meshed #1: Social Marketing für Beginner

meshed #1: Social Marketing für Beginner

Ich geb zu: ein wenig deplatziert kam ich mir auf der meshed #1 schon vor – aber das ist bloß das alte Problem der Innen-/Außenperspektive. Für Einsteiger in den Bereich des Social Marketing gab es allerdings mit Sicherheit einiges an Informationen zu sammeln; die Frage ist in weiterer Folge natürlich, inwieweit auch das Prozessieren und weiterführende Einsetzen dieser neu gelernten Tools und Strategien dann auch gelingt. Denn eigentlich illustrieren die von den Vortragenden gerne zitierten Beispiele feat. Dell & Co. vor allem eines: wirklich erfolgreiche Social Media Strategien sind meist best practices: wir haben noch kaum Erfahrung, wir sammeln sie gerade. Grosso Modo hat der erste Tag Einsteigern in die Materie einen guten Überblick verschafft – und die Sky Loft im Ars Center ist ein äußerst angenehmer Veranstaltungsort.

Nach der Begrüßung durch Veranstalter Albert Ortig von netural Communications nahm Rolf Lührs das Publikum auf einen Tour-de-Force Ritt quer durch die üblich verdächtigen +/- Beispiele (Vodafone, Johnson & Johnson (MotrinMums), Daimler, Helmsmuseum) mit. Tja, Gefahren und Chancen lauern und/oder warten eben allenthalben. Wirklich unschätzbar dagegen ist der Universalratschlag, dass man auf alles vorbereitet sein solle, denn dann könne man im Ernstfall auch adäquat reagieren. Diesem Learning möchte eine weitere Tautologie hinzufügen: machen Sie immer alles richtig, dann passieren Ihnen keine Fehler!

Wer die Tweet-Kommunikation zur Veranstaltung nachlesen möchte, muss ein wenig Multi-Tag-Search betreiben: den „offiziellen“ Tag wollte ich nicht verwenden, nachdem ich bemerkt hatte, dass dieses Stichwort in sehr vielen Tweets vorkommt, die nix mit der Konferenz zu tun haben; meine ersten Tweets hab ich mit #meshed01 getaggt, „durchgesetzt“ hat sich im Lauf des Tages dann im Endeffekt . Während ich das schreibe, muss ich gerade sehr über ein völlig berechtigtes Tweet von @derfichtl lachen:

… und: #hashtag sucks #meshed #meshed01 #meshed1 … #wtf

In diesem Sinne vielleicht eine kleine Anregung für Hashtag-Best-Practices: ideal für Veranstaltungen und thematisch abgeschlossene Sub-Diskussionen sind Hashtags, die

  • zwar leicht zu merken sind, aber andererseits so wenig wie möglich (idealerweise gar nicht) als Hashtag oder auch als normalles Wort in „gewöhnlichen“ Tweets vorkommen.
  • ausschließlich aus Buchstaben, Ziffern, Underscores und/oder Bindestrichen bestehen – andere chars können Probleme bei manchen Clients verursachen, Punkte beispielsweise führen dazu, dass manche Clients nur den Teil vorm dem Punkt als Hashtag interpretieren.
  • im Besonderen innerhalb des Tags nicht das Zeichen # enthalten, die werden von den meisten Clients nämlich als 2 Hashtags interpretiert. (Deswegen eignete sich der eigentliche Konferenzname meshed#1 nicht.)

Ideal sind also Eigennamen bzw. falls es sich um gängige Eigennamen handelt das Anfügen z.B. von Jahreszahl oder Datum, also beispielsweise #meshed09. Wählt der Veranstalter einen solchen Tag aus und kommuniziert ihn im Vorfeld, dann tut sich beispielsweise die Suchfunktion von Tweetdeck sehr leicht und man kann eine Twitterwall (die ich heute geradezu vermisst habe – gehört wohl mittlerweile zum Geek-Standard :mrgreen:) ohne „Fremdtweets“ laufen lassen.

Wahrheit ist die Erfindung eines Försters

Thomas Schwabl kündigte an, dass sein Vortrag vergleichsweise langweilig und Tabellen-basiert daherkommen würde – leider sollte er recht behalten. In einer für die #meshed durchgeführten Studie hat der Meinungsforscher irgendwen über irgendwelche Seiten befragt und daraus Einstellungen zu allem und jenem extrapoliert; naja, wer’s braucht… in der Diskussion fand ich bemerkenswert, dass die Frage auftauchte, ob Social Web Tools am Stellenmarkt überhaupt relevant seien, da klassische Inserate wenig Spielraum für Dialog ließen. Völlig falsch gedacht: Plattformen wie Kununu zeigen, dass in vielen Bereichen das Web 2.0 den klassischen Stellenmarkt „umdreht“: plötzlich beginnen (Ex-)Mitarbeiter über Firmen zu sprechen, neue Kandidaten informieren sich erst mal drüber, ob das Betriebsklima generell der psychischen Gesundheit zuträglich ist und herrschsüchtige Chefs werden längst nicht mehr in der Kaffeeküche, sondern auf LinkedIn kritisiert. Ich spreche hier nicht vom kleinen Greisler, der der Marktmacht der Supermärkte weichen muss, und auch nicht vom arbeitslosen Stahlarbeiter: es gibt nun mal nicht *einen* Stellenmarkt, und im Social Media/Web/Programmierer-Bereich ist es derzeit nahezu unmöglich, ausreichend qualifiziertes Personal zu finden – Unternehmen werden zukünftig um High Potentials werben müssen, denn wozu sollte ich mir ein Bewerbungs- oder Headhunter-Gespräch mit einer Firma antun, bei der ich gar nicht arbeiten möchte? Dialog besitzt in jeder Sparte Veränderungspotential und Sprengkraft.

Die Mysterien der Mediaplanung

Oliver Hellriegel setzte im wesentlichen Lührs Vortrag fort, auch er zeigte sich schwer beeindruckt vom Dell-Beispiel; anscheinend haben mittlerweile alle brav Taras „Whuffie Factor“ gelesen. Persönlicher Höhepunkt war für mich jedoch der Vortrag von Mediaplaner Ralph Kammelberger, der ausführlich über die Unterschiede zwischen klassischen- und Online-Buchungen sprach. Der Vortrag fühlte sich subjektiv wie eine Zeitreise in die frühen Neunziger an – denn in Österreich, oh Insel der Impression-Seligen, zahlt immer noch für Tausender-Kontaktpreise. Ich erzähl meinen Kunden ja ständig, dass Sie ihre Budgets lieber entweder verbrennen (das wärmt dann wenigstens) oder – idealerweise – in CPC- respektive CPS-Kampagnen (cost per sale/lead) investieren sollen. Daher konnte ich mir im Anschluss an den Vortrag die Frage, ob denn CPV in fünf Jahren noch *irgendeine* Rolle spielen würde. (Ein kleines Beispiel: auf Facebook kann man rund 40.000 Österreicher pro Woche entweder für €70 erreichen oder für die gleichen Kontakte ohne weiteres über €2.000 ausgeben. Ich hab ehrlich keine Ahnung, warum dort überhaupt CPV angeboten wird.) Und die Antwort Kammelbergers rockte: denn er führt die CPV-Besessenheit vor allem auf die Oligopol-Struktur der österreichischen Monopol-Medien-Systems und „menschliche“ Faktoren (á la „Unsere Plakatkampagne ist erfolgreich, wenn der CEO am Weg von seiner DG-Wohnung ins Büro fünf Plakate sieht“) zurück – eine im Konferenzumfeld ungewöhnlich ehrliche Antwort.

Ich habe in den letzten 10 Jahren übrigens keinen einzigen Kunden getroffen, der nicht subjektiv das Gefühl gehabt hätte, irgendwann mal von irgendeinem windigen Online-Marketer über den Tisch gezogen worden zu sein – dabei lässt sich nix so leicht mit harten Zahlen belegen wie Online-Marketing. Affiliates arbeiten gratis und aus Eigeninteresse effizient, und wenn nicht, dann hat der Affiliate das Streuverlust-Problem und keinesfalls der Auftraggeber. Und schrumpfende Marketing-Budgets sind grundsätzlich der beste Beschleunigungs-Faktor für derlei Aktionen.

Spammen oder authentisch sein?

Joachim Grafs (Berufsbezeichnung: Future Evangelist) enthielt allerhand direkt Verwertbares – er führte Eyetracking-Studien vor und stellte die Frage in den Raum: „Wie schaffe ich es, einen zunehmend unwilligeren und gemeineren User dazu, sich positiv über mein Produkt zu äußern?“ Apple zeigt, dass dies möglich sei, so der Graf – aber das Zeitalter der Reklame erlebe gerade seine letzten Zuckungen. Die Herausforderung, von der One-Way-Reklame-Metapher zum (scheinbar) gleichberechtigten Dialog zu wechseln, ist also gigantomanisch, soviel steht für die Besucher der Konferenz wohl fest. Der Empfehlung, erste Social-Media-Erfahrungen auf Ksing zu sammeln, kann ich mich aber keineswegs anschließen. Meine Damen und Herren, Sie sind alt genug! Montieren Sie die Stützräder ab, fahren Sie freihändig – ein privater (und wahlweise anonymer) Twitter oder Facebook Account hat bisher nur wenigen 100 Millionen Usern die Reputation ruiniert.

Der Tag endete mit einer spannenden (aber leider viel zu kurzen, wobei mir wohl fünf Stunden auch zu kurz gewesen wären) Führung durchs AEC. Highlight im Highlight: der „Deep Space“, seines Zeichens Nachfolger des legendären Cave: in diesem Abspielraum für Gigapixel-Fotos und 3D-Filme (mit LCD-Shutterbrillen) arbeiten 8 HD-Projektoren und beamen doppelte Kino-Auflösung auf jeweils 16×9 Meter Frontwand und Boden: das Simulationsergebnis ist so überwältigend, dass sich schon mal eine milde Form spontaner Flugkrankheit einstellt. Die geplante Segway-Testfahrt musste leider regenbedingt ausfallen. Morgen geht’s mit praktisch orientierten Facebook- und Co-Workshops weiter – ich brauch ein paar Stunden Social Media Auszeit. Ein Bericht über das großartige Pixel Hotel (ich nächtige heute im Pixel in der Textilpassage und werd auf dem Original-90er-Nintendo direkt nach dem Publishen ein paar Runden Super Mario spielen) folgt.

Fazit: Ich hatte den Eindruck, dass die Zuhörer die Vorträge ziemlich gebannt verfolgten – und ich denke, dass der erste Tag der meshed #1 für Marketing-Leiter und andere Entscheidungsträger eine recht umfassende und gute Übersicht über die grundlegenden Prinzipien und Möglichkeiten des Social Marketing geboten hat. Insofern hat meiner Meinung nach Veranstalter netural die Anforderungen an eine solche Veranstaltung – Orientierung geben, Entscheidungsgrundlagen liefern – gut erfüllt, und bin mir ziemlich sicher, dass es 2010 die meshed #2 geben wird.

19 Kommentare
  1. digiom
    digiom sagte:

    Kammelberger fand ich auch spannend und hab sein Understatement („Meine Vortäge sind immer langweilig.“) überhaupt nicht nachvollziehen können. Danke für das Aufnehmen der Frage – hab jetzt verstanden wie das war mit dem 70€ und 2000€. Hätte ich ein besseres Gedächtnis und nicht die Aufmerksamkeitsspanne einer Katze würde ich jetzt auch wieder geben können, was mir noch an dem Vortrag gefallen hat.

    Die Eyetracking-Bilder, die der ‚Future Evangelist‘ vorgeführt hat, kenne ich übrigens mindestens schon seit 2004 – war wohl auch nicht Zielgruppe dieses letzten Vortrags des Tages.

  2. web-barrierefrei
    web-barrierefrei sagte:

    Ich war letztens übrigens auf einer ähnlichen Veranstaltung im MQ zum Thema Onlinemarketing und Online Distribution für Filme.
    Das war eine Veranstaltung der Wiener Filmfonds zusammen mit Filmtiki.com. Sehr interessant auch die Social-Media Werbekampagne zum österreichischen Kinofilm „Contact High“ wo die online Channels wie Twitter, Facebook, Youtube, myspace usw. genutzt hat um den Film zu hypen.
    Sogar eigene Maschek-Videos (Bsp.: Kohl), und gefakte Presseaussendungen hat man dafür produziert. ;-)

    Wen`s interessiert, der findet auf oben genannter URL eine Zusammenfassung (in englisch) und eine Video-Aufzeichnung der Veranstaltung (Contact High-Case study von katha.at ab Minute 9:00).
    Sehr empfehlenswert!

    Joe

  3. DerFichtl
    DerFichtl sagte:

    Erstens, schönen Dank für’s Zitat.

    Zweitens, jap, die useit.com Eyetrackings sind uralt und zeigten schon vor Jahren das keiner die Werbung anschaut, umso mehr hat mich dann eben verwundert das man es angeblich im Umsatz sofort merkt wenn mal keine Lotto-Banner geschaltet werden? laut Kammelberger.

    Ansonsten … hab ich alles sehr interessant gefunden, vor allem für Leute die sich nicht andauernd mit diesem Thema beschäftigen, ist es spannend zu sehen, welche Beispiele gibt es schon und was hat’s gebracht oder geschadet.

    • ritchie
      ritchie sagte:

      Ja, das mit den Eyetrackings ist eine schwierige Sache… Banner werden sehr wohl geklickt, aber halt nur, wenn die Botschaft auch dementsprechend kontextuell für den User interessant ist – in dem Moment wird die Positionierung dann auch zum Sekundärfaktor. Und deinem Konferenz-Fazit kann ich nur zustimmen.

  4. Joachim Graf
    Joachim Graf sagte:

    warum ich Xing als Einstiegshilfe für Social Networks empfohlen habe? Weil da der Kulturschock nicht so gross ist. Da tummeln sich Menschen, die ähnlich wie Manager ticken – nämlich andere Manager. Die ganzen anderen Zielgruppen – Twitterati, Nerds, Trolle, Blogger …. kann man dann lernen, wenn man die Technik beherrscht.

    Stützreden abmontieren? Klar. Aber erst mal ein paar Runden damit drehen!

  5. Rolf Lührs
    Rolf Lührs sagte:

    Möchte nicht kleinlich erscheinen, kann mir aber die Anmerkung nicht verkneifen, dass hier einiges durcheinander geraten ist. „Whuffie-Factor“ habe ich zwar gelesen, die Beispiele Mentos, Willitblend, Skittles habe ich aber nicht gebracht. Meine waren u.a.: Vodafone, Johnson & Johnson (MotrinMums), Daimler, Helmsmuseum. Außerdem heiße ich Rolf.

    Grüße aus Hamburg

  6. chris
    chris sagte:

    Eyetracking ist zwar alt aber diejenigen die Eyetracking nutzen achten halt nicht wie viele andere nur auf die Effizienz von Werbung sondern auf die Effektivität. Was bringt eine günstige Werbung die nicht wirkt!

    Werbung muss es schaffen binnen kurzer Zeit eine Nachricht zu vermitteln und das auf eine kreative Art und Weise.

  7. filme gratis
    filme gratis sagte:

    Ja, das mit den Eyetrackings ist eine schwierige Sache… Banner werden sehr wohl geklickt, aber halt nur, wenn die Botschaft auch dementsprechend kontextuell für den User interessant ist – in dem Moment wird die Positionierung dann auch zum Sekundärfaktor. Und deinem Konferenz-Fazit kann ich nur zustimmen.

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