Nacht-Wachheit in Berlin: Clubguide v0.1 beta

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Brandenburger TorDiese Stadt hat einen Ruf zu verteigen – daher waren an meinem ersten Berlinwochenende der Lokalaugenschein in mehr als einem Club unvermeidlich. Daher folgt an dieser Stelle ein kleiner chronologischer Bericht über die Ereignisse jener schicksalhaften Tage im Jänner anno domini 2007. Die vorwegnehmende Schlussfolgerung für Eilige: Berliner verstehen es, lange, gebührend und laut zu feiern…

Die Berliner Clubszene hat nicht umsonst einen legendären Ruf: der Tresor etwa gilt als eine der Brut- und Geburtsstätten der Technokultur. Vor einigen Monaten musste der Club wegen Verkauf des Mietobjekts ausziehen, im Mai steht die Wiedereröffnung auf neuem, größerem Areal mit begleitenden Multimedia-Installationen an. Überhaupt ist recht viel Fluktuation kennzeichnend für die Topologie des Nachtlebens: immer noch stehen zahlreiche Gebäude im ehemaligen Ostteil der Stadt leer, getanzt wird daher mietbedingt hauptsächlich in den früher zur DDR gehörigen Stadtteilen. Einige früher in leerstehenden Gebäuden improvisierte Veranstaltungen haben inzwischen fixe Locations gefunden, so etwa der früher am Prenzlauer Berg beheimatete 103 Club. Im Knaack in der Greifswalderstraße tanzte die revolutionäre sozialistische Jugend bereits zu DDR-Zeiten seit den 50er Jahren – der gitarren- und punklastige Club hat nicht mal vor Karaoke-Veranstaltungen am Wochenende Berührungsängste und erfreut sich bei der eher analog orientierten Clientel nach wie vor großer Beliebtheit.

Kaffee Burger
Bild: kaffeeburger.de

Das Kaffee Burger erlangte dank Vladimir Kaminer und seiner Russendisko literarische Bekanntheit weiter über die deutsche Bundeshauptstadt hinaus. Kaminers monatliche Veranstaltung Kultveranstaltung ist mittlerweile sehr gut besucht, um nicht zu sagen überlaufen – aber dafür hält das Burger standthaft von Montag bis Sonntag seine Pforten für Nachtschwärmer offen. Zwischen Funkpunk, New Wave, ein bisschen Elektro und viel Indie bewegt sich das eklektische Musikprogramm, am lauten Floor wird getanzt, an der Bar lernt man bei dezentem Dezibelpegel fast unweigerlich rasch Gleichgesinnte kennen.

Die Eintritte der angesagten Locations liegen übrigens bei freundlichen 6-10 Euros, am Türsteher muss indes jeder vorbei: das gelingt meistens, aber doch nicht immer – wenn die Hütte voll ist, werden die freundlichen Herrn am Eingang auch gerne mal wählerisch. Drinnen muss man indes keinen Totalkonkurs fürchten: in allen besuchten Clubs waren die Getränkepreise durchwegs sehr fair. Rund 2,5 für’s kleine Bier bzw. 2 Euros für Antialkoholisches gemahnen nicht an Raubrittertum. In punkto local DJs fiel mir quer über die Genres vor allem eines auf: Die Qualitätssicherung scheint in Berlin vermutlich aufgrund der größeren Konkurrenz wesentlich strikter zu funktionieren: wer im Club hinter den Reglern steht, kann mixen, der Rest ist dann Geschmacksfrage – Amateure dürfen hier angenehmerweise nicht hinters Mischpult. Diese vorerst erfreuliche Beobachtung müsste natürlich noch durch ergänzende Feldstudien verifiziert werden.

Getanzt wird vorwiegend Donnerstags, Freitags und Samstags, an den übrigen Wochentagen haben so gut wie alle größeren Clubs geschlossen. Sperrstundenstress gibt’s dafür keinen: an schwachen Tagen flippt der Beat bis zum Sonnenaufgang, im übrigen kann’s auch leicht mal Mittag werden. Musikalisch bietet die Stadt das breite Spektrum, das man von einer 3 Millionen Metropole erwartet. Elektronisch betrachtet spielt Techno nach wie vor eine beträchtliche Rolle im Clubleben, wenn auch die meisten Veranstalter derzeit bevorzugt auf (Minimal) Electro setzen.

CurrywurstDie lokale Restaurantszene bietet so ziemlich alles, was Herz und Gaumen begehren: vom asiatischen Cookshop bis zum Nobel-Thailänder, ein Blick in die Stadtzeitung Zitty ist immer für ein paar hilfreiche Tipps gut. Ohnehin kann das traditionsreiche Stadtmagazin, das im Zweiwochenrhythmus erscheint, jedem Besucher nur wärmstens empfohlen werden: der Kalender bietet die dringend notwändige Übersicht über’s ausufernde Partyleben, für einen stilvollen Mix der redaktionellen Features sorgt Chefredaktrice Mercedes Bunz. Unsere Lokaltipps hatten wir vorwiegend aus dem „Zitty – Essen und Trinken in Berlin“ Special – besonders angetan waren wir von Schlotzky’s Deli in der Friedrichsstraße (lecker US-Style Sandwich mit frischgebackenem Brot) und Alois S. (großartige spanische Tapas, feine Wein- und Bierauswahl).

Donnerstag, 18. Jänner

Kyrill kündigt sich am späten Nachmittag an – die Berliner Radiosender warnen vor dem Verlassen der Wohnung. Die Benennung des Orkans war angeblich ein Geburtstagsgeschenk: wohl entweder ein zynisches oder nicht gerade an einen praktizierenden Altruisten gerichtet… um Mitternacht wird die Frage schließlich akut: darf man es wagen, den gemauerten Schutz der eigenen vier Wände zu verlassen? Das gröbste scheint überstanden, der Weekend Club ist von unserer Wohnung in der Greifswalderstraße nur einen kurzen Spaziergang weit entfernt – die Abende sind knapp, und von so nem Stürmchen lassen wir uns doch nicht gleich ins Boxhorn jagen.

Weekend ClubAlso auf zu Binh und Tobi Neumann – in den Week12end Club im Sharp-Gebäudes am Alex, wie die Berliner ihren Alexanderplatz nennen. Eintritt bezahlt wird unten, dann geht’s mit dem Lift in den 12. Stock. Die Rundumverglasung sorgt für einen massiv großartigen Blick auf die nächtliche Großstadtkulisse – und Binh, Adept Sven Väth’s in dessen Frankfurter Cocoon Club, spielt ein von Beginn bis Ende heftig abwechslungsreiches Set: von straighten, treibenden Techno-Beats über Minimal Electro-Platten bis hin zu stellenweise acid-artigen Synthieparts motiviert er die Crowd genau so effektiv, wie sein vorauseilender Ruf behauptet. Tobi Neumann selektierte im Anschluss solide, für meinen Geschmack aber auf Dauer dann doch etwas zu eintönige Electro-Beats. Bis zum Sonnenaufgang haben wir’s dann doch nicht ausgehalten – der soll vom zwölften Stock aus nach einer durchtanzten Nacht allerdings recht atemberaubend wirken.

Freitag, 19. Jänner

Watergate
Bild: www.water-gate.de

Unbeschadet von den letzten Ausläufern des Orkans und reichlich gestärkt von der (zu Recht!) legendären Currywurst (mit Tomatensauce, nicht Ketchup. Und je nach Präferenz mit Pommes oder Schrippe. So nennen die Berliner ihren Weißbrot-Semmelersatz, und den gibt’s dann noch dazu in typischer Ost- oder Westausführung) geht’s ins Watergate: der Drumandbass Club direkt an der Spree qualifiziert sich im Frühling und Sommer zusätzlich durch eine Outdoor-Terasse am Wasser, aber auch bei Minusgraden gibt’s nette Ausblicke auf stille Wasser. Am kleinen Tanzboden, dem sogenannten Waterfloor, sorgten am Freitag Bozoo Bajou und Eva Be für verstärkten Bewegungsdrang der Anwesenden, am Mainfloor drehten Kabuki und die V-Recordings Gäste DJ Mosus und Labelboss Jumping Jack Frost an den Reglern.

MC Soultrains „Sounds of the trife.life!“ Lyrics ließ geradezu heimatliche Stimmung aufkommen – das Set von DJ Mosus war eine der bestgemixten, derbsten Breaktbeat-Zusammenstellungen, die ich in den letzten Monaten gehört hab. Routinier Jumping Jack Frost rockte das Haus mit einer eleganten Mixtur aus Neurofunk und treibenden Liquid-Grooves – kein Gedanke dran, den Club vorzeitig zu verlassen. Die sound- und lichttechnische Ausstattung allein ist ein Besuch wert: flashige Lichteffekte und angenehme Bassmassagen, so mögen wir das. Genau so.

Samstag, 20. Jänner

Maria
Bild: clubmaria.de

Unser Local Guide brachte uns gegen eins erstmal zum Club Maria am Ostbahnhof. Der weitläufige Mainfloor fasst locker einige hundert Besucher, Local DJs spielten eine für mich recht schwierig einzuordnende Mischung aus Electro und Downbeats, die mit fortschreitender Uhrzeit auch immer tanzbarer wurde. Am kleinen Floor gab’s ein Live-Konzert, das mich an die frühen Zeiten von Massive Attack erinnerte: zweifellos gefühlvoll, aber ganz schön harte, weil arg langsame Kost gegen zwei Uhr früh.
Die Party im Maria ging vermutlich noch bis in die frühen Morgenstunden weiter – allerdings planten wir noch etwas anderes: dem 103 Club, direkt neben dem Watergate gelegen, wollten wir sowieso einen Besuch abstatten- und am Samstag beschallten doch tatsächlich die Waxolutionists den Mainfloor. Bionic Kid und DJ Buzz spielten ein gewohnt hochqualitatives Hip Hop Set, am zweiten Floor sorgte eine dreiköpfige Crew namens „Kotelett“ für lustige Techno-Beschallung, die neben solidem Mixing-Handwerk vor allem durch eine unglaublich stylishen jungen Mann im T-Shirt mit Polizeihemdaufdruck (samt gemalter Krawatte!) und echtem Schnurrbart positiv auffiel. Ein angenehmer Ausklang für ein laut Ohrenzeugenberichten nicht untypisches Berliner Ausgeh-Wochenende: ich freu mich jedenfalls schon auf’s nächste, denn natürlich gibt’s da noch massig weiße Flecken auf der Tanzkarte: da wären zum Beispiel die Panorama Bar, das wieder-eröffnete Cookies, das Steinhaus Berlin, diverse Veranstaltungen im legendären Café Moskau auf der Karl-Marx-Alle und viele andere – mehr dazu nach meinem nächste Besuch in der Stadt an der Spree.

Das komplette Fotoalbum zum Berlin-Ausflug gibt’s hier: Berlin 2007 Fotos

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