TEDx Pannonia: Inspiration mitten im Burgenland
Danke an Hermann Gams, Manuel Gruber und Harald Katzenschläger – das Team der Dream Academia hat’s möglich gemacht, dass ich heute meine allererste TEDx Konferenz besuchen konnte. TEDx Konferenzen sind Spin-Offs des mittlerweile immens populären TED Formats, das unter dem Motto „Ideas worth spreading“ die Netzwelt regelmäßig mit fantastischen Vortragsvideos versorgen. Ähnlich wie beim Barcamp kann jeder, der ausreichend Motivation, Zeit und Organisationstalent mitbringt, die Idee fortführen: die unabhängigen Spin-Offs heißen TEDx und müssen einige Vorgaben der Erfinden erfüllen.
Update, 26.10.2010: Alle Videos der TEDx Pannonia-Talks sind mittlerweile online: TEDx Talks
Inhaltlich könnte der Anspruch kaum höher gesteckt sein, das Format der Konferenz dagegen ist recht strikt geregelt:
Spirit/purpose: Your TEDx event must maintain the spirit of TED itself: cross-disciplinary, focused on the power of ideas to change attitudes, lives and ultimately, the world.
Format: A suite of short, carefully prepared talks, demonstrations and performances on a wide range of subjects to foster learning, inspiration and wonder — and to provoke conversations that matter. The typical presentation should be an 18-minute talk by a single presenter. No panels. No break-out sessions. Usually: No podium.
Die im Vorjahr für Wien angekündigte TEDx verschwand ja leider spurlos in den Untiefen des Netzes – umso mehr habe ich mich auf den Ausflug in die burgenländische Villa Vita gefreut. Dan und ich kamen genau richtig zur Freestyle Show an, Respekt an die BMX Rider! Auf dieses überraschende Outdoor-Intro folgten 6 hochgradig inspirierende Stunden – behauptet zumindest meine Uhr, subjektiv kam’s mir eher so vor, als hätte der Architekt einen Flux-Kompensator ins – passend zum Thema „New Energy“ energieautarke Gebäude – eingebaut. Dan, der unter anderem für Mindmeister die digitale Marketing-Trommel rührt, war als „embedded Mindmapper“ vor Ort, seine Zusammenfassung ist hier zu bewundern. Die Konferenz bestand aus vier Tracks á drei Sessions – im diesem Beitrag habe ich meine persönlichen Highlights kurz (*räusper*) zusammen gefasst. Die Videos aller Talks werden in Kürze online verfügbar sein – schauen Sie sich das unbedingt an: soviel Optimismus, Energie und inspirierende Ideen sind das probateste Mittel gegen Zukunftspessimismus!
Wolfang Sator über E-Mobilität
Nach dem genialen kombinierten Mini-Stretching / Handy-Abdreh Intro des Moderators betrat Wolfang Sator als erster die Sprecherbühne. Der österreichische Pionier des Elektroautos wusste erstaunliche Fakten und Mythen zum nicht gerade unbelasteten Thema „Mobilität“ und „fossile Brennstoffe“ zu berichten – selten haben ich einen derart unvoreingenommenen, humorvollen und unverkrampften Vortrag zu diesem Thema gehört. Das Elektro-Auto, so der erfahrene Praktiker, hat eine lange Geschichte: dass sich der fossile Brennstoffmotor durchsetzte, hatte von Beginn der Automobilgeschichte an nicht unwesentliche Image-Gründe: die „Kings of the Road“ fuhren eben auf Verbrennungsmotoren ab, mit Zuverlässigkeit und Praxistauglichkeit hatte das offenbar von Beginn an recht wenig zu tun. Interessante Fußnote: die E-Autos der 70er Jahre verwendeten Eisen-basierte Batterien, im Gegensatz zu den heute üblichen Blei-Gel-Akkus. Der einzige Grund, so Wolfgang Sator: erstere lassen sich recht leicht fast beliebig oft „revitalisieren“, zweitere müssen nach wenigen Jahren ersetzt werden – die Hersteller haben hier natürlich ganz klar Präferenzen.
Oleksandr fotografiert ein Mitglied der Percussion-Gruppe „Chaos“, die für einen groovigen Abschluss der TEDx sorgte.
Matthias Horx: Wie wollen wir zukünftig wohnen?
Den zweiten Talk gab Zukunftsforschungs-Schwergewicht Matthias Horx: der populäre Autor und Vorausblicker gehört zu den gefragtesten Vortragenden des deutschen Sprachraums – und ist offenbar ein glühender Fan des TED-Konferenzformats. In seinem Vortrag warf er die Frage auf, was die Häuser der Zukunft – und zwar abseits technologischer Vollausstattung und – vernetzung – eigentlich lebenswert macht. Videokonferenz-Setups zwischen Toilette und Wohnzimmer nennt Horx passenderweise „Ruinen der Zukunft“, denn die eigentlich Herausforderung liegt laut Horx in neuen Lösungen, die eine Balance zwischen Arbeit und Privatleben architektonisch ermöglichen und unterstützen.
Nein, das klingt definitiv nicht nach Webcams und Terminals in jedem Raum – vielmehr müssen architektonische Entwürfe die veränderte Lebenssituation respektive die Restrukturierung von Arbeits-, Privat- und Berufsräumen bedenken.
Claus Schnetzer: das Palettenhaus
Derartige Überlegungen haben in hochgradig differenzierten und wohlhabenden Regionen natürlich ihre Berechtigung, müssen aber der „Zielgruppe“ des „Project Palettehouse“ wie absurde Luxusprobleme erscheinen: Claus Schnetzer hat im Rahmen eines Forschungsprojekts eine unglaublich simple und praktikable Möglichkeit gefunden, eine Art Lo-Tech Pendant zum Niedrigtemperaturhaus zu bauen. Sein primäres Baumaterial sind die allseits bekannten Holzpaletten, die mittels eines äußerst simplen, selbsttragenden Systems verbunden werden.
Neben den Paletten sind dazu lediglich ein paar Holzpfosten sowie eine Abdichtfolie erforderlich. Das besondere daran: solche Paletten sind so gut wie überall verfügbar, nicht zuletzt in Krisengebieten, die mit Hilfslieferungen versorgt werden. Bisher waren diese Paletten bloß ökologisch unbedenklicher Abfall – Schnetzers Idee verwandelt sie in wertvolles Baumaterial, mit dem sich in kürzester Zeit Strukturen errichten lassen, die beispielsweise ohne weiteres als Not-Hospital dienen können. Klingt nicht nur genial und hat mich schon beim Vortrag schwer beeindruckt. Im Anschluss an die Konferenz durften wir dann ein solches Palettenhaus „in echt“ bewundern – ein Wahnsinns-Beispiel für sprichwörtliches „Out-of-the-box Thinking“.
Peter Purgathofer: The radical portfolio
Peter Purgathofer ist ein Mann der Theorie und der Praxis. Er stellte sein „Radical Portfolio“ vor: als Universitätsprofessor macht sich Purgathofer nämlich weit mehr Gedanken über Didaktik als die meisten seiner Kollegen, und aus seinen Beobachtungen zieht er durchaus radikale Schlüsse:
You can either pass a test or your can learn something. Not both. We’re trying to reconcile those.
In seiner Vorlesung, so Purgathofer, will er seinen Studenten 5 grundlegende Prinzipien vermitteln. Laut den Evaluationsergebnissen gelte er als sehr guter Vortragender (was jeder, der mal eine Purgathofer-Vorlesung besucht hat, aus eigener Erfahrung bestätigen kann), außerdem bemühe er sich um interessante Gestaltung. Da drängt sich natürlich die Frage auf: Lernen Studenten bei „guten“ Vortragenden mehr? Laut Peter Purgathofer nicht; die wirkliche Stärke liegt im interaktiven Lernen, und nicht in der Optimierung des Frontalvertrags.
Peter Purgathofer setzt Social Media in seiner Vorlesung ein – auf beindruckend komplexe Weise und mit überzeugenden Resultaten.
Purgathofer setzt verschiedene, an seine didaktische Methode und die Inhalte seiner Vorlesung angepasste Tools an, beispielsweise eine Art Twitterwall, über die Studenten schon während der Vorlesung miteinander diskutieren. Die Idee mag Anhänger klassischer Vorlesungsformate geradezu absurd erscheinen, denn schließlich soll der Student ja nicht vom Vortrag des Professors abgelenkt werden! Oder vielleicht doch? Entspricht womöglich diese „Spaltung“ unserer Aufmerksamkeit, diese gänzlich neue Art, auf verschiedenen Wegen Information und Meta-Information aufzunehmen, diese Fragmentierung der Linearität einer grundlegend veränderten Kommunikationssituation?
Social Media bleibt bei Peter Purgathofer nicht auf den Live-Einsatz während der Vorlesung beschränkt: anstatt einer Abschlussprüfung müssen die Teilnehmer im Lauf des Semesters diverse Übungen absolvieren, die wiederum im Double-Blind-Verfahren von Kollegen bewertet werden. Bewertet wird anhand eines Punktesystems – und Punkte gibt’s nicht nur für die Übungen selbst, sondern auch für sinnvolle Beiträge zur Weiterentwicklung des eLearning Systems. Seit 2 Jahren setzt Purgathofer dieses Crowd-gestützte Lernen ein, und zwar mit durchschlagendem didaktischem Erfolg. Somit erhärtete er eine Vermutung, die ich schon lange hege: der Erfolg internetgestützter didaktischer System hängt nicht in erster Linie von der Elaboriertheit oder dem Feature-Reichtum der jeweiligen Plattform ab, sondern von einer sinnvollen Integration ins didaktische Gesamtkonzept.
Social Media bedeutet in erster Linie, das betone ich immer wieder in meinen eigenen Vorträgen und Workshops, das Dialoge, die bisher nur offline stattgefunden haben, sich mittlerweile auch im Netz abspielen. Natürlich diskutierten Studenten immer schon vor, nach und manchmal auch während der Vorlesung die Ideen und Informationen, die ihnen ihr Professor lieferte, völlig unabhängig vom Internet. Selbstverständlich war „soziales Lernen“, also der Austausch mit den Mitstudenten, Gruppenarbeiten, gemeinsame Forschungsprojekte etc., seit jeher ein zentraler Bestandteil des didaktischen Prozesses. Wir betreten hier also keinesfalls völliges Neuland, aber die Technologien, die wir mittlerweile zur Verfügung haben, können diesen Austausch sehr effektiv unterstützen, intensivieren und dokumentieren.
TEDx Pannonia: Da Capo!
Nochmals ein riesengroßes Kompliment an alle Organisatoren und Mitarbeiter – danke für einen großartigen, inspirierenden Tag! Ich freue mich, dass Manuel, Katzi und Hermann bereits fest mit der TEDx Pannonia 2011 rechnen – und eines kann ich euch jetzt schon androhen: bei der nächsten Auflage bewerbe ich mich für einen Vortrags-Slot :frog:
Thanks to all guests, speakers and team members for an unforgetable first Austrian TEDx-Event. Ritchie Blogfried… http://fb.me/sFtUbdnu
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Echt ein guter Artikel! Im Übrigen ist der Blog auch echt sehr informativ!
Muchos gracias!
Alles gesagt, was ich nicht auch gesagt hätte. Wundervoller Event, gute Location und ja, es hat Lust gemacht auf mehr.
War wirklich sehr gelungen der Event es hatte sogar zwischendurch etwas von Social-Familie :king: .
We – are – family / all – my TED brothers, sisters and me. *frog3*
TEDx ist immer gut. Ich schaue mir die Videos regelmäßig an und kann es nur jedem ans Herz legen dies auch zu tun.
Da kann ich nur zustimmen; mein Einstieg war Hans Rosling, seitdem verfolg ich die TED Talks auch immer – einer der wenigen Newsletter, auf die ich mich jedes Mal freue.
Ich bin seit ca. eineinhalb Jahren begeisterter TED-anhänger. Das Wunderbare ist, dass TED tatsächlich die Welt verändert, in kleinen Schritten zwar, aber es erreicht genau die Leute, die die Ideen weitertragen. Ich habe durch TED tatsächlich auch Kleinigkeiten im eigenen Leben angepasst.
Allerdings sind die Vorträge auch unglaubliche Produktivitätskiller. Ich schau halt nur auf Arbeit :)
Ja, da kann man schnell mal einen Nachmittag verbringen auf der TED-Seite; vor allem, weil die Frequenz der Vorträge ständig ansteigt.