medien.kultur.technik: Medienforschung und Web 2.0

medien.kultur.technik: Medienforschung und Web 2.0

Nach mehreren Jahren der Fachtutorientätigkeit halte ich im kommenden Wintersemester meine erste Lehrveranstaltung als Univ. Lektor am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft Wien, wo ich derzeit auch mein Doktorat schreibe. In der AT-KFOR (Arbeitstechniken Kommunikationsforschung) stehen jene Soft Skills im Vordergrund, die ein Medienforscher in der täglichen Kommunikationspraxis benötigt.

Es geht also um die Konzeption von Vorträgen, um Visualisierung, Rhetorik und Gruppenkommunikation, oder, wie ich es im Vorlesungsverzeichnis formuliert habe:

Die AT-KFOR fungiert einerseits als theoretische Grundlagenschulung zum Thema und andererseits als „Experimentallabor“, in dem die Präsentation selbst im Vordergrund steht: in ausgiebigen Feedbackrunden und Reflexionsgesprächen sollen die TeilnehmerInnen ihre Stärken und Schwächen kennen lernen und ihre Präsentationstechnik verbessern. Oder, um mit Heinz von Förster zu sprechen: wir konstruieren selbstbezügliche Regelkreise und beobachten deren nicht-trivialen Output.

Am Wiener Publizistikinstitut existieren seit Jahren zwei Vorlesungsverzeichnisse, einerseits das offizielle, andererseits das sogenannte „Krivo“, kurz für „kritisches Vorlesungsverzeichnis“. Ersteres ist Sache des Instituts, um zweiteres kümmert sich die Studienrichtungsvertretung. Die Vortragenden werden von der Studienrichtungsvertretung (der ich in grauer Vorzeit auch angehört habe) aufgefordert, kurze Kommentare zu verschiedenen Aspekten der Kommunikationswissenschaft zu schreiben – ich habe mir in ganz komprimierter Form Gedanken gemacht zum das Thema „Web 2.0 und Kommunikationswissenschaft“ – denn das McLuhan’sche immersive Mittendrin wird immer deutlicher und zu einer Konstante, die in unserer Wissenschaft permanent mitreflektiert werden muss. Meiner p.t. datenschmutz Leserschaft möchte ich den betreffenden Kommentar selbstverständlich nicht vorenthalten:

Web 2.0 und Medienforschung: medien.kultur.technik

Web 2.0 lautet ein dieser Tage häufig zitiertes Schlagwort. Im Glanz neuer Medienformate und wirtschaftlicher Erfolgsstorys wie FlickR, myspace und youtube scheinen amerikanische Corporations mit klaren Gewinnmaximierungszielen jenes Mitmach-Internet etabliert zu haben, von dem die Medientheoretiker Anfang der 90er Jahre auf Konferenzen schwärmten.

Während Werbung und PR mit Höchstgeschwindigkeit auf veränderte Nutzungsgewohnheiten reagierten, hat die Kommunikationswissenschaft bislang erst zögerlich von neuen Tools Gebrauch gemacht: die medieninhärente, bei jedem Web-Server standardmäßig mitlaufende genaue Auswertung aller Besucher, ihrer Herkunft, ihrer Aufenthaltszeit etc. müsste doch das Herz eines jeden quantitativen Sozialforscher sofort höher schlagen lassen: zum ersten Mal in der Geschichte liefert ein neues Medium alle quantitativen Nutzungsdaten nahezu frei Haus mit – Grundgesamtheit statt Stichprobe, Google Analytics statt Teletest. Doch so auskunftsfreudig sich die neuen Medien in punkto Quantität geben, so wenig verraten sie zum jetzigen Zeitpunkt über die tiefgreifenden qualitativen Veränderungen im Mediensystem, die auf mittelfristige Sicht durch many-to-many Architekturen alle Bereiche erfassen. Die weit offenen Mitgestaltungsmöglichkeiten und das Paradigma des Do-it-yourself Web verändern nicht nur die ökonomischen Rahmenbedingungen medialer Produktion – sie verdeutlich McLuhans Paradigma von einer Medienwissenschaft, deren Forschungsfeld zugleich ihr Werkzeugset ist.

8 Kommentare
  1. Chris
    Chris sagte:

    ach, 9:30 – 12:30 an einem wochentag? was sind denn das für zeiten! ich hätte gerne an deiner lv teilgenommen. leider ist es auf der publzistik schwer, abends lvs zu besuchen …

  2. Chris
    Chris sagte:

    aber hallo! ich hab mich offenbar missverständlich ausgedrückt:
    auch wenn ich gerne am vorabend von uni-veranstaltungen auf festln gehe … das problem ist ein anderes: unter tags muss ich arbeiten. und da hat man’s auf der publizistik einfach schwer, lvs zu besuchen. ich wünsche mir mehr lvs am abend oder wochenend-blocks.
    da müsste ich mich wahrscheinlich eher an die strv wenden ;) der ich auch in grauer vorzeit mal nahe stand – wer weiß, vielleicht kennen wir uns sogar von damals, ritchie?

  3. ritchie
    ritchie sagte:

    Ja, stimmt; da sind wir uns sogar sicher über den Weg gelaufen, unsere Studienzeiten haben sich ziemlich überschnitten, ich hab 95 mit PKW begonnen und hatte Anfang 2k Diplomprüfung. Du kennst also den legendären Strv-Shop am Kutschkermarkt auch noch :mrgreen:

  4. ccm
    ccm sagte:

    Ich muss sagen, dass ich doch immer gern auf die Aktivitäten der „Wiener Schule“ sehe, wenn ich so, unter Vernachlässigung des bereits besetzten Begriffs, die wissenschaftliche Arbeit an Medien-bezogen Themen im Raum nennen darf. Als Weimarer (nicht zu verwechseln mit Weimeraner) habe ich zwar nicht zu klagen, aber verlockend sieht es schon aus, das Angebot in Wien.

    Die Ankündigung klingt recht nach Kittler-Schule im Sinne der Konzentration auf die Technizität der Medien, allerdings wohl eher publizistisch angehaucht?

    Grüße.

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