d-news Kolumne: Das Netz und die Musik

d-news Kolumne: Das Netz und die Musik

sraFadi hat mich eingeladen, auf der neu relaunchten SRA-Seite eine monatliche Kolumne über das Thema Musik und Web 2.0 zu schreiben. Meine erste eigene regelmäßige Online-Publikation waren die „d-news“, ein zweiwöchentlicher Newsletter über mp3 und digitale Musikdistribution, den ich von 1999 bis 2001 an über 500 AbonnentInnen verschickt habe. Seit damals hat sich viel verändert, Napster spielt keine Rolle mehr und neben E-Mule und Co. existieren zahlreiche legale Shops und Online-Labels. Social Communities wie myspace haben die „Demotape-Kultur“ quasi demokratisiert, und immer mehr Musiker agieren nicht nur als Kreative, sondern kümmern sich zugleich selbst um Aspekte wie Distribution, Vermarktung und Booking.

Das Zeitalter der großen Majors scheint vorbei, trotz iPod und Co. vermiesen user-unfreundliche DRM-Systeme immer noch weite Teile des legalen Musikgenusses. Strukturen werden kleiner, Produzenten und Musiker vernetzen sich: noch nie waren Kollaboration so einfach abzuwickeln wie über das Netz. Musik produzieren wird auch technologische einfacher, Studiozeit oder sogar Homestudios immer leistbarer, in bare Münze lassen sich klingende Töne aber anscheinend immer schwieriger verwandeln. In meiner SRA-Kolumne, die auch hier auf datenschmutz erscheint, werde ich regelmäßig über meiner Meinung nach besonders spannende Beispiele für Überschneidungen von Netz- und Popkultur berichten – viel Spaß beim Nachlesen und -surfen. Über Kritik, Anregungen und Tipps freu ich mich natürlich.

SRA Kolumne #1: Raubkopieren ist nur die halbe Wahrheit

Das Internet greift auf vielfältige Art und Weise in das weite Feld der Musikproduktion und -distribution ein: in den vergangenen Jahren zeichneten die Massenmedien, vorwiegend dank finanziell durchaus aufwendiger IFPI-Kampagnen, ein durchwegs verzerrtes Bild: von Raubkopierern und dem Ende kontemporären Kulturschaffens war häufig die Rede, während die riesigen Chancen der Vernetzung und Direkt-Distribution allen Beteiligten erst langsam bewusst werden.
erschienen auf SRA.at

Um eine typische Kategorienverwechslung zu vermeiden, hilft die klare Trennung zwischen Musikindustrie und Musik, denn trotz anderslautender Beteuerungen waren ökonomische Gründe nie die einzige Motivation für Musikschaffende. Zweifellos stimmt die Feststellung, dass die seit den 50er Jahren konsequent gewinnoptimierten Distributionsstrategien der Major Labels durch verschiedenste Online-Dienste unter Druck geraten sind – doch in dieser Kolumne wird nicht von strukturellen Vertriebsproblemen die Rede sein, sondern vom anderen Ende des Spektrums: von jenen Möglichkeiten, die das Netz Musikern bietet, um in Echtzeit zu kooperieren, um ihre Arbeit zugänglich zu machen und um sich zu vernetzen.

Denn das Read-Only Internet der 90er Jahre ist nach und nach zum vielzitierten Web 2.0 geworden. Aus passiven Usern werde aktive Mitgestalter, und was belächelte Home-Use Programme wie Magix Musicmaker vor einigen Jahren am heimischen PC leisteten, funktioniert inzwischen als browser-basierte Multi-User Anwendung. Von Napster zum digital vernetzten Studio: das Internet wird zum Spielplatz und zur virtuellen Begegnungsstätte von Musiker und ihren Fans: die wollen sowieso miteinander kommunizieren, und da das Internet die geeigneten Werkzeug dazu bereitstellt, liegt die „Migration“ von immer mehr Bereichen auf der Hand: wie das Beispiel von last.fm nachdrücklich zeigt, ist das Internet nicht bloß günstiger Vertriebskanal: das hässliche Wort Musikmarketing bedeutet im Idealfall ja eigentlich nur, dass Musikhörer miteinander kommunzieren und eben jene Tunes, die sie interessant finden, weiterempfehlen. Diese Art der Verbreitung war früher auf direkte persönliche Kontakte beschränkt – wenn aus dem Schulhof plötzlich potentiell die ganz Welt wird, dann zittern „professionelle“ A&Rs zu Recht um ihren Job – für die Kulturschaffenden, die definitiv nicht die Hauptbegünstigten des Musik-Business waren, sind das in der Tat erfreuliche Aussichten!

In der nächsten Ausgabe: was Social Communities für MusikerInnen tun können.

7 Kommentare
  1. Musikaldehyd
    Musikaldehyd sagte:

    Ich finde nicht, dass Probleme wie Raubkopien in so einer Kolumne ausgeblendet werden sollten (falls ich dich da richtig verstanden habe, dass du nur auf die Möglichkeiten wie Vernetzung, direktes Feedback, usw. eingehen willst).

    Das Internet hat, wie jede Medaille, zwei Seiten. Und der Umbruch in der Musik-Industrie hat nun mal sowohl positive als auch negative Seiten, die es beide wert sind aus einem neutralen Blickwinkel beleuchtet zu werden.

  2. ritchie
    ritchie sagte:

    @Musikaldehyd: nein, da bin ich ganz deiner Meinung – ich möchte das Thema nicht ausblenden; dennoch bin ich fest davon überzeugt, dass das derzeitige Major-Distributionssystem keineswegs in erster Linie den Musikern nützt, sondern einem Industriezweig, der in den letzten 40 Jahren geradezu absurde Profite eingefahren hat.

    In diesem Bereich bietet das Internet komplett neue Möglichkeiten, sowohl promotion- als auch distributionstechnisch. Und auf die möchte ich vor allem aufmerksam machen – die „negative“ Seite der Medaille wälzt eh die IFPI ausgiebig aus, nicht zuletzt mit diesem „Unterrichtskoffer“ zum Thema Urheberrecht.

  3. fadi
    fadi sagte:

    Ritchie: Merci für deine Kolumne.
    Wir freuen uns, dass durch d-news ein interessanter Diskurs passiert.

    Wir, als SRA, versuchen vergessene, vergangene und unausgeschöpfte österreichische Musik wieder in das Bewußtsein zu rücken, den „long tail“ zu aktivieren. Dies ist uns mit zwei Aktivitäten gelungen. Dem Musiktank im Museumsquartier & im Haus der Musik, wo Kunden sich ihre eigene CD mit Musik aus Österreich zusammenstellen können und diese vor Ort gebrannt bekommen. Eine legale Möglichkeit sich mit Musik aus österreich zu versorgen, die meist schon aus den Regalen verschwunden ist.
    Eine Liste kann man bei office@sra.at anfordern. Wir brennen auch für Menschen von ausserhalb.
    Weiters gibt es eine digitale Downloadstation im Beta-Stadium unter http://www.musiktank.at

    Für inhaltliche Diskussionen über das pro und con zu Urheberrecht, Musikbusiness, Piraterie, etc. ist in Österreich das mica eine gute Diskursplattform, wir sehen uns da eher als klassisches Archiv, dass aber ohne Staub mit zeitgemäßen Mitteln Musikvermittlung betreibt.

    http://www.sra.at

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