Österreich: Neuwahlen im Herbst werden Neuqualen

Österreich: Neuwahlen im Herbst werden Neuqualen

Sodala, im Herbst ist’s soweit: was inoffiziell schon vor mehreren Wochen in gewöhnlich ungut informierten Kreisen bereits kursiert und sogar mein weit weg vom politischen Schnellschuss existierendes Ohr erreichte, ist seit heute Faktum und muss bloß noch formal-technisch im Parlament abgenickt werden: in Österreich findet im Herbst eine EM vorgezogene Nationalratswahl statt. Die Fanzonen am Ring werden bereits errichtet. Meine p.t. .de und. ch LeserInnen sind über den vordergründigen Stein des Anstoßes möglicherweise nicht informiert – es trug sich nämlich folgendes zu: seit längerer Zeit verstehen sich die Koalitionspartner SPÖ und ÖVP, die beiden österreichischen Großparteien, nicht mehr besonders gut. Und das kam so:

Im Lichte dräuender Probleme – die niederösterreichische und die Wiener Gebietskrankenkasse drohen in einigen Monaten pleite zu gehen – überwand die Lust auf Spekulation und Aufschub die Freude an der eigentlichen Arbeit. Bundeskanzler Gusenbauer, kürzlich in seiner Funktion als Clubobmann abgelöst, veröffentlichte gemeinsam mit Werner Faymann (Wikipedia: Werner Faymann ist ein österreichischer Politiker. Damit ist eigentlich alles gesagt.) einen Brief in der Kronenzeitung: das jeglichem Populismus nicht völlig abgeneigte auflagenstärkste Blatt Österreichs druckte die Zeilen, in denen die SPÖ-Spitze eine EU-Volksabstimmung fordert und sich generell kritisch zum Projekt Europa äußerte. Das brachte das Fass zum Überlaufen respektive den LKW zum Umkippen: voraussichtlich am Donnerstag wird der Neuwahlantrag im Parlament beschlossen.

Genug der Rückwärtsgewandheit, wie soll’s weitergehen? Soeben diskutierte unter der kompetenten Leitung von Ingrid Thurnherr eine Journalistenrunde, bestehend aus Anneliese Rohrer (Kurier), Armin Thurnherr (Falter) Herbert Lackner (Profil) und Michael Fleischhacker (Die Presse), im österreichischen Fernsehen über die ziemlich unrosigen Zukunftsaussichten. Da fielen Begriffe wie „De-Legitimierung der politischen Klasse“ (Fleischhacker), „inferiore Regierungsleistung“ (Rohrer) und so manche Nettigkeit mehr. Das Schlimme: nix daran ist übertrieben. Der Wahlkampf wird ein kurzer, denn wohl schon im September werden Herr und Frau ÖsterreicherIn an die Wahlurnern gerufen. Nicht genug damit, dass akute Probleme (die oben erwähnten Krankenassen, die gute alte Inflation, die aktuelle Lebensmittel- und Erdölteuerungswelle) smarter Lösungsvorschläge und harter Arbeit bedürfen und vorerst mal jegliche Regierungsarbeit auf unbestimmte Zeit gelähmt bleibt: zu allem Überfluss besteht eigentlich kein realistisches Szenario mit Ausnahme einer Neuauflage der großen Koalition inklusive runderneuertem Personalkader.

Aktuelle Meinungsumfrage-Daten stehen nicht zur Verfügung, alle Experten rechnen aber mit einem (starken) Wählerstimmenverlust für SPÖ und ÖVP: üblerweise wird damit wohl die Ausländer-Basher-Partei FPÖ gestärkt, denn die Grünen stehen derzeit ziemlich schwachbrüstig da. Andererseits wird durchaus mit dem Auftreten neuer Gruppierungen gerechnet: in Zeiten der Politikmüdigkeit und Wählerverdrossenheit dürfte das Entrée für Novizen in der Tat das schlechteste nicht sein. Doch die Zeit bis zur Wahl ist kurz und Werbung kostspielig – ohne Financier(s) geht da gar nix. Mit anderen Worten: der ideale Moment für Didi Mateschitz, um die Red Bull Partei zu gründen… damit könnte Österreich endlich mal in innovatives Zeichen gegen oder für Globalisierung und die Verflechtung von Wirtschaft und Politik setzen – und zugleich beweisen, dass es doch noch schlimmer kommen kann. Denn die meisten „professionellen BeobachterInnen“ (und zu denen zähle ich als Nebenfach-studierter Politikwissenschaftler auch), halten das an sich nicht mehr für möglich.


Fotocredits: Stimmabgabe an der Wahlurne von Alexander Hauk / Pixelio

0 Kommentare
  1. weirdsista
    weirdsista sagte:

    ich fürchte fast, es wird die niedrigste wahlbeteiligung aller zeiten geben, weil sich immer mehr leute denken: was soll das überhaupt bringen, sind eh alles wappler, die sich nicht untereinander vertragen. :neutral:

    die frage ist ja: was wird es ändern? am ende gehen sich vielleicht wieder keine anderen mehrheiten aus. zu erwarten ist auch, dass die SPÖ hauptsächlich die rechnung für das scheitern der regierung bekommt und massiv verliert. während die ÖVP, die nun schon zum 3. mal in folge vorzeitige neuwahlen fordert, weil sie sich immer stur weigert, kompromisse einzugehen und zu verhandeln, die ganze schuld den roten zuschreiben und weit nicht so viel verlieren wird. großer nutznießer der depperten streitereien ist wahrscheinlich leider der strache.

    also abgesehen, dass es unnötig viel geld kostet kommt wahrscheinlich nichts gscheiteres nach. :sad:

    • ritchie
      ritchie sagte:

      Und das halte ich für sehr unwahrscheinlich… aber wer weiß: vielleicht schreiben die beiden ja nächste Woche einen gemeinsamen Leserbrief an Österreich (die Zeitung) oder ans Red Bulletin.

  2. hobbit
    hobbit sagte:

    Naja da kann der Wähler ja mal wieder einen guten job erledigen. Wenn nur genügend hingehen würden. Ansonsten bringen die Wahlen wohl nicht viel, und es kommt wieder zu dem alten Bündnis

  3. Rational
    Rational sagte:

    Frühestens Jänner 2008 wird es eventuell eine neue Regierung geben, bis dahin müssen aber alle Regierungsmitglieder weiter bezahlt werden. Es wird aber nur wahlgekämpft, wofür aber extra bezahlt wird.

  4. Andreas Bergmann
    Andreas Bergmann sagte:

    Mich wundert dann immer wieder, dass die Leute zwar ständig schimpfen, dann aber doch wieder dieselben Parteien wählen, die sie (und ihre Grossmütter) immer schon gewählt haben. Ich spreche hier nicht für die rechten Parteien aber z.B. Grüne (und früher Liberale, vielleicht jetzt wieder) hätten sich doch auch einmal eine Chance verdient, schlechter können sie es nicht machen.
    Aber alle wählen dann doch wieder gleich oder laufen den Populisten nach. Jedes Volk (in einer Demokratie) hat genau die Regierung, die es verdient.

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