Über die Arbeitsbedingungen der modernen Gatekeeper

Über die Arbeitsbedingungen der modernen Gatekeeper

Gatekeeping im WandelPassend zur aktuellen Debatte, warum deutsche Medienjournalisten soviel Zeit haben, mit Twitter und Facebook rumzuspielen, wo sie doch eigentlich andere User, die mit Facebook und Twitter rumspielen, über Twitter und Facebook interviewen sollten, fragt Günter nach den Schwerarbeitsbedingungen österreichischer Online-Journalisten. Die E-Mail trägt Siegel der Mediengruppe Online, bei der es sich, anders als der Name vermuten lassen könnte, keineswegs um radikal-aktionistische Medienkünstler handelt, sondern um eine Interessensgemeinschaft österreichischer Netzjournalisten

In Kooperation mit der Journalistengewerkschaft der GPA-djp werden anonym harte Daten und Fakten über die tägliche Einfuhr ins virtuelle Buchstabenbergwerk erhoben:

Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Bedingungen und Akzeptanz für Online-JournalistInnen zu verbessern – egal, ob in klassischen Medienbetrieben oder in freien Unternehmen. Um gesicherte Daten über Online-Journalistinnen und Online-Journalisten zu erhalten brauchen wir Infos von euch, etwa zu Arbeitsbedingungen in Onlineredaktionen, Bezahlung, konkrete Arbeit, die Anbindung an andere Redaktionen usw.

Mit Günter habe ich anno dazumal diverse Seminararbeiten gemeinsam geschrieben, unter anderem erforschten wir seinerzeit die Arbeitsbedingungen von Journalisten im Irakkrieg (mir Primärinterviews und so) – eine gewisse Kontinuität lässt sich also durchwegs nicht verleugnen. Hier geht’s zur Umfrage und hier geht’s direkt zur Umfrage.

Quo Vadis, Gatekeeping?

Die Mediengruppe Online veranstaltet regelmäßige Treffen (das letzte fand am 2. Dezember statt) und vernetzt professionelle Netz-Schreiberlinge (also quasi eine Art Mini-Barcamp für Lohnsklaven). Die großen Verlage leiden bekanntlich darunter, dass sich Online mit den gewohnten Geschäftsmodellen nicht genug Geld verdienen lässt, also muss man nicht nur Stift und Papier, sondern auch Korrektor und aufwändige Recherchen einsparen: it’s not Show Business!

Aber egal, was Gatekeepern zu ihrer eigenen Rolle einfällt: Moritz Fürst hat letztens bei mir in der AT-KFOR Lehrveranstaltung eine kurze und knackige Präsentation gehalten, welche die tatsächlichen Veränderungen besser auf den Punkt bringt als seitenlanges Rotieren um ein unbestimmtes Gravitationszentrum: wie Seth Godin in seinem Tribes-Buch schreibt, übernehmen über digitalen Medien (ab)gebildete und vermittelte Netzwerke die Funktion eines dynamischen Gatekeepers: If an information is important enough, it will find me! Aber kein Grund zur Beunruhigung für die Betroffenen: solange bloß eine Hand voll Geeks bis zum Hals in die Web 2.0 Informationsflut eintaucht, werden sich Redaktionsräume nicht so schnell leeren. Auf mittelfristige Sicht allerdings wird Journalismus im klassischen Sinne in der Informationsvermittlung zur Nischentätigkeit, auch wenn die seltsame deutschsprachige Vorgeschichte samt Pressegesetz und Vierter-Gewalt-Idee seit Jahrzehnten konsequentest die streng riechenden Verbindungen zwischen Big Business und Big Meinungsspektrum wegdiskutieren lässt.

Eine kurze Nachlesen zur „Knüwer-Affäre“ gibt’s bei Matthias Suess, der Artikel des Anstoßes hat mir bereits einmal ein Schmunzeln entlockt, da ich unangenehm an normative Entwürfe der frühen 70er erinnert fühlte: die Journalisten müssten dies und das tun, damit die Welt im Lot bleibt – Bullshit-Alarm! Die Journalisten müssen einfach nur das tun, was ihre Arbeitgeber wollen, oder sie machen sich selbständig und verlieren nicht nur den Lohnzettel, sondern auch die institutionelle Credibility. Und: Blogger sind keine Journalisten, die wenigsten wollen das überhaupt sein – bei Thomas dagegen liegt die Situation natürlich arbeitsrechtlich komplizierter, immerhin ist „Indiskretion Ehrensache“ ja schließlich Teil des Handelsblatt-Portfolios. Wenn’s ein „echtes“ Blog wäre, dann könnte er sich allerdings diese arbeitsrechtlichen Verrenkungen sparen und einfach nur sagen: „Ich hab den Kommentar gelöscht, weil er mir nicht gefallen hat.“ Das ist keine Zensur, sondern völlig legitim – Zeitungen machen das dauernd. Mit dieser Instant-Beschwörung des alten Metternich’schen Konzepts entlarven sich Internet-Illiterati doch bloß selbst: unter den Bedingungen des digitalen Mediensystem bedeutet Zensur die Kontrolle über Informationszugang und Publikationsmöglichkeit – und sicher nicht das Löschen eines unliebsamen Kommentars am eigenen Blog.



Fotocredit Titelbild: News! von korkey/ pixelio.de


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