Lauter neue Gratis-Magazine: Vice, Nullzeit

Lauter neue Gratis-Magazine: Vice, Nullzeit

vicemagVorgestern wurde am sandbeschütteten Gelände des Wiener Eislaufvereins tiefseeiges präsentiert: Nullzeit, das neue österreichische Tauchermagazin, rief zur Premierenfeier. Danach lud Vice in den Project Space, um die Erstausgabe des Österreich-Ablegers gebührend zu befeiern. Beide Magazin sind gratis erhältlich, auf hochwertigem Papier gedruckt und aufwendig bebildert. Einmal geht’s um alle Aspekte des Tauchsports und einmal um kollektive Trend-Exploration.

Das Riepl’sche Gesetz kickt wieder mal mit voller Wucht ein: der Mann postulierte zu Radiozeiten, dass neue Medien alte nie vollständig verdrängen, sondern deren Funktionen verändern:

In seiner Dissertation über Das Nachrichtenwesen des Altertums mit besonderer Rücksicht auf die Römer stellte Riepl fest, dass eingebürgerte Medien „niemals wieder gänzlich und dauernd verdrängt und außer Gebrauch gesetzt werden […], sondern sich neben diesen erhalten, nur dass sie genötigt werden, andere Aufgaben und Verwertungsgebiete aufzusuchen. (Wikipedia)

Wie so viele Gesetze der Publizistikforschung fast eine No-Na Meldung; zumindest die Funktion, musealer Ausstellungsgegenstand zu sein, wird jede überkommene Medientechnik behalten… aber genug geschweift: das Internet verdrängt Printmagazine nicht nur nicht, neue Vertreter der Spezies blühen auf, und alle gibt’s für lau. Das wiederum ist wohl ein direkter Effekt der Aufmerksamkeitsökonomie und gibt irgendwie jenen Outlaws moralisch Recht, die sich immer schon die Kronenzeitung am Sonntag aus dem Ständer geklaut haben und sich hartnäckig weigern, ORF-Gebühren zu bezahlen.

Ganz schön weit unter Wasser

Ein dediziertes Tauch-Magazin gab’s in Österreich bislang nicht: Nullzeit schließt diese Lücke und berichtet von tiefblauen Erlebniswelten. Das Projekt finanziert sich über Werbung, Hobbytaucher bekommen ihre Ausgabe gratis:

Es ist Zeit für ein österreichisches Wassersportmagazin, das sich sowohl an Taucher wendet, aber auch an Bootsfahrer, Windsurfer und Kiter. Und genau das bietet das neue nullzeit Magazin. Es wurde von Tauchern, Seglern und Surfern für die uns wichtigsten Menschen geschrieben – eben Sie, unsere Leser. Jeder, der gerne eine gedruckte Ausgabe in Händen halten möchte, kann nullzeit Magazin ab dem 1. Juli 2007 im gesamten österreichischen Wassersporthandel, bei ausgesuchten Vereinen, Fitnesscentern und Schwimmbädern in ganz Österreich finden.

nullzeitNeu ist die Zeitung nur auf Papier. Als eMagazin erfolgte der Launch Mitte Mai, ab sofort gibt’s Nullzeit zweimonatlich im Print, die PDF-Ausgabe wird weiterhin im Netz veröffentlicht. Das kleine Format lässt nicht allzu viel Spielraum für spacy-Layouts, die Optik ist aber insgesamt recht gut gelungen. Selbst bin ich zwar gerne von Wasser umgeben, allerdings kein Taucher – trotzdem liest sich die Ausgabe interessant, enthält tolle Fotos und informiert über so exotische Zeitvertreibe wie das Apnoe-Tauchen, wo es darauf ankommt, möglichst lange ohne Ausrüstung unter Wasser zu bleiben.

Nullnummer als pdf

Zur Tauffeier des neuen Verlagskindes am vergangenen Mittwoch kam auch Prof. Dr. Hans Hass, der gemeinsam mit seiner Frau nicht nur das moderne Gerätetauchen begründete, sondern in seinen faszinierend Dokus diese schwerelose, blaue Unterwasserwelt Millionen Zusehern näher brachte – ich kann mich noch gut an seine Aufnahmen erinnern, die mich als Zehnjährigen unglaublich faszinierten.

Weiß-Magazin? Weis-Magazin? Vice Mag!

Ebenfalls als Nummer eins und auch gratis neu am österreichischen Printmarkt: das Vicemag. Niko Alm gibt heraus, Stefan Häckel chef-redaktioniert. Vice ist bereits in zahlreichen Ländern zum beliebten Lifestyle-Kompagnon geworden, verbindende thematische Klammer sind Trends:

Was vor zwölf Jahren als Subkultur-Fanzine begann, ist mittlerweile zu einem der einzigartigsten Medienunternehmen der Welt geworden. Vice ist das erste kostenlose international verbreitete Lifestyle- und Szene- Magazin der Welt, mit einer derzeitigen weltweiten Auflage von 866.000 Exemplaren, davon 100.000 in Deutschland. Die Vice-Leser erkennen neue Trends, machen sie sich zu Eigen, und stellen so auf der ganzen Welt die Weichen in Sachen Style und Kultur. In der Marktforschungsanalyse The Cassandra Report wurde Vice in den letzten drei Jahren als der No. 1-Trendsetter-Titel genannt.

Schräge Fotos, lockerer Schreibstil und keine Berührungsangst mit schwierigen Themen machen Vice zu einer Art FHM für die Dibo-Generation, überzeugen kann man sich davon am zugehörigen Blog, Zitat:

Wenn du denkst, dass konzeptionelle Kunst Gewichse ist, dann holt sich Martin Creed gewaltig einen runter. Er hat vor ein paar Jahren den Turner Preis für die Installation ‚The lights going on and off‘ gewonnen. (Interview mit Martin Creed

Neben Kunst und Kultur kommen auch politische Themen, eben Vice-mäßig aufbereitet, keineswegs zu kurz:

Woher kommt Kokain, und wer baut das Zeug an? Niemand, denn in Bolivien werden Koka-Blätter angebaut, nur wir Deppen im Westen machen Blow draus. Der fesche VBS-Korrespondent Trace Crutchfield ist nach Bolivien gefahren um sich dort umzusehen. Und ja, er trifft sogar Evo Morales. Fünf Episoden knallharter Journalismus warten auf euch. (Bolivian Marching Power)

Ein Teil der Inhalte wird für die Österreich-Ausgabe produziert, ein Teil syndiziert. Die englischsprachigen Artikel können die hierzulande eher düstere Fremdsprachensituation tendenziell nur verbessern und zeichnen sich ebenso durch Wortwitz aus, der allerdings bei weitem nicht so verkrampft-bemüht wirkt wie beim FHM. Außerdem richtet sich Vice thematisch zu etwa gleichen Teilen an Männlein und Weiblein.

Am besten in der ersten Ausgabe gefielen mir das Interview mit dem Verteidiger Saddam Husseins und die Story über den erfolgreichen Verkauf diverser Exkremente und natürlich die Fixrubrik „DOs and DON’Ts“, in der die große Kunst des Fauxpas zelebriert wird. Vice ist gratis in ausgewählten Shops erhältlich.

Vice Party mit Imatra Voima

Legendär sind die nur mit Einladung betretbaren Vice-Parties bereits in anderen Ländern; und das werden sie hierzulande auch ganz schnell werden. Super Line-Up auf zwei Floors, viele, viele hübsche Menschen beiderlei Geschlechts (yeah! I did it! Ich hab nicht Partygirls geschrieben!) und Gratisdrinks: diese Antithese zur überteuerten Landdisco kann einiges. Wer beim nächsten Mal dabei sein will, muss sich rechtzeitig eine Einladung über die Vice-Homepage sichern. Kost‘ nix, wie so oft im Leben muss man nur zur richtigen Zeit am richtigen (virtuellen) Ort sein.

Am Mittwoch jedenfalls erbebten die zwei Floors des Projekt Space unter den mächtigen Bässen von Imatra Voima, Pungent Stench, The Killians, DJ Pure, Wolfy & Jim, Reznik & Nic Jagger sowie Felix the Houserat und Paul Raal. Absolut Vodka floss dabei in Strömen – die einzig wirkungsvolle Strategie gegen die Hochtemperaturen am bisher heißesten Abend des Jahres. Gelungenes Erstlingsheft, perfekte Party. Vice rockt.

the gap ist auch neu

Okay, nicht ganz neu, das Heft trägt aber erstmals in schickes grasgrünes Westerl und schreibt in der topaktuellen Ausgabe Nummer #77 schwerpunktmäßig über Tirol („Piefke Sage Revisited“), Testosteron-Legende Hugh Hefner (Untertitel: Pornopop-Schickschnack. Gestern: Playboy. Heute: ein anachronistischer alter Herr der Softsexindustrie.), Philippovitsch Quehenberger und David „Twin Peaks suckt“ Lynch. Die Kolumne, die Sie, lieber Leserin, natürlich längst hier gezogen (aber nicht inhaliert!) haben, ist natürlich auch mit dabei. Und dieses runde Paket gibt’s völlig umsonst an der Popchronik-Ausgabestellen Ihres Vertrauens und in der Premium-Version (für die Non-Ballungsgebietler) auch käuflich erwerbbar bei Dealern bunt bedruckter Papiere.

0 Kommentare
  1. Fantatier
    Fantatier sagte:

    Die Vice ist schon ein ordentliche Magazin. Die gibt es ja schon länger bei uns in Deutschland und ich lese sie regelmässig. Finde ich gut das Österreich jetzt auch einen Ableger bekommen hat. Mit der Nullzeit kann ich nix anfangen, Tauchen ist überhaupt nicht mein Gebiet.

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