Red Bulletin #6: Mehr Dosigkeit geht nicht

Red Bulletin #6: Mehr Dosigkeit geht nicht

Früher mal hat so ziemlich alles, was der österreichische Energiegetränk-Hersteller angefasst hat, Flügel bekommen. Im Formel- und Fußball-Sektor musste die Firma samt ihrem charismatischen Österreich-Geschäftsführer erstmals erleben, dass im Mainstream-Sportbereich andere kommunikative Gesetze gelten als in der extremen Nische. In .at soll das Renommierhefterl Red Bulletin dick auftragen und die printkommunikativen-Bedürfnisse elegant abdecken. Allein: die sechste Ausgabe des permanent relaunchten Druckwerks nähert sich der herkömmlichen An-einen-Haushalt-Postwurfsendung beängstigend weit an.

Doch während bei Aldi zumindest verschiedene Produkte für rudimentäre Abwechslung sorgen, geht’s im RB auf 100 Seiten immer nur um das eigenartig schmeckende Zuckerwasser – sogar New York Times Autor Simon van Booy, verantwortlich für den literarischen Beitrag „Kein besseres Geschenk“, hat in seinen suboptimal übersetzten, aber ansonsten sehr erfrischenden Zeilen, eine Getränkedose misplatziert. Und das ist symptomatisch für das ganze Heft: hier wird unglaublich viel Geld in die Hand genommen, aber irgendwo hakt’s ganz gewaltig: denn gerade die teuren Fotos und Texte funktionieren überhaupt nicht als Verschleierungstaktik für die Überdosis Marktkommunikation. Da engagiert man einerseits Edelfedern wie die exzellenten Food-Journos Christian Grünwaldt oder Christian Seiler (deren Witzigmann-Risotto respektive Modena-Stories sind fast die einzigen, einigermaßen unpenetranten, flockigen Stories) und ist gleichzeitig zu feig – oder zu sehr in den 80ern verhaftet – um auch nur einen einzige Beitrag ohne Product Placement zu riskieren.

Natürlich steht auch bei den Waxos ganz zufällig eine Dose am Tisch; Simon Schreyer hat mit dem Interview übrigens einen recht guten Job gemacht, halt leider ein paar Jahre zu spät – aber als wir anno dunnemal Felix, Buzz und Zuzee am gap-Cover hatten, gab’s ja noch kein Red Bulletin. Ich halte diese Strategie insgesamt für extrem kontraproduktiv. Denn jeder weiß, wo RB herkommt und worum’s geht – man muss die LeserInnen nicht alle 20 Zeilen dran erinnern, wer Druck und Inhalte bezahlt hat. Wenn man ein Suchspiel draus machen könnte, das eine Foto zu finden, auf dem sich kein Red Bull Logo und keine Brand-Erwähnung in der Bildunterschrift findet, dann ist wohl irgend jemand bei der Idee, ein cooles Magazin mit fetten Placement-Möglichkeiten zu machen, weit übers Ziel hinausgeschossen. Somit bleibt mir für diese Mini-Blattkritik eigentlich nur ein Verbesserungsvorschlag: die Nummer sieben würd ich 200 Seiten dicken machen und alle Inhalte nur auf die linken, geraden Seiten drucken. Dann wär noch Platz für 100 großartige Red Bull Getränkedosen, am besten mit Preisangabe. Oder einfach nur 100 Seiten lang „All content and no Red Bull makes Jack an unhappy fool.“

Dass nicht nur RB in den letzten Jahren verstärkt Schwierigkeiten mit der Fernseh-Distribution der eigenen Events hatte, weil sich immer mehr Networks weigern, Sportclips, in denen die Protagonisten aussehen wie visual Testimonials, während jede freie Bande mit dem gleiche Logo zugepflastert ist, als Gratis-Werbeclips abzuspielen, ist eine Sache – dass man am B2C Printsektor voll und ganz auf Overbranding setzt, eine andere; so verspielt Red Bulletin jegliche Möglichkeit, anders als eine Werbebroschüre wahrgenommen zu werden. Aber mit dieser Meinung steh ich sicherlich ganz allein: denn die Leserbriefe suggerieren immerhin eine unvorstellbar enthusiasmierte Fangemeinde. Aber es geht bekanntlich nix über Meinungsforschung: was meinen Sie, werte datenschmutz LeserInnen, zur sechsten Ausgabe des Red Bulletin?

0 Kommentare
  1. wolfgang
    wolfgang sagte:

    ein hoch den kleingeistern!

    natürlich kann/darf/soll man kritisieren, wenn ein gratis-magazin ein land (vorerst) unbestellt überschwemmt.

    machen sich allerdigs diese kritiker auch ebensolche gedanken über „offizielle“ medien des landes? hinterfragen sie die inhalte dort auch so kritisch? macht man sich dort gedanken, ob das z.b. jaguar-inserat nicht uU damit zu tun hat, dass der herr chefredakteur gerade ein neues auto bekommen hat? ist es noch zulässig ein (selbstbezahltes) und (vermutlich manchen zu wenig) offensichtliches WERBEmagazin zu veröffentlichen?

    meinen medienrechtlichen kenntnissen nach nicht …

    worüber würde denn wohl … nehmen wir mal an IKEA … schreiben?! wären dann da möbel von rolf benz abgebildet? bewegte man sich dann nicht zwangsläufig irgendwo in schweden?

    monatsweise über den lebensmittelchemischen inhalt der dose zu schreiben wäre wohl wirklich langweilig. das tut man ja aber auch nicht (obschon es mal nicht schaden könnte, ranken sich doch nich immer die krudesten gerüchte um RB).

    vielmehr geht es doch um die nicht gerade unkomplexe welt von RB – was aber so manchem in kritiklust verlorenem nicht mal auffallen dürfte …

    aber so ist es wohl mit neuem: es erfährt heftige kritik der aus den alten bahnen geworfenen und mit unbekanntem konfrontierten.

    zustimmen tu ich aber in dem punkt, dass das magazin als solches sicher nicht ausgereizt ist!

    • toben
      toben sagte:

      ja, auch die anderen medien des landes, europas und der ganzen welt werden kritisch beobachtet und konsumiert.
      nein, redbulletin ist NICHT opfer unfairer blogberichterstattung, sondern einfach ein schlecht gewordenes corporate publishing magazine for the masses.

      und bitte, was daran soll neu sein?
      was könnte so neu sein, mich aus der bahn zu werfen?

      redbulls marketingleistung besteht in erster linie darin, die behauptung, redbull mache gutes, progressives marketing, weiter rauszuposaunen.

      redbull macht aber konservatives overbranding zur maxime.
      die agenten (und fuschler mitarbeiter) erhalten vermutlich bonuspunkte um verfehlungen innerhalb der redbull markenwelt zu reporten. (ein blick nach polen, da wird die marke gerade durch schutzversuche aus fuschl massiv beschädigt: )

      der „mut“ früherer extremsportaktivitäten ist der doofen feigheit des machtgeilen kontrollwahns gewichen, beim fussball, eishockey und in der media-activity.

      UND was ist da komplex an der welt von red bull?

      hierarchischer gehts kaum:
      ein gott und führer im fuschler vulkan
      im hintergrund die leisen (wenns nach dm geht) aber mächtigen 51% thailhaber (so witzig wären die überschriften im redbulletin)
      die stapoapostel in fuschl und der ganzen welt
      celebrities, die sobald mit dose im bild, „freunde“ sind.
      athleten, angestellt und bei ddr-dr pansold zur untersuchung gemeldet

      die blonden brand bitches in ihren dosen minis

      die trinker

      und ganz unten: caaaptain ivanschitz (different story)

      • wolfgang
        wolfgang sagte:

        neu daran ist, dass es ein derartiges medium in österreich bislang noch nicht gab und sich der durchschnittsbauer vor den kopf gestossen fühlt weil er meint, dass „sein“ abo-geld für solcherlei unfug misbraucht wird.

        und sonst bleib mal einfach am boden: leite deinereins mal einen konzern in der dimension und mache keine fehler. bringe du mal zustande, was RB mit seinem „einzigen“ produkt gemacht hat (das ist – wenn auch natürlich nicht fehlerfrei) ein marketing-geniestreich, der seinesgleichen sucht.

        ein produkt kann man mögen oder nicht. entbehrlich finden oder auch nicht.
        wach auf – wir leben in einer konsumwelt. und da „läuft“ das nun mal so.

        ich weiß aber wirklich nicht, was dich an der sache so aufregt!

        es gibt weit größere konzerne die weit schlimmeres „verbrechen“ als dieser getränkehersteller (microsoft, kirche, USA, …).

        aber ich gönn dir deine probleme und wünsch dir keine größeren sorgen als diese!

        • toben
          toben sagte:

          gönn dir deine probleme selbst, schatzi.

          der durchschnittbauer nimmt das ding doch als werbung wahr.
          da regt sich gar keiner. you missed the point.

          und erfolg heisst nicht, dass ich respekt oder gar ehrfurcht haben muss vor den methoden. das ist ein altes missverständnis, ein sehr österreichisches.

          dichands und fellners pluspunkte in der öffentlichkeit basieren ausschliesslich auf der ebene der „hat es (was?) zu etwas gebracht“ und „sehr erfolgreich, also richtig“ rezeption. hier sollte sich der von dir angesprochene bauer eher überlegen, ob diese art von erfolg auch als argumentation reicht, das jeweilige blatt auch zu lesen.

          im übrigen bin ich schlaflos.

          blah

    • ritchie
      ritchie sagte:

      @Wolfgang: ich nehm an, du arbeitest bei RB mit? Nur soviel: in einem Land, wo die Großgeister RB für das Maß aller Corporate Com halten, bin ich mit Freuden ein Kleingeist.

      @Toben:

      nein, redbulletin ist NICHT opfer unfairer blogberichterstattung, sondern einfach ein schlecht gewordenes corporate publishing magazine for the masses.

      Das seh ich genauso.

  2. David
    David sagte:

    Ich hab mich vor kurzem gefreut, das endlich eine Ausgabe den Weg zu mir gefunden hat. Nach der Werbung mit „das fast unabhängige Magazin“ (oder so) hab ich mir gedacht endlich eine interessante Zeitschrift. Ich war dann aber ziemlich enttäuscht: Für mich wirkt Red Bulletin wie eine firmeninterne Zeitschrift, damit die Mitarbeiter bescheid wissen was sich so neues in den anderen Büros tut.

  3. no comment
    no comment sagte:

    es ist vom eigentümer in keiner weise beabsischtigt, dieses placement dezenter zu machen. eine erste dezente version der zeitschrift wurde verändert. dem eigentümer ist dies zudem immer noch zu wenig placement. der eigentümer erkennt keineswegs die kontraproduktivität. es ist also keinerlei änderung zu erwarten.

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