Social Media als geschütztes Gewerbe

Social Media Beratung wird reglementiertes Gewerbe

Achtung, Aprilscherz!

Social Media Consulting wird keineswegs ein Konzessions-pflichtiges Gewerbe (zumindest vorerst noch nicht) :saint: Bei diesem Beitrag handelt sich um einen meiner beiden Aprilscherze 2010 – die andere Story finden sie hier.

Wie einem datenschmutz vorliegenden internen Strategiepapier, das in Zusammenarbeit von WKO und dem österreichischen Wirtschaftsministerium entstand, zu entnehmen ist, setzen Politik wie Kammer große Hoffnungen in den Informationssektor. Wie aus aktuellen Untersuchungen hervorgeht, sollen speziell die Bereiche Serverhosting und Social Media in den nächsten 10 Jahren ein gewaltiges Wachstum erleben. Um den Arbeitsmarkt bedarfsgerecht vorzubereiten, wurde im Ministerium vor wenigen Tagen das Planungsgremium „Ausbildung zum Social Media Berater“ gestartet: unter dem Arbeitstitel „PR-Berater für direkte Zweiweg-Kommunikation in Multi-User Internet Umgebungen“ soll in einem ersten Schritt ein genaues Berufsbild erarbeitet werden, das als Grundlage für den Befähigungsnachweis dient – denn Social Media Beratung wird, abgekoppelt von Werbung, PR und IT-Dienstleistungen, eine eigene Sektion in der Wirtschafskammer erhalten und von den sogenannten „freien Gewerben“ wegwandern. Juristische respektive Unternehmens-organisatorische Konsequenzen sind allerdings frühestens Ende 2012 zu erwarten.

Social Media als geschütztes Gewerbe

Frühestens ab diesem Zeitpunkt, spätestens jedoch Mitte 2013, wird zwar jeder, der sich dazu berufen fühlt, weiterhin als Abdecker am Tierfriedhof arbeiten, Aspik erzeugen, Polyesterfolien auf festmontierte Glasflächen aufbringen, Fische räuchern, ja sogar Fallschirme erzeugen dürfen – all diese Berufe erfordern keinerlei Befähigungsnachweis; und die obenstehenden Bezeichnungen sind keineswegs von mir erdacht, eine komplette Liste findet man hier. Angesichts des jüngsten Quargelskandals mag man sich durchaus über so viel Laissez-Faire bei Aspik und Fallschirmen (immerhin haben Produktionsfehler hier gröbere Konsequenzen als etwa bei Fußabstreifern) wundern – welchen Schaden soll da im direkten Vergleich schon ein Tweet anrichten? Im Extremfall keinen geringen, so ein Experte und Hochschulprofessor in seinem Fazit zur erwähnten Expertise (Name des Autors datenschmutz bekannt):

Das Internet wird immer mehr zum wirtschaftlichen und informationellen Rückgrat unserer Gesellschaft. Neben persönlicher Belustigung und Informationssuche werden online häufiger politische Informationen ausgetauscht und gesellschaftliche Meinungen strukturiert. […] Es ist daher davon auszugehen, dass mit dem Berufsbild des Social Media Experten eine besondere Verantwortung einhergeht, vergleichbar mit der Sonderstellung des Journalisten-Berufes in westlichen Demokratien. […] Da das Internet als individualistisches Medium vor allem auf Selbstverantwortung setzt, scheint die Etablierung eines Kontrollgremiums weder realistisch noch zureichend. Eine verbindliche Ausbildung bietet Österreich die Chance, innerhalb der EU federführend Standards zu setzen und einen kompetitiven Wettbewerbsvorteil zu erringen.

Nachvollziehbare Gedankengänge – die mit einigen handfesten Vorteilen verbunden wären: Neugründer müssten sich nicht mehr überlegen, ob Ihr Unternehmen in die Sparte EDV-Dienstleistungen oder Werbung fällt, Social Media Beratern der ersten Generation böten sich ganz neue Job-Perspektiven am Lehrsektor. Weitgehend unklar scheint allerdings das geforderte Skill-Spektrum zu sein. Kein Wunder, denn ein Berufsbild abseits aktueller Trends universal gültig zu formulieren, stellt eine beträchtliche Herausforderung dar.

Ausbildung zum zertifizierten Social Media Experten

In Rücksichtnahme auf die Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen ist nicht davon auszugehen, dass Social Media Beratung zu einem Lehrberuf wird. Und natürlich muss niemand Angst davor haben, dass plötzlich Hundertschaften von AMS-Kunden mit unserem Steuergeld zu Facebook-Spammern ausgebildet werden. Denkbar ist vielmehr, wie mir ein Mitglied der Arbeitsgruppe verriet, eine zu anderen Berufen analoge Vorgehensweise: so könnte etwa ein akademischer Abschluss aus einem themenverwandten Fach (Informatik, Kommunikationswissenschaft, Medien-Meisterklassen an Kunsthochschulen, Fachhochschul-Lehrgänge, die das Wort „Medien“ oder „Social“ im Titel oder der Kurzbeschreibung enthalten, mit Ausnahme von „Social Studies“) das Äquivalent zur Berufszulassung darstellen. Die soll grundsätzlich, dieser Konsens wurde bereits zwischen Wirtschafts- und Innenministerium erzielt, im Wesentlichen auf dem EU-weit standardisierten Computerführerschein als Grundstock aufbauen.

Sind also wie im Straßenverkehr verschiedene Führerscheinklassen denkbar, á la A für Netbook-Surfer mit und ohne 2. Prozessorkern, B für private Netzwerke mit bis zu acht Computer-Sitzplätzen, C für Serverräume bis 7500kg und D für vollbesetzte Twitter-Trains? Mitnichten, es geht vielmehr darum, „entscheidende Kenntnisse und eine mit bloßem Hausverstand nicht sicher zu stellende Sensibilität im Umgang mit modernen Medien“ zu gewährleisten; und die fehlt in der Tat etlichen Social Media Beratern. Die Ausbildung soll mindestens 18 und längstens 24 Monaten dauern, darüber konnte bereits Einigkeit erzielt werden. Da aber davon auszugehen ist, dass die Standardisierung der Ausbildung respektive des Befähigungsnachweises länger dauern wird als die gesetzliche Einführung des geschützten Gewerbes Social Media Beratung, werden die zuständigen Stellen in der Übergangsfrist von 2012 bis 2014 sicherlich bei der Gewerbescheinvergabe ein Auge zudrücken.

Bestehende Agenturen, die in ihrer Führungsmannschaft keine Publizistik- oder EDV-Absolventen beschäftigen [also so gut wie alle, Anm. von datenschmutz], müssen sich keine Sorgen über einen allfälligen Teil-Portfolio-Entzug machen: in einer mindestens einjährigen Übergangsfrist wird allen Unternehmern, die Social Media Beratung in ihrem Portfolio haben, ausreichend Gelegenheit zur Nachschulung geboten.


Full Undisclosure: Ich werde laufend über die ministeriellen Bemühungen, aus Social Media Beratung einen ehrbaren Beruf zu machen, berichten, bin aber keine/r Unbeteiligte/r – denn gemeinsam mit zwei anderen Bloggern, Consultants und Universitätslektoren (also insgesamt acht Personen) habe ich die Ehre und das Vergnügen, Teil des Beratungsgremiums der Begutachtungskommission zu sein, welche die Vorschläge der Arbeitsgruppe auf Herz und Nieren prüft und kommentiert.


16 Kommentare
  1. XAVA Media
    XAVA Media sagte:

    Wenn es soweit ist, dann mache ich sofort einen Ausbilderschein für diesen Beruf ;-)

    Aber mal Spaß bei seit. Ich denke es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis es „Social Media Marketingkaufmann/-frau“, oder „Suchmaschinenoptimierer/-in“ etc. als Ausbildungsberufe geben wird.

  2. nic_ko
    nic_ko sagte:

    Oh… ich bin auch voll drauf reingefallen… hab mich schon gefreut, dass ein PUKW Studium endlich mal für was gut sein könnte;)))
    (Heuer der einzige Aprilscherz, den ich geglaubt hab)

  3. Nico Schweinzer
    Nico Schweinzer sagte:

    Mann Ritchi!!!

    Da hast du mich aber richtig reingelegt! Das war der EINZIGE Aprilscherz, den ich geglaubt habe (und mich entsprechend grün und blau geärgert habe, ala „typisch Österreich“ etc.). Hab erst heute gesehen, dass es ein Aprilscherz war *lol*

  4. Erla Kling
    Erla Kling sagte:

    Vielen Dank für diesen Beitrag zur Social Media Beratung. Spannend, dass dies nun zu einem ordentlichen Gewerbe wird, das dann auch Kontrollen unterliegt. Ich könnte mir durchaus vorstellen, eine Ausbildung zum Social Media Berater zu machen, falls dies in der Zukunft möglich sein wird.

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