Linklove: Standard verkauft "Power User"

Linklove: Standard verkauft „Power User“

Soll keineswegs heißen, dass der aktive Teil der Community nun einem Sklavenhändler gehört. Vielmehr schaltet die Tageszeitung ihren Website-Diskussionsteilnehmern die beliebte „Avatar“-Funktion gegen Extra-Cash frei.

Nicht gerade erfolglos feilt Der Standard seit Jahren an seiner Webpräsenz: neben zahlreichen Spin-Offs wie diestandard.at sorgt vor allem die rege Community mit vielen Kommentaren für Aktivitäten und Pageviews – und für stetig fließende Werbeeinnahmen. Beim Kommentieren bin ich soeben auf ein Premium-Service gestoßen, das für mich in dieser Form bisher neu ist und eine eigenartige Möglichkeit, ein gut laufendes Forum zu monetarisieren, darstellt. Sanft werde ich aufgefordert, mich ganz der Poesie der Power hinzugeben und endlich mein Schwachmatiker-Dasein zu beenden:

Werden sie jetzt Power UserIn und geben Sie Ihrer Meinung mehr Platz:

  • Als Power UserIn scheint immer Ihr Logo zu jedem ihrer Beiträge auf.
  • Auf Wunsch versehen wir auch gerne Ihr Logo mit einem Link auf Ihren Webauftritt.
  • Sie erhalten auch mehr Platz für Ihre Meinung. Statt den regulären 750 Zeichen stehen Ihnen 1500 Zeichen zur Verfügung. Ihre Kommentare fallen also nicht nur durch Ihr Logo auf, sondern auch durch die Länge Ihrer Beiträge.

Die gute alte Avatarfunktion soll hier als freigeschalten werden, das ganze sieht dann so aus. Ausgedehnte Pixelwelten wird man nicht abbilden können, die Größe des Logos beschränkt sich auf 100 x 20 Pixel. Preislich differenziert die kaufmännische Abteilung der wirtschaftsliberalen Tageszeitung zwischen privat und geschäftlich:

Power User Logo normal: EUR 42,- pro Jahr
Power User Logo mit Verlinkungsmöglichkeit: EUR 60,- pro Jahr
Damit sind beliebig viele Beiträge im o.g. Zeitraum abgegolten.
Alle Preise verstehen sich inkl. MwSt.

Firma EUR 350,- p.a. oder EUR 500,- p.a. mit Link
Kommerzielle Nutzung für Marketing.

Dies wirft natürlich gleich eine Reihe von Fragen auf und erstaunt angesichts der riesigen Zahl an Seiten, auf denen man seine Meinung kundtun kann. Während andere um die Gunst der User buhlen, um diese zu möglichst viel Aktivität zu bewegen, lässt sich Der Standard ein wenig Linklove ganz schön teuer bezahlen.

Auf jedem Blog, auf jedem Forum ist es üblich, beim Kommentieren den eigenen Backlink zu hinterlassen. Diese Seiten leben ja von der Beteiligung: jeder sinnvolle Kommentar erhöht die Attraktivität der Seite, Web 2.0-Ökonomie basiert auf der Aggregation von Useraktivitäten. Den umgekehrten Weg zu gehen, bedeutet einerseits, sich seiner Alpha-Stellung sehr sicher zu sein und andererseits eine implizite Zustimmung zum Spammen: denn wenn ich schon EUR 500,- / Jahr für meinen Firmenlink bezahle, was sollte mich dann davon abhalten, möglichst überall einen Beitrag zu posten, egal ob passend oder nicht? Die Redaktion hat sich aber auch hierzu etwas überlegt:

derStandard.at behält sich vor, User, deren Website und Postingverhalten gegen die fair use policy von derStandard.at verstoßen, jederzeit zu überprüfen und ohne Angabe von Gründen zu sperren.

Das klingt ja fast nach Google… Wenn man sich die aktuellen Diskussionen so ansieht, so sind derzeit freilich kaum Poweruser anzutreffen. Und ob der Link mit „nofollow“ oder ohne gesetzt wird, geht aus dem Bestellformular auch nicht hervor. Ausverkauf schreien die einen, innovative Marketingidee sagen die anderen: ich habe noch keine Meinung zur ganzen Aktion, werde mich mit Postings aber stark zurückhalten. User zweiter Klasse mit beschnittenem Beitragsvolumen mag ich nicht sein.

PS: Wie genau wird eigentlich zwischen „privat“ und „Firma“ getrennt? Wo fiele zB dieses Blog rein?

PPS: Ein Link auf die Standard-Startseite in diesem Text kostet für Privatpersonen nix, für Tageszeitungen aber EUR 6.000 / Jahr plus Mehrwertssteuer. Bei Interesse können Sie mich gerne kontaktieren.

0 Kommentare
  1. michaela
    michaela sagte:

    zeigt wiedermal die hilflosigkeit der heimischen onlinemarketing-szene . wie man auch beim webad sehen konnte, gibt’s keine innovativen konzepte und auch ueberhaupt kein medienverstaendnis zum thema „web 2.0“, also kein wunder eigentlich…

  2. mao
    mao sagte:

    verkauf einfach datenschmutz als center of excellence in the field of überall an den meistbietenen, hat ja mit last.fm auch geklappt.

    nein, im ernst: kann mir nicht vorstellen, dass bei der österreichischen umsonstkultur da wirklich als gratis schreiber mitmachen. die foren sind meist eh nur so ressentimentgetränkter bassenaquatsch.
    mein persönlicher rekord liegt bei 22 roten balken ….

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