Georg Franck

Ökonomie der Aufmerksamkeit: Ein Entwurf

[asa nur_bild]3446193480[/asa]

Francks Buch ist ein Klassiker der modernen Medientheorie. Als einer der ersten schrieb der Autor über eine neue Ökonomie, die mit der des Geldes konkurriert und mit ihr die gleichen Gesetze teilt. Mittlerweile haben digitale Medien diese postulierte Ökonomie der Aufmerksamkeit nachhaltig technisch implementiert.

Aufmerksamkeit ist die neue Währung unserer Gesellschaft geworden. Unsere Aufmerksamkeit ist das Wertvollste, was wir geben, und gleichzeitig auch das Wichtigste, was wir von anderen erhalten können. Georg Franck hat beschrieben, wie diese neue Ökonomie strukturiert ist. Er zeigt ganz auf, wie unsere Wirtschaftsordnung seiner Meinung nach wirklich funktioniert und dass hinter jeder Ökonomie auch nur psychologische Mechanismen stecken.

Er hat die Wirtschaftskrise quasi kommen sehen, denn in diesem Buch zeigt er ihre Ursachen auf. Die Wissenschaft ist ein einziger Tanz um Aufmerksamkeit, weil Wissenschaftler nicht nur die eigene Neugierde und Wahrheitssuche antreibt, sondern der Wunsch, andere zu erstaunen und Interesse auf sich zu lenken. Die Vermittlung öffentlicher Reichweite ist das Kerngeschäft der Medien. Medien bieten Informationen, um an die Beachtung des Publikums zu kommen.

Nicht der Verkauf von Information gegen Geld hat die Medien groß gemacht, sondern der Tausch von technisch reproduzierter Information gegen lebendige Beachtung, so Francks zentrale These. Im Unterschied zu materiellen Gütern erhalten wir Aufmerksamkeit als kognitive Ressource, und es ist nicht erforderlich, dass wir ebenso viel ausgeben, wie wir empfangen. Außerdem wird die Aufmerksamkeit wird tendenziell oberflächlicher, weil mehr Medienkanäle unsere Aufmerksamkeit fordern.

Zu wenig wird klar, dass die Aufmerksamkeit nicht bloss eine Maßeinheit für die Wahrnehmung ist, sondern dass wir durch sie unser Leben gestalten und in einem bedeutenden Maß darüber entscheiden können, welchen Dingen und Werten wir uns zuwenden wollen und welchen nicht. Medien, Stars und Beziehungen leben von Aufmerksamkeit – alles, was Bedeutung bekommen soll, hat Beachtung nötig. Georg Franck ist es gelungen Aufmerksamkeit als Währung in unzweifelhaft wichtigen Kontexten und Problemfeldern zu identifizieren. Was fehlt, ist eine Einkommens- und Verteilungstheorie der Beachtung, also eine ökonomische Theorie des Prestiges, der Reputation und der Prominenz. Die theoretische Ökonomie schweigt zum Wandel der Alltagskultur und zum Wandel im Streben der Wirtschaftssubjekte, kritisiert Franck.

Aufmerksamkeit ist funktional mit Geld vergleichbar, weil sie wie das monetäre Medium zugleich heiß begehrt und auf seltsame Weise doch hochgradig indifferent ist. Mit Aufmerksamkeit wird immer sowohl die Kapazität zu selektiver Informationsverarbeitung als auch der Zustand der Geistesgegenwart angesprochen. Und mit dem Zustand der Geistesgegenwart wird, um auch dies zu betonen, nie nur die Bereitschaft zur Informationsverarbeitung und das Aktiviertsein von Hintergrundwissen gemeint sein, sondern immer auch deren bewusste Präsenz.

Das Problem der Verknappung besteht nun darin, dass der wachen Zuwendung an andere engste Grenzen gesetzt sind. Wissenschaftliche Aufmerksamkeit ist sozusagen eine Edelwährung und diese Edelwährung macht durch die Vergleichbarkeit von Geld und Aufmerksamkeit auf eine Verschiebung unserer Leitorientierung aufmerksam, in deren Analyse Georg Francks Buch seinen Höhepunkt findet. Francks Ökonomie der Aufmerksamkeit bringt den Leser nachhaltig dazu, sich mit dem Wert, den die Aufmerksamkeit hat, auseinanderzusetzen.

rezensiert von Gül Ceylan

[asa ds_box_horizontal]3446193480[/asa]

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

Schreibe einen Kommentar