Quora, LinkedIn und G+

Mit Google+, LinkedIn und Quora auf der einsamen Insel

Facebook ist aus dem Leben vieler Heavy-User kaum mehr wegzudenken. Professionisten aus der virtuellen Bergwerkszunft, die sich auf der Suche nach lohnen Aufmerksamkeitsadern beharrlich durch Lawinen von Dreck und Gestein wühlen, geben unisono an, „auch privat oft Status Updates zu posten“. Ich nehme mich da nicht aus, oder besser gesagt: ich nahm mich da nicht aus, aber ich nähme mich aus, gäb’s neben dem allgegenwärtigen Facebook und dem hochfrequenten Twitter nicht endlich wieder Networks, auf denen qualitative, tiefschürfende und fachlich kompetente Konversationen im Fokus stehen und wo gelegentlich auftauchende Frühstücks-Marmeladenbrote zumindest mit originellem Marienbild versehen sind.

Ich hab nie daran geglaubt, dass sich befriedigende Unterhaltungen auf ein wechselseitiges Stakkato-Format von jeweils 140 Zeichen auch nur annähernd verlustlos abbilden lassen. Ich sehe, dass ein immer größerer Teil der digitalen Kommunikation nicht mehr sprachlich/schriftlich, sondern visuell geschieht, und ich kann darin selbst beim schlechtesten Willen den Verfall von weder Sitten noch Kultur erkennen. Dass Monitoring-Tools einhellig auch Facebook-Postings die Würze in der Kürze attestieren, überrascht mich angesichts der Nutzungspraxis des populärsten Social Networks ganz und gar nicht – aber dass Mark Zuckerbergs genialer Streich ein für allemal sämtliche ausufernden, besserwisserischen, argumentativ brillanten, schwaflig-trolligen Bitplaudereien in den tiefen Ozean des Dark Net gespült haben soll, daran können nur eingemüste SchopenhauerInnen glauben wollen.

Da haben wir diese wunderbare, neu-soziale Online-Welt, die aus einem Netzwerk von Gerätschaften endlich ein Netzwerk von Menschlein macht, Gleichgesinnte zusammen bringt, der Idee des McLuhan’schon globalen Dorfes so nahe kommt wie sich’s der alte Mäc wohl kaum selbst hätte träumen lassen. Und dann hängen alle auf der virtuellen Agora ab und zeigen sich gegenseitig Hundevideos am Popelfon 3.0, mit dem man endlich Liegestütze zählen kann?

Mark Zuckerberg schlägt in gewohnte Kerben, die langsam fad werden.

Nein, nicht nur. Ich bleibe furchtbar gern mit Freunden und Bekannten in Kontakt. Beim Kennenlernen von neuen Leuten bin ich allerdings recht wählerisch: ich spreche am liebsten mit Leuten, die sich für die gleichen Themen interessieren wie ich, mit Leuten, von denen ich was lernen kann, im Optimalfall sogar noch vice versa. Ich mag am Internet, dass sich gute Gespräche manchmal so irrsinnig *lange* hinziehen können, wenn sie auf der richtigen Plattform stattfinden.

Und die heißt garantiert nicht Twitter oder Facebook: gewiss finden sich dort genug Ausnahmen, aber schnelle Durchlaufzeiten sind dort, anders als bei meinen drei aktuellen Favoriten, die Regel. Wenn ich also nur drei Social Media Networks mit auf die berühmte Insel nehmen dürfte, dann müsste ich für Facebook und Twitter ein Zweitsmartphone einschmuggeln.

Auf Google+ rocken die Communities

Wer Google+ längere Zeit nutzt, wird irgendwann verwundert feststellen, dass hier kein Facebook-Konkurrenzkampf am Werken ist, sondern ganz andere Kräfte tobend walten. Das hat einerseits mit der asynchronen Struktur der „Circles“ zu tun, andererseits mit der weit geringeren Breitenwirkung: hier kommunizieren überdurchschnittlich viele professionelle Kommunikatoren, die bereits durch die harte Schule Facebooks gegangen sind. Außerdem weiß man ja nie, ob zuviel Postingsfrequenz und/oder Nonsens nicht doch messbaren Einfluss auf die für alle Zeit gespeicherte Google-Daten-Schimäre hat… diese Mischung aus Elitentum und freiwilliger Selbstbeschränkung hat eine Startseite hervorgebracht, die ganz gut als der bunte Postillon der Generation 15-80 durchgeht. Hier gehört es noch zum guten Ton, sich für +1’s einzeln und freundlich zu bedanken.

Seine Stärken abseits vermuteten SEO-Impacts spielt Googles dritter Großversuch in Sachen Social Networks in den Communities aus: wo sollte ich sonst mehrere Tage lang mit einigen Kollegen und Unternehmern aus der Bestattungsbranche darüber diskutieren, welche Industrien wie durch das Social Web verändert werden? Wenn Google+ Communities weiterhin so boomen, dann wird die lange Durchlaufzeit der einzelnen Diskussionen mit steigender Postingzahl wohl sinken – bis dahin freu ich mich über die dialogzentrierten Unterhaltungen, die sich meiner Wahrnehmung nach sehr wohltuend von Facebooks „Fire-and-Forget“ Mentalität abheben. Für dieses Blog hab ich natürlich auch eine G+ Page eingerichtet, außerdem poste ich in der – noch sehr jungen – datenschmutz Community Tipps und Tricks zu Google+.

LinkedIn les ich am liebsten

Die Lebenslaufverwaltung steht nur scheinbar im Zentrum LinkedIns: die Seite als amerikanisches Pendant zu Xing zu bezeichnen, wäre schlicht beleidigend. Die sicherlich hervorragenden Suchfunktionen spielen für mich eine untergeordnete Rolle, aber als Business-Magazin hat LinkedIn für mich TechCrunch und Mashable schon lange den Rang abgelaufen. Die Homepage bietet jeden Tag eine spannende Mischung aus redaktionelle ausgewählten Inhalten von Opinion Leadern aus verschiedenen Industrien, im Status-Feed stoße ich weiß häufig auf spannende Fachartikel, die meine Kontakte empfehlen – und wenn ich einzelne Themen vertiefen will, setze ich die Diskussion in einer Gruppe fort. Sehr empfehlen kann ich allen Online-Marketing Experten die OMOe – Online Marketing Österreich, die Astrid Dietrich und ich gemeinsam moderieren.

Quora wär ein Fulltime-Job

Mysteriös unter den Social Networks: Quora erfreut sich in Europa bislang recht beschränkter Beliebtheit. Gepostet werden darf nur in englischer Sprache, Slackertum ist verpönt, Kern der Seite ist ein ausgefeiltes, in hunderte Kategorien eingeteiltes Frage-Antwort-System, zusätzlich können Nutzer eigene Blogs einrichten.

Quora besticht nicht durch ausgefeilte Publishing-Features, sondern durch die riesige Menge an hochwertigen, spielerisch konsumierbaren Inhalten sowie ein gut durchdachtes Punktesystem: Credits, die man für Votes auf die eigenen Beiträge erhält, tauschen Quora-Autoren gegen mehr Sichtbarkeit auf der Plattform ein. Hier finden sich Fachsdiskussionen neben Threads über die besten Atheistenwitze – in 30 Minuten beschäftigt man sich mit der moralischen Werteordnung verschiedener Länder, mit den Interna einer Programmiersprache und mit militärischer Gehorsamsverweigerung geht – und kann gar nicht aufhören zu lesen.

Eine Korrekturfunktion, die von erfahrenen Nutzern auch häufig verwendet wird, sorgt für ein erstaunliches Sprachniveau. Quora-Poster nehmen sich zum Teil sehr viel Zeit für ihre Antworten. Wo ein Wikipedia-Artikel Überblick und die wichtigsten Fakten zu einem Thema offeriert, zeigt ein Quora-Thread jede Menge Facetten in kleinstem Detail. Mich erinnert die Seite ein wenig an Michael Endes Unendliche Geschichte – mit dem entscheidenden Unterschied, dass die vielen Nebenstories nicht ein andermal erzählt werden sollen, sondern ständig weitergeschrieben werden. Auf die Details dieser wunderbaren Lern- und Zeitvernichtungsmaschine dagegen möchte ich ein andermal eingehen – oder fragen Sie mich einfach auf Quora: www.quora.com/Ritchie-Pettauer.

0 Kommentare
  1. Luca
    Luca sagte:

    Als Einstieg in mein Kommentar empfehle ich meinen Beitrag zu unterschiedlichen Verbindungsmodellen in Social Networks http://lucahammer.com/post/35122993789/different-follow-models-on-online-platforms tl;dr: Reziprok wie es Facebook versucht funktioniert ab einer gewissen Größe nicht mehr. One-feed-publishing wie bei Twitter oder Google+ führt zu Problemen, sobald man etwas vielschichtiger ist. Quora hat durch die Kombination Themen und/oder Personen folgen zu können einen besonderen Reiz. reddit rules them all weil es nahezu irrelevant ist, wer einen Beitrag postet.
    Durch Kind bin ich an manchen Tagen nur am Handy und hauptsächlich konsumierend. Die Statistik (Zeitraum ein paar Wochen) sagt, dass ich Tweetbot 1108, Alien Blue (reddit) 673, Path 245, Facebook 176, Quora 83, Reeder 67 und Vine 29 mal geöffnet habe. Das sagt jetzt noch nichts über die Intensität der Nutzung aus, gerade Reeder ist meist ein bis zweimal am Tag eine gute Stunde offen, während Twitter auch bei einer DM oder Reply schnell zwischendurch geöffnet wird. 
    Twitter ist für mich von einem Spielraum, zur wichtigsten Informationsquelle und jetzt (wieder) wichtiges zwischenmenschliches Kommunikationstool geworden. Twitter ist momentan das letzte intensiv genutzte Social Network, das mir meinen Feed nicht verhunzt. Wenn ich jemanden folge, dann bekomme ich alles mit. Dementsprechend ist auch der Zeitfaktor wichtiger. Über Twitter bin ich mit den Menschen in Kontakt, die mich interessieren. Viele kenne ich persönlich, manche finde ich einfach spannend oder würde ich gerne kennen lernen. Ticker mit persönlichen Meldungen. 
    Facebook wird zwar noch häufig genutzt, dort bekomme ich aktuell auch konstant die häufigsten Interaktionen (dazu mehr bei quora/reddit), aber bis auf ein paar Gruppen konsumiere ich dort fast nichts mehr. Der Feed funktioniert für mich nicht wirklich. Es werden Dinge hochgespült, die ich schon mehrmals gesehen habe und ganz schlimm finde ich dort Memerecycling. Aber genau das führt zu vielen Likes und somit wieder in meinen Newsfeed. Unternehmen über Listen folgen funktioniert noch gut. Etwa hier Liquid Work Services: https://www.facebook.com/lists/10151622466665628 
    Google+ hat es bei mir immer noch nicht geschafft. Ich finde es gut und finde es immer wieder interessant, wenn ich bei Communities oder in den Feed schaue. Aber es ist nicht in meinem täglichen Ablauf. Vielleicht irgendwann.
    Linkedin kann ich wegen dem Design nicht so gut ab. Aber ich verwende es inzwischen mehrmals wöchentlich. Noch selten um den Feed zu konsumieren. Den habe ich bisher meist ignoriert. Mal schauen, ob der wirklich gut ist. Ansonsten ist die Orientierung an Business ein gutes Unterscheidungsmerkmal.
    Quora. Endlich. Als ich mich 2011 anmeldete fand ich es interessant aufgrund der Leute, die dort waren. Silicon Valley Core. Dann verlor ich das Interesse und fand es irgendwann wieder. Ich bin der Meinung, dass Quora, neben Wikipedia, eine der wenigen Services mit qualitativ hochwertigen und umfangreichen Beiträgen zu einer Vielzahl von Themen ist. In letzter Zeit habe ich mich etwas davon abgewendet aufgrund der Art wie die Inhalte, die man dort postet versteckt werden. Leute ohne Accounts bekommen bei jedem Beitrag ein doofes “sign up” layover und eine Zeit lang konnte überhaupt nur die erste Antwort zu einer Frage gelesen werden. Aufgrund dieser Dinge haben sich einige wichtige Mitglieder gelöscht oder nutzen die Seite nur noch selten. Ich würde mir wünschen, dass sich das wieder bessert. Folgen sollte man mir auf jeden Fall: https://www.quora.com/Luca-Hammer (ICH HABE 20X SO VIELE FOLLOWER WIE RITCHIE!!!FTW!!)
    reddit, das hässliche Entlein. Hier verbringe ich heutzutage am meisten Zeit. Schwer vorstellbar, wenn ich gerade noch über Memes und Bildwitze gelästert habe. reddit ist ein bisschen wie Internet früher auf Drogen. Die meisten nutzen Pseudonyme und Wegwerfaccounts. Man kann unterschiedlichen subreddits folgen, diese sind grob mit Themen gleichzusetzen, und dann entweder alles, was dort neu gepostet wird oder nur die besten Dinge anzeigen lassen. Über ein votingsystem und einen sehr feinen Algorithmus wird bestimmt, wie viel Sichtbarkeit ein Beitrag bekommt. Durch die unterschiedlichen subreddits kann man seine Interessen voll ausleben ohne, dass ein Follower damit belästigt wird. Auch mit einem völlig neuen Account kann man tausende Menschen erreichen, was mir mit meinem ersten Beitrag passiert ist. Dies ist bei Quora grundsätzlich auch möglich, aber durchd as dortige Followsystem und den Peoplerank werden bekannte User bei der Sichtbarkeit bevorteilt. reddit sieht nich so prickelnd aus und die Funktionsweise ist auch umständlich/beschränkt. Am Computer unbedingt Reddit Enhancement Suite installieren und am iOS Gerät Alien Blue. Unter Android gibt es auch gute Apps, die ihr aber selbst suchen könnt. reddit hat sehr dunkle Seiten. Aber auch viele schöne. Ich stelle schnell eine bunte Auswahl zusammen, um ein Gefühl zu bekommen. Oder auch nicht.
    http://www.reddit.com/r/askscience/ Fast wie Quora.
    http://www.reddit.com/r/AskReddit/ Alle beantworten die gleiche Frage. Teils unterhaltend, teils traurig, teils eklig, teils spannend und so weiter.
    http://www.reddit.com/r/bestof/ Die besten Momente von reddit auf reddit. Oder so.
    http://www.reddit.com/r/CrazyIdeas/ Verrückte Ideen.
    http://www.reddit.com/r/dataisbeautiful/ Die Titel sind eigentlich alle recht selbsterklärend.
    http://www.reddit.com/r/findareddit/ ditto
    http://www.reddit.com/r/IAmA/ Ich bin XY, fragt mich alles. Hat schon Obama gemacht, aber auch viele “alltägliche” Menschen.
    http://www.reddit.com/r/mildlyinteresting/ Ich liebe es.
    http://www.reddit.com/r/wheredidthesodago/ Noch so ein tolles Ding. Werbeclips mit neuem Kontext.
    http://www.reddit.com/r/nottheonion Nachrichten, die man von The Onion erwartet, die aber echt sind. Oder zumindest von normalen Nachrichtenseiten veröffentlicht wurden.
    http://www.reddit.com/r/technology/ So funktionieren Technolgienews heute.
    http://www.reddit.com/r/TheoryOfReddit/ Natürlich darf bei einem guten Socical Network die Metaebene nicht fehlen.
    Genug. Vorerst. 
    Und dann ist da noch Path. Private Social Network. Dort sind die Menschen, denen ich voll vertraue und die mir wichtig sind. Ich poste Dinge, die ich, vor allem aus Privatsphäre Überlegungen, sonst nirgends posten würde. Ich mag Path. 

    Was ich auf Insel mitnehme?
    Path und reddit. Twitter wäre auch nett, muss aber nicht.

    • datadirt
      datadirt sagte:

      Luca Danke für die ausführliche Antwort – und die vielen Reddit Links. Reddit hab ich in letzter Zeit etwas aus den Augen verloren, da muss ich unbedingt wieder mehr reinschauen… aber das könnte dann wiederum zu Lasten der Quora-Zeit gehen, und dort muss ich meine Follower-Anzahl so schnell wie möglich verzwanzigfachen :-)
      Mit G+ bin ich auch eine ganze Weile lang nicht warm geworden. Aber die Integration in Googles Gesamtauftritt hat schon was, und die Hangouts sind im Vergleich zu Vine, mit dem ich gar nichts anfangen kann, ein gigantisches Plus.

      • Luca
        Luca sagte:

        datadirtHangout und Vine haben außer dem Bewegtbild nicht viel gemeinsam. Bei Vine ist das entscheidende der Schnitt während dem filmen. Wer schneidet schon mobil Filmchen? Dementsprechend sind die meisten Kurzbewegtbilder recht fad zum anschauen. Vine hat mit seinen sechs Sekunden und integrierten Schnitt etwas von Commercials. Sehr schnell, harte Schnitte und schon aus. Und natürlich ist das ein guter Zeitpunkt um meine Vine Suchmaschine zu pushen: http://www.2-blog.net/projects/vine/ 
        Und dann ist da noch der große Mix, um mehr zu vermitteln:
        Ich fand Vine doof bis ich es verwendet habe.
        Hangouts, gerade mit der Live Option und Instantaufzeichnung, sind auch großartig.

  2. ThorstenK
    ThorstenK sagte:

    Google Plus nutze ich aktuell intensiv und finde mich hier intuitiv gut zurecht. Insbesondere die Communities finde ich sehr gelungen, sie bieten allerhand Möglichkeiten. Diese lassen sich über die individuellen Kategorien auch gut strukturieren.
    Leider habe ich den Eindruck, dass viele Mitglieder von Communities diese Strukturen ignorieren und einfach wild drauflos posten. Das macht die Communities sehr unübersichtlich. Ursprünglich ließ sich daran nichts mehr ändern. Was einige noch nicht wissen: Mittlerweile kann der Inhaber/Moderator einer Community diese wahllos geposteten Beiträge einfach per Mausklick in die passende Kategorie verschieben.

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