Papst schafft Vorhölle (ab)

Papst schafft Vorhölle (ab)

Wie neben 1.000 anderen Medien auch der ORF berichtet, schafft der Papst die Vorhölle ab. Jener frenetisch Jubel, den diese Meldung hervorruft, scheint allerdings ebenso verfrüht wie unbegründet: wer sagt denn, dass die vielen dort gefangenen ungetauften Kinder nun in den Himmel kommen und nicht zB in den siebten oder sechsten Höllenkreis, wo halt mehr Platz ist bzw. leere Kinderkrippen verfügbar sind?

Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Situation in der Vorhölle derzeit eine ähnliche ist wie in einer Firma, die kurz vor dem Aufkauf durch einen Liquidator oder einen Heuschrecken-Investor steht und auf ihr Ende, beschönigend als „Restrukturierung“ bezeichnet, wartet. Die Angestellten bangen um ihre Zukunft. Falls sie pragmatisiert sind (und davon kann man bei Teufeln wohl ausgehen), stehen sie zwar keine existenziellen Ängste durch, dennoch bleibt Unsicherheit: werde ich mich an meinem neuen Arbeitsplatz so wohlfühlen wie hier? Falls man iner Vorhölle Radioempfang hat oder ORF On lesen kann, dann dürfte sich die angespannte und nervöse Stimmung inzwischen auch auf die unfreiwilligen Insassen übertragen haben – und stellen Sie sich bloß vor, was für enge Beziehungen sich zwischen einem Kleinkind und seinem Teufel, der ihm möglicherweise seit Jahrhunderten die Windeln wechselt, entstehen. Da werden Adoptivfamilien auseinandergerissen ohne Rücksicht auf menschliche Bindungen – das erinnert irgendwie ans österreichische Asylrecht.

Um all dies besser verstehen zu können, ist für alle, die Datens, Verzeihung Dantes „Göttliche Komödie“ nicht gelesen haben, ein genauer Blick auf gängige Höllentopographie hilfreich. Lassen wir wikipedia sprechen:

Dantes Hauptwerk Die Göttliche Komödie ist eine Art literarische Jenseitswanderung durch Hölle, Fegefeuer und Paradies, mit Wiedertreffen alter Bekannter und Honoratioren aus Florenz, ein Ort fürchterlicher körperlicher Qual mit strafenden Riesen, lachenden Teufeln und abgestuften Strafen. Im hier gezeigten Bild peitschen Teufel z. B. Kuppler und Dirnen. In der Nachfolge Dantes entstand eine Vielzahl genauerer Ortspläne (so die sieben Sündenstufen, die 9 Höllenkreise – die Vorhölle ist als zehnter Kreis gedacht), Lagebeschreibungen und Bewohnerverzeichnisse.

Die Hölle ist im mittelalterlichen Weltbild jener „Einschlagkrater“ den Luzifer bei seinem Sturz aus dem Paradies hinterlassen hat. Er ist ein in 9 konzentrischen Kreisen angeordnetes Loch. Im Mittelpunkt der Erde, dem innersten Höllenkreis steckt Luzifer. Von dort geht es zur südlichen Hemisphäre und zum Purgatorium: dem Läuterungsberg mit seinen sieben Stufen oder Ringen hinauf zu Spitze, dem Ort des irdischen Paradieses, dem Garten Eden. Über ihm wölben sich neun himmlische Sphären, die wiederum umgeben sind vom Empyreum, jener höchst himmlischen Sphäre als Sitz der neun Engelsordnungen und Gottes. In den Höllentrichter kommt man durch das Höllentor. Ist man da hindurch, folgt eine Art Zwischenreich, wo diejenigen geplagt werden, die im Leben zu feige waren, sich zwischen Gut und Böse zu entscheiden.
Aus: wikipedia.de

Die Vorhölle, also jener 10. Kreise, ist quasi die größe Kleinkindkrippe der metaphysischen katholischen Welt. Kurz nach ihrer Geburt frisch verstorbene oder tot geborene Kleinkinder finden sich – vermutlich zu ihrem eigenen Entsetzen – mir nichts, dir nichts im sogenannten „Limbus infantium“ wieder, so sie nicht rechtzeitig getauft wurden. Bedenkt man, wieviele Kinder seit der Erfindung jenes magischen Wasserrituals durch Johannes geboren wurden und wieder ohne Sakrament die Welt verließen, und zieht man weiterhin in Erwägung, dass der „Gott des Alten Testaments“ ja angeblich ein noch zürnenderer Allmächtiger war als der derzeit regierende Aspekt seiner dreialtigen Persönlichkeit, so kann man sich vorstellen, wieviel Kleinkind-Betreuungspersonal in der Vorhölle mittlerweile tätig sein muss. Der limb/i liegt direkt übribens neben dem limb/p:

Entstanden ist die Vorstellung aus der theologischen Frage nach der Unverzichtbarkeit der Taufe für das Seelenheil. Dieser Logik entsprechend gibt es etwa auch einen „Limbus patrum“ – eine Vorhölle für all jene Gerechten, die vor Christi Geburt starben. (ORF)

Die Insassen des Limbus Patrum dürften also noch länger auf ihre 4-Stern-Apartments im Himmel warten müssen. Ganz so feststehend und außer Frage wie das Fegefeuer war der limb/i, wie das Aktenkurzzeichen lautet, allerdings nie – wer nicht Teil der katholischen Doktrin ist, steht eben stets auf wackligen Beinen:

Es geht um den „Limbus infantium“, eine Art Warteraum für all jene Babys, die sterben, ohne getauft worden zu sein. Einer jahrhundertelangen Tradition gemäß – die anders als das Fegefeuer jedoch nicht Teil der katholischen Doktrin ist – halten sich die Seelen dieser Babys in der Vorhölle auf. (ORF)

Der gängigen Version der Geschichte, dass Mr. Pope vor allem aufgrund der hohen Kindersterblichkeit in den Entwicklungsländern limb/i die Vorhölle abschaffen will, sehen indes manche Ketzer nicht als Akt reinen Mitgefühls:

Mit der Abschaffung der Vorhölle geht es dem Papst aber nicht nur um eine theologische Klarstellung. Vielmehr sieht sich der Vatikan in zunehmender Konkurrenz mit dem Islam in Afrika und Asien. Nach islamischer Vorstellung kommen tot geborene Babys direkt ins Paradies – ein nicht unwesentlicher „Wettbewerbsvorteil“ in Ländern mit hoher Kindersterblichkeitrate. (ORF)

Ein Schelm, wer sich dabei Böses denkt! Viel entscheidender ist die Frage: reichen die magischen Fähigkeiten des Papstes, um die Vorhölle zu schließen? Glauben die lutheranischen Protestanten auch an den Limbus Infantium, und wenn ja: wird ihre Vorhölle dann ohne offizielles Einverständnis mitgeschlossen? Was geschieht mit dem Personal? Kommen jene Vorhöllenteufel, die sich durch besonders liebevolle Betreuung hervortaten, mit in den Himmel? War Satan der Parallelbetrieb von Vor- und Haupthölle auf Dauer wirtschaftlich zu ineffizient, und hat er darum seinen Schergen Benedikt den 16. mit der Abschaffung beauftragt? Liegt die Vorhölle im Inneren der Erde, genauer gesagt in jener Gesteinschicht, die unter dem Namen „Quartär“ firmiert und von Geologen abgeschafft werden soll?

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

Schreibe einen Kommentar