Schon wieder findet ein Journo Blogger furchtbar

Schon wieder findet ein Journo Blogger furchtbar

Die Abkürzung SZ steht im allgemeinen und besonderen ganz und gar nicht für den Begriff Scheißzeitung für seriöse Berichterstattung, und dass die Grande Dame Bernd Graff Raum zur journalistischen Selbstlegitimation gibt, mag auch angehen. Aber wenn der dann von der Feig- und Dummheit der Massen, dem Unwissen der Hobbyschreiber und so fort berichtet und sein fünfscreeniges Pamphlet auch noch mit dem völlig tendenziöse Teaser beginnt, kann ich das nicht ganz unkommentiert stehen lassen:

Das Internet verkommt zu einem Debattierklub von Anonymen, Ahnungslosen und Denunzianten. Ein Plädoyer für eine Wissensgesellschaft mit Verantwortung.
Von Bernd Graff

Diese Einleitung bedeutet wohl, dass sich der Autor nicht besonders eingehend mit Konzept und Idee der Wissensgesellschaft, wohl aber mit Herrn Gutenberg auseinander gesetzt hat. Kevin Kelly übertreibt, ja, geschenkt. Aber der gelernte Journalist recherchiert ja so toll, dass er das grandioseste Zitat unserer Ex-Kanzler Vranitzky gleich mal Helmut Schmid unterjubelt:

Helmut Schmidts zeitloser Rat, dass derjenige, der Visionen hat, besser einen Arzt aufsucht, scheint nicht mehr viel zu gelten.

Ich habe mich durch den ganzen Artikel gequält, und irgendwann in der Mitte weht der Wind dann nicht mehr ganz so versteckt. Ich finde es immer noch faszinierend, dass Kulturpessimismus und Elitarismus so unheimlich gern in Konzeptunion auftreten:

Aber wieso all das grundsätzliche Halleluja auf den „User Generated Content“, der nicht selten ein „Loser Generated Content“ ist? Wollen wir uns nur über die paar Gala-Vorstellungen freuen, wenn Fehlinformation, Denunziation und Selbstdarstellung das Tagesgeschäft der Laufkundschaft im Netz ist?

Ja, ja. Whatever. Aber eines finde ich in meiner persönlichen Doppelrolle als Blogger und Profi-Journo (die Graff wohl unerträglich schizophren fände) immer wider spaßig: während die einen Schreiberlinge Abgesänge aufs Netz anstimmen, bloggt die andere Hälfte schon längst fleißig… auf meiner persönlichen Lieblingsblog-Liste stehen einige deutsche Professionisten der schreibenden Zunft. Aber die wissen ganz genau, dass sie nicht qua Amt und Würden die „richtige Art zu berichten“ gepachtet haben – und sehen anderen Blogger, die keine Presseausweise besitzen, einfach nur als Kollegen. Das kommt auch viel unverkrampfter und wirkt nicht ganz so lächerlich wie solche Pauschal-Elaborate, die letztendlich nur lauthals vom eigenen Unwillen zur tieferen Auseinandersetzung und Recherche künden – zwei Eigenschaften, die Journalisten ja eigentlich nicht ganz fremd sein sollten.

8 Kommentare
  1. eliZZZa
    eliZZZa sagte:

    Tja, eigentlich schenk ich dem Krankschreiber nur ungern einen Klick, aber Du hast mich natürlich neugierig gemacht :wink:
    Übrigens, vielleicht für Deine Leser auch noch zum Thema Trigami et al interessant – Maki hat mir erlaubt, einen aktuellen Artikel zum Thema Geldverdienen Online zu übersetzen:
    http://www.elizzza.net/2007/12/16/dosh-16-typen-von-profitablen-websites/

    ReadU – ich schulde Dir noch ein Reply auf Dein Mail :oops:
    eliZZZa

  2. Niffchen
    Niffchen sagte:

    Tja, so ist es wenn man dem Wahcstum des Internets so nachhilft, es zum freien unregulierten Raum erklärt und sich dann über etwaige Auswüchse beschwert – solche Meinungen wie die obige gibt es ja auch über das reale Leben, warum soll sich also das Internet vom realen Leben unterscheiden. Hier gibt es auch solche eckerer die alles besser machen würden, aber nur von reden respektive schreiben und nichts tun, jetzt gibt es sie auch auf das Internet gemünzt. Mit genügend Kompetenzen ausgestattet schaftt man es im realen Leben wie im Internet zu Leben, dass man nicht beim Anblick schon Magengeschwüre bekommt … da sollte der Autor nochmal ein bisschen mehr in sich gehen. Das macht ihm dann auch das reale Leben einfacher.

    Gruß,
    Jens

  3. Stefan
    Stefan sagte:

    Deine Einschätzungen zum Graffschen Pamphlet sind ja allesamt korrekt, aber zumindest in Deutschland geht man davon aus, dass der Spruch mit den Visionen in der Tat ursprünglich von Helmut Schmidt stammt. Laut Wikiquote gebrauchte er den Spruch im Bundestagswahlkampf 1980. Da Vranitzky ja erst deutlich später Kanzler wurde, gehe ich davon aus, dass Vranitzky von Schmidt geklaut hat und nicht umgekehrt. (Herr Horx ist i.Ü. der gleichen Ansicht.)

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  1. see it here sagt:

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