll finde bin ich auch bereit dazu 1 oder 2 Dollar dafür im Monat zu zahlen.

  2. datadirt
    datadirt sagte:

    BrunoHautzenberger Ja, das ist bei mir genauso… nur muss ich mir jetzt wohl einen Zweitaccount einrichten, weil Patreon sieht keine “Doppelrolle” vor (also zugleich Artist und Spender sein).

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