Friedbert verfolgt mich mit seinen Social Networks.

Optimale Kontakthäufigkeit oder: Friedbert der Spammer. Eine Verfolgung.

Vor Jahren habe ich ihn kennengelernt auf einer Webveranstaltung. „Kennen gelernt“ ist eigentlich schon zu viel gesagt. Wir wurden einander vorgestellt, tauschten Visitenkarten aus und unsere Wege trennten sich wieder. Vorerst zumindest. Ich konnte mir keinen Reim drauf machen, was er eigentlich tut. Auskunfts-Ansuchen warfen bloß neue Fragen auf: Er sei Investor, habe aber kein Geld. Er sei Inkubator, aber ohne Start-Ups. Vermutlich bloggt er auch (hat aber natürlich kein Blog). Nennen wir ihn der Einfachheit und Anonymität willen einfach Friedbert. Jedenfalls sei Friedbert, so ein guter Bekannter, „ein super Typ und extrem gut connected“. Er bringe seine Erfahrung und seine Kontakte ins Business Development ein und unterstütze mit seiner Expertise im Unterstützen junge Start-Ups. Bloß wobei?

Die Berufsbezeichnung „Business Angel“ auf Friedberts Visitenkarte half ebenso wenig weiter wie eine kurze Recherche im Internet: Der Mann blieb mir ein Mysterium und unsere Wege trennten sich wieder. Bis einige Wochen später im Tagesrhythmus Einladungen zu einem sehr exklusiven „Business Social Network“ in meiner Mailbox aufschlugen. So exklusiv, dass weder ich noch sonst jemand jemals davon gehört haben. Nach den ersten fünf identischen Aufforderungen, mich dort zu registrieren – „meet professionals like you and accelerate your business“ – bekam er mangels Belästigt-mich-nicht Link im Footer einen eigenen E-Mail Filter spendiert.

Von der optimalen Social Media Kontakthäufigkeit

Ich hab seine E-Mail Adresse! Hetzt ihm die Hunde auf den Hals.

Ein gutes Monate später dann dasselbe Spiel: Anderes Start-Up, anderes neues wichtigsten Business-Netzwerk der Welt. „Friedbert möchte sich mit dir verbinden, um über neue Business-Chancen zu reden.“ Ich denk mir verwundert:

Hey Friedbert, du hast meine E-Mail Adresse, meine Telefonnummer und auf Facebook sind wir auch befreundet. Ich glaub, du willst gar nicht reden!

Aber Friedbert scheint permanent ein riesiges Redebedürfnis zu haben. Mehrmals täglich lädt er mich zu Social Networks ein, in denen primär das Gründerteam und deren erweiterte Verwandtschaft networken. Als dieselbe Chose ein halbes Jahr später wieder losging, sah ich keine andere Lösung mehr, als meine Identität zu wechseln oder meinen E-Mail Filter anzupassen. Nach langer Überlegung entschied ich mich für die zweite Variante, den vielen Risiken und Unwägbarkeiten zum Trotz.

IF „from“ OR „subject“ OR „message“ CONTAIN *friedbert* => MOVE TO trash [and empty trash instantly]

Das alles trug sich vor nunmehr fünf Jahren zu. Immer wieder findet Friedbert neue Wege, meinen 360-Grad-Schutzschirm zu durchbrechen („Fridbert“, „Fried-Bert“). Im 3-Monats-Rhythmus wechselt er seine Auftraggeber, bombardiert vermutlich alle Einträge in seinem umfangreichen Adressbüchlein mit Beitrittsaufforderungen und zieht dann weiter. Quasi ein wandernder Spammer.

Nun kennen Humorkritiker jene Komik, die einer Strategie der hartnäckigen Wiederholung innewohnen kann. Grüßt da quartalsweise das Murmeltier?

Kontakthäufigkeit – Ein ernstes Thema

Für jeden, der bei seiner Online-Kommunikation (auch) berufliche Interessen verfolgt, stellt sich die Frage nach der optimalen Kontakthäufigkeit. Wir bewegen uns in einem hochgradig komplexen Mediensystem: Früher gab es mal Push-Medien (alles, von selbst daherkommt) und Pull-Medien (Inhalte, die wir uns aktiv holen), also vereinfacht ausgedrückt E-Mail Newsletter versus Google-Suche. Mittlerweile haben mindestens Filter-Algorithmen und auf Big Data Research basierende personalisierte Werbe-Inhalte ein gewichtiges Wörtchen bei der Zusammensetzung unseres täglichen Informationscocktails mitzureden.

Multiple Touchpoints, wie der Customer Experience Manager die verschiedenen Kontaktmöglichkeiten des Kunden mit Unternehmensbotschaften nennen, unter einen halbwegs homogenen Hut zu bringen, ist schwierig genug. Vielleicht hat Friedberts Strategie ja früher sogar mal funktioniert. Womöglich rät er seinen Start-Up Kunden noch immer, unbedingt hartnäckig bei der Einladungspolitik zu sein, frei nach dem Motto: Wenn erstmal jemand sein Adressbuch hochgeladen hat, dann entscheiden wir, was in weiterer Folge mit den Daten passiert.

Das ist allerdings nicht nur lästig, sondern auch höchst kontraproduktiv. Wiederholung mag ihre komischen Momenten haben, aber wir springen nur auf das an, was bemerkenswert ist, aus der Masse heraussticht, uns neugierig macht. Also so ziemlich das Gegenteil von 100 automatisierten Einladungen zu 10 No-Name Networks in drei Jahren. Schade – denn falls Friedbert mal was echt Interessantes zu sagen hätte, dann werde nicht nur ich das nicht mitkriegen.

2 Kommentare
  1. it_helps
    it_helps sagte:

    Lieber Richtie,

    du hast absolut recht und danke das du das Thema aufgegriffen hast. Es ist aus meiner Sicht vor allem im Bereich des E-Mail Marketing immer ein schmaler Grad zwischen zu-viel-Kontakt und zu-wenig-Kontakt. Aber die typischen Visitenkartensammler ohne echten Interesse und ohne Mehrwert kann natürlich gar nichts. :-)

    Liebe Grüße
    Sebastian, ithelps

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