Soziale Netzwerke öffnen sich

Soziale Netzwerke öffnen sich

oe1Seit das Zauberwort im Netz 2.0 Interaktion lautet und kaum eine Seite ohne Freundesverwaltung oder zumindest Kommentarfunktion auskommt, kennt jeder Surfer die Crux mit den vielen verschiedenen Logins und Passwörtern aus leidvoller eigener Erfahrung – spätestens bei der zehnten Registrierung vergeht die Neugier so plötzlich, wie sie nie gekommen ist. Man könnte fast geneigt sein, Rilke zu paraphrasieren: „doch hinter tausend Logins keine virtuelle Welt…“ [[Ö1 Netzkulturkolumne, veröffentlicht auf oe1.orf.at]

Nach dem Willen Googles soll das Zauberwort, das die Passwort-Misere endgültig löst, hinkünftig Open Social heißen: wie von Big Gs eigenen Services gewohnt, könnte eine einzige Usernamen-Passwort-Kombi der magische Schlüssel zu allen beteiligten Partnerseiten sein. Doch die großen Social Networks Myspace und Facebook wollen dem Platzhirsch der Informationssuche eines der wichtigsten zukünftigen virtuellen Geschäftsfelder keineswegs so ganz kampflos überlassen. Und mit dem neuesten Vorpreschen ist das Thema digitales Identitätsmanagement drauf und dran, sämtliche nationalen Privacy-Gesetzgebungen ganz pragmatisch in der Innenkurve zu überholen.

Neben Googles Initiative existiert schon seit längerer Zeit das Betreiber-unabhängige OpenID-System, ein Framework für das Austauschen der eigenen Identität quer über verschiedene Webseiten hinweg. Wer das Bedürfnis dazu verspürt, einen OpenID Server zu betreiben, kann dies tun – hat man sich einmal bei einem solchen Server registriert, gibt man in weiterer Folge einzelnen Websites, die OpenID unterstützen, die dezidierte Erlaubnis, auf die eigenen Daten, die zentral auf besagtem Server gespeichert sind, zuzugreifen.

Dennoch war weder OpenSocial noch OpenID bislang Erfolg auf breiter Basis vergönnt – doch diese Woche kündigte Myspace sein neues „Data Availability“ Programm an: Bereits in Kürze soll es möglich sein, die eigenen Myspace-Accountdaten mit zusätzlichen Services wie Twitter oder Photobucket zu synchronisieren – also ein bereits bestehendes Profil zu verwenden, anstatt sich irgendwo neu zu registrieren.

Diese Ankündigung löste hektische Aktivität bei der Konkurrenz aus. Nur zwei Tage später kündigte Facebook ein weitgehend identisches System namens Connect an, an dem derzeit ebenfalls mit Hochdruck gearbeitet wird. Martin Weigert schreibt dazu in seinem Blog Webzweinull.cc:

Ging es bisher hauptsächlich darum, innerhalb eines mehr oder weniger abgeschlossenen Raumes mit anderen Menschen zu kommunizieren, so sind Myspace, Facebook und Google (bzw. OpenSocial-Partner) dabei, diese Räume zu öffnen, so dass Personen ihre Kommunikation auch andernorts fortführen können. Das Motiv dabei ist klar: Wer jetzt nicht mitzieht, hat später keine Chance mehr, selbst zum „Mutternetzwerk“ zu werden. Dieser Status ist aber (für die großen Player) notwendig, um Mitglieder langfristig an sich zu binden und eine bestmögliche Ausgangsposition für die Monetarisierung des Social Webs zu haben.

Ein genauer Startzeitpunkt ist weder für Facebook Connect noch für Myspace Data Availability bekannt. Eines aber zeigen die eilig verschickten Pressemeldungen ganz überdeutlich: von der Vorstellung, jemals eine allein-selig-machende all-in-one Lösungen sein zu können, haben sich die großen Player längst ebenso verabschiedet wie seinerzeit Ende der neunziger Jahre alle großen Portale einsehen mussten, dass eine einzige URL niemals das ganze Internet ersetzen kann – also stürzen sich Myspace, Facebook und Google nun jeweils mit größtem Nachdruck darauf, zum „Mutternetzwerk“ der digitalen Identitätsverwaltung zu avancieren.

0 Kommentare
  1. giwreh
    giwreh sagte:

    Allerorten liest man jetzt, dass sich die Netzwerke öffnen, obwohl diese Formulierung doch in einige Irre leitet: Es wird soweit geöffnet, wie die eigene Kontrolle gewährleistet ist und Facebook blockt bereits Googles Friend Connect: http://www.zdnet.de/news/tkomm/0,39023151,39190981,00.htm

    Wenn nur ein einziger wenigstens mäßig großer Service das ganze _wirklich_ offen gestaltet wurde, am besten mit user-verwalteten FOAF-Files (denn genau hierfür sind die doch gedacht), dann wäre ein Ende mit den greedy data monopolism. Oder sich einfach an die DataPortability BestPractices halten würde, grrr.

    • ritchie
      ritchie sagte:

      Ja, das stimmt… aber dem stehen halt leider massive wirtschaftliche Interessenb entgegen. Ich hab mir die Techcrunch-Bericherstattung zur Causa FB Connect/Google angeschaut und die „offizielle“ Begründung ist ja, dass die FB-User in den Privacy-Settings keinerlei Möglichkeit haben, Daten-Sharing zu widerrufen; aber im Prinzip geht’s da ja nur darum, wer schneller die kritische Masse erreicht.

  2. Musashi
    Musashi sagte:

    Natürlich stehen da massive wirtschaftliche Interessen dahinter. Aber insgesamt ergibt das wahrscheinlich dennoch interessante Chancen auch für kleinere Netzwerke. Die Einstiegshürde irgendwo Mitglied zu werden sinkt einfach, wenn man nicht den ganzen Schmarrn nocheinmal eintippen muss.
    Aber die konkreten Realisierungen wird man sich natürlich genau anschauen müssen.

    • ritchie
      ritchie sagte:

      Das stimmt defintiv… man kann dann halt einfach „schnell mal reingucken“; aber dafür ist auch eine One-Time (bzw. zeitlimitierte) Usage der Daten (und zwar unter Kontrolle des Users) ganz wichtig. Ich hab da recht viel nachrecherchiert und kann gut nachvollziehen, warum Facebook mit der Google-Lösung ganz und gar nicht glücklich ist.

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