Und schon ist man nicht mehr Herr seiner Daten

Und schon ist man nicht mehr Herr seiner Daten

Der neue Facebook-Like Button sorgt für erregte Diskussion. Privacy-Bedenken drängen sich da natürlich auf, und ja: Facebook generiert noch viel mehr Daten über seine User. Aber let’s face it: im Großen und Ganzen sind die Bedenken gnadenlos überbewertet, denn in der häufig die Gemüter erhitzenden Datenschutzdebatte wird eines ganz gerne übersehen: Ohne Datenaustausch keine Kommunikation.

Das neue Social Plugin tut ja im Wesentlichen nichts anderes, als auf Facebook sowieso frei zugängliche Inhalte in einem iFrame auf Drittseiten einzubinden. Big Deal? Nicht wirklich, denn wer sein Facebook-Profil nur für Freunde zugänglich macht, der outet sich gegenüber Drittusern auch durch das neue Script nicht. Dazu fällt mir ein Beitrag ein, den ich vor kurzem in ATV Life gesehen habe – ein äußerst kompetenter Datenschützer wählte eine meiner Meinung nach unglückliche Formulierung, die den Sachverhalt ganz gut auf den Punkt bringt. Er sagte sinngemäß in etwa:

Niemand weiß, wie lange Social Networks wie Facebook die Daten ihrer User speichern. Man schreibt einmal ein Status-Update, und schon ist man nicht mehr Herr seiner Daten.

Und das ist genau mein Punkt – man schreibt Status-Updates, damit diese gelesen werden. Wir nutzen Facebook, um zu kommunizieren. Wir reden seit den frühen 90ern von den gewaltigen Möglichkeiten des Internet, von Bottom-Up Journalismus und dann später vom Web 2.0 – und kaum funktioniert mal eine User-Driven-Plattform, schüren alle Honoratioren die blanke Kontrollverlustpanik. Was da Finetuning des Empfängerkreises und die diversen Privacy-Settings angeht, mag noch Informationsbedarf herrschen, und selbstverständlich gibt es schützenswerte Daten – aber wer seine Steuer-, Sozialversicherungs- und Kontonummer auf Facebook postet, ist selber schuld. Die tatsächlichen Probleme liegen da, wo staatliche Datensammlungen wie Polizei- und Krankenakten ohne jede Kontrolle immer weiter wuchern. Der Umgang mit Facebook dagegen ist lediglich eine Frage der Media Literacy… und wie soll bitte personalized media ohne Präferenz-Analyse denn jemals funktionieren?

Und ganz ehrlich: ich kann dieses idiotische Beispiel mit „diese Praktikantin hat ihren Job wegen eines Facebook-Postings verloren, Danger Danger, Reputation Management Alarm!“ wirklich nicht mehr hören, noch dazu wo die meisten Vortragenden die Original-Story nicht mal kennen und die an sich durchaus lehrreiche Anekdote dann auch noch falsch erzählen (zweimal passiert in den letzten 3 Wochen mit den Original-Screenshots). Sagen wir mal so: wenn eine neue Mitarbeiterin am letzten Tag ihrer Probezeit auf Facebook postet, dass ihr Chef (mit dem sie auf Facebook befreundet ist) unfähig, die Firma mies ist, sie ihren Job hasst und besagter Chef ihr dann öffentlich antwortet, dass er schon aus rein ökonomischen Gründen kein Interesse an Mitarbeitern habe, die ihren Job hassen, dann kann man daraus wohl kaum das Gefahrenpotential von Social Networks ableiten… ich würd sagen: besser so für beide Seiten!

Wir leben in einer Zeit, in der die Grenzen zwischen privat und öffentlich neu definiert werden; aber das wurden und werden sie andererseits ohnehin permanent, zumindest seit die alten Griechen diese Dichotomie im westlichen Denken verankerten. Und dass diese neuen shiny Tools neue Herausforderungen mit sich bringen, stelle ich keineswegs in Abrede. Aber da geht’s um (politische) regulatorisch Maßnahmen – diese Paranoia wegen jedes einzelnen Status Updates ist vollkommen unberechtigt, also lassen Sie sich bloß nicht den Spaß verderben. Wenn wir nicht jeder einzeln als digitaler Einsiedler im Netz vor uns hinvegetieren wollen, dann werden wir den einen oder anderen Datenaustausch schon zulassen müssen.

Die Sache mit dem Vergessen dagegen halte ich für überbewertet: die „alles auf ewig speichernden Rechner“ muss erst mal jemand auf wirklich längere Sicht finanzieren, denn auf eines ist Verlass: die Entropie lässt sich nicht überlisten. Und selbst, wenn Rechner sich alles merken sollen: Menschen vergessen. Und diese Fähigkeiten, da sind sich alle Neuropsychologen einig, macht uns überhaupt erst überlebensfähig.

0 Kommentare
  1. Marco
    Marco sagte:

    Toller Beitrag! Schlussendlich ist man dafür selbst verantwortlich, welche Daten und Postings man wo reinschreibt. Man könnte sich überlegen ob man im Telefonbuch steht soll, oder ob man das Namensschild von der Tür entfernen soll, oder sein KFZ-Kennzeichen verdecken soll, nur mehr mit Sonnenbrille auf die Straße gehen soll, … :geek:

    • Ritchie Blogfried Pettauer
      Ritchie Blogfried Pettauer sagte:

      Danke für den Link; ich war nicht auf der re:publica und hab mir gerade Miriams Vortrag in Voll-Länge angehört. Sehr spannende, sehr interessante Beobachtungen, aber insgesamt doch recht anekdotisch. Die Frage deterministisch vs. entropisch beschäftigt mich seit Jahren (eigentlich eher Jahrzehnten) – Mäc (Luhan) hat ja immer gesagt, dass man diese neue Environment nur mittels „Probes“ (Sonden) erforschen kann, und genau so hab ich auch den Vortrag verstanden.

      Und gerade im konkreten Fall des Like-Buttons sehe ich durchaus eine realistische Möglichkeit, diese schwierige Absimmunng Entropie/Determinismus so zu lösen, dass das Ergebnis für mich persönlich sehr spannend sein kann. Von allen „personalized media services“, die ich im Lauf der letzten 15 Jahre ausprobiert habe, konnte bisher Socialmedian das am besten (mit kräftiger Twitter-Hilfe). Seit Xing das Start-Up gekauft hat, ist der Service leider tot, aber Facebook wird für mich zunehmend zur besten persönlichen Tageszeitung.

  2. Ronnie Coleman
    Ronnie Coleman sagte:

    Ich kann da Marco nur zustimmen, jeder ist selbst für seine Daten verantwortlich. Generell gebe ich diese sehr selten raus. Manche bedenken einfach nicht was man, wenn man es will mit diesen Daten anrichten kann

  3. Klaus
    Klaus sagte:

    Datenschutz ist doch den meisten Leuten total egal, wenn sie etwas umsonst bekommen. Beispiel: Als das Google Handy Anfang 2009 auf den Markt kamen, gab es eine spekulative Umfrage. Würden Sie das Google Handy kaufen? 80% sagten: „Nein!“ Würden Sie das Google Handy kaufen, wenn Sie umsonst telefonieren könnten, dafür aber Daten von sich an Google preisgeben müssten? 80% sagten: „Ja!“ Und da haben wir es – sobald es was gratis gibt, fangen alle an zu sabbern und kümmern sich nicht um Datenschutz.

  4. Marius
    Marius sagte:

    Sehr schöner Beitrag. Ich bin natürlich auch stark daran interessiert, dass meine Daten nicht im ganzen Internet rumfliegen, letztendlich ist ohne dass „private“ Daten entstehen, nicht ohne viel Aufwand möglich im Internet zu kommunizieren.

  5. Joe
    Joe sagte:

    Stimme dir voll und ganz zu Ritchie. Wichtiger wäre, dass der verantwortungsbewusste Umgang mit Medien und Social Media schön langsam mal Einzug findet in den Unterrichtsplan.
    Aber ich denke, das dauert noch eine generation bis das geschieht.

  6. Frank
    Frank sagte:

    Die „ewig speichernden Rechner“ gibt es schon, wenn sie auch nocht nicht so perfekt laufen. Das wird aber sicher noch kommen. Auch wenn viele es für „gnadenlos überbewertet“ halten, darf sich ja doch noch Gedanken darüber machen. Andi Rauber hat sich diese z.B. gemacht: Sehr lesenwert auf

    • Ritchie Blogfried Pettauer
      Ritchie Blogfried Pettauer sagte:

      Naja, ich würd sagen, es gibt Versuche und Best Practices; das Paper ist spannend, aber schon in der Einleitung wird der „massive Verlust von Daten“ beklagt – der gehört zur Natur des Netzes. Millionen Geocities-Pages sind weg, gone forever, *nirgends* gespeichert; so einfach lässt sich die Informationsentropie technisch einfach nicht überlisten.

  7. Aufschnürer
    Aufschnürer sagte:

    Das Internet vergisst nicht. Und: Wer sich auf soziale Online-Netzwerke einlässt, muss mit allem rechnen. Klingt doof, ist aber so. Ich weiß noch nicht so recht, was ich vom „Überall-Like-Button“ halten soll. Der Trend zum überall-vernetzt-sein birgt sicher auch Risiken. Und das nicht nur dann, wenn wieder eine Sicherheitslücke bekannt wird. Mal sehen, wo uns das alles hinführt.

    • Ritchie Blogfried Pettauer
      Ritchie Blogfried Pettauer sagte:

      Ich versteh die Riesen-Panik trotzdem nicht; gerade die Leute, die am meisten Ängst haben, posten meist doch so „kritische“ Updates wie „hab gerade Ham and Eggs gefrühstückt.“ Sowas kann einen natürlich den potentiellen Job im veganen Restaurant kosten…

  8. Christian
    Christian sagte:

    Ich denke man wird niemanden davor bewahren können, einfach so seine Daten loszuwerden. Ich denke vielmehr ist es wichtig, einen Verantwortungsvollen Umgang mit privaten Daten zu fördern.
    Jeder sollte sich selbst überlegen, wo er seine Daten hinterlassen möchte. Ob man an Diensten wie Facebook und Co. teilnimmt, kann sich jeder selbst überlegen. Demhingegen wird man gegenüber dem Staat sehr oft verpflichtet, maschinenlesbar bestimmte Daten preiszugeben… Darüber sollte meiner Meinung nach genauso Diskutiert werden. Denn was mit diesen Daten passiert, ist auch nicht absehbar, denn wie schnell können Gesetze geändert werden.

  9. Sandra
    Sandra sagte:

    Super Beitrag. Dieses ständige Aufschreien wegen irgendwelcher Daten geht mir schon lange auf den Zeiger. Immer muss ein neuer Sündenbock herhalten um Angst zu schüren. Irgendwie scheint das System zu haben. Das gebastelte Bild gefällt mir richtig gut :-)

  10. Werenfried Ressl
    Werenfried Ressl sagte:

    danke, der Beitrag ist vielleicht für Leser ein erster Schritt in Richtung „ich kümmere mich jetzt aktive um meine digital reputation…“.
    Wobei – wer so aktiv ist, wie Du, der sein nicht beneidet um das Durchackern von 99 notifications pro Facebook Session (Tag?, Stunde?, Minute?)

    ;-)

  11. Harry Gulya
    Harry Gulya sagte:

    Fluch uns Segen zugleich. Es bleibt jedem selbst überlassen, auf einen solchen „Like-Button“ zu klicken oder es eben sein zu lassen. Ein bedachter Umgang sollte bei allen Funktionen und Möglichkeiten des Internets praktiziert werden. Wenn ich bei einem Artikel zum Thema „Meine Arbeit kotzt mich an“ auf den Facebook-Like Button klicke und ich mit meinen Vorgesetzten auf Facebook verbunden bin, dann bin ich doch wahrlich selbst schuld. Die Chacen, Vorteile und zahlreichen Möglichkeiten von einem vernetzten social web sind bei einem überlegten Handeln meiner Meinung nach größer als die Risiken.

  12. Iris
    Iris sagte:

    Hallo Ritchie,

    ich denke, dass jeder auch ein Stück weit selbst dafür verantwortlich ist, was er veröffentlicht und wieviel er davon auf „privat“ setzt. Insofern verstehe ich die ganze Panik über Datenschutzverletzungen durch Facebook nur bedingt. Ich persönlich veröffentliche nur wenig über mich, nutze diese Dienste aber, um mit Freunden in Kontakt zu bleiben, dafür sind sie super.

    VG Iris

  13. Andy
    Andy sagte:

    Sehr guter Artikel! Worum sich die Datenschützer eher kümmern sollten, sind Seiten wie 123people.at, weil die willkürliche Datensätze verbreiten. Andererseits macht das die ganzen Horrorszenarien schon wieder lächerlich, wenn derartige „Datensammlungen“ gar nicht stimmen. Such dort mal nach so Allerweltsnamen wie Sabine Huber ;-)

  14. Lorienarm
    Lorienarm sagte:

    Selten soviel Schwachsinn gelesen.
    Diese Thesen sind nur zum Teil wahr, und auch nur dann, wenn Profile respektive deren Inhalte wirklich nur so eingesehen werden können, wie sie in den Privacy-Settings festgelegt wurden.
    Es geht primär um das Problem, dass Personen Inhalte sehen, die sie nicht sehen sollen/dürfen – es aber trotz der eingestellten Restriktion(=Privacy-Settings) tun. Niemand weiß, was mit den Daten passiert.

    • Ritchie Blogfried Pettauer
      Ritchie Blogfried Pettauer sagte:

      Du meinst damit Bugs, oder? Bei so komplexen System treten natürlich immer wieder Fehler auf – aber bei einem muss ich dir widersprechen: wir wissen genau, was mit den Daten passiert: sie werden gespeichert und ausgewertet! Fine with me, ich krieg dafür ja auch eine Menge zurück von Facebook! :ninja:

  15. Andree
    Andree sagte:

    Facebook und andere Plattformen wurden vor garnicht langer Zeit bei Stern Tv unter die Lupe genommen. Da kam klar raus, das man die Einstellungen für Privatsphäre zwar klar setzen kann, viele dieses aus unwissenheit aber garnicht machen. Viele Schüler usw. denken nicht dabei was Sie an Daten preisgeben und diese können dann eben eingesehen werden wenn man das nicht auf Privat stehen hat. Genau da liegt der Fehler bei Facebook und co. Setz man an dder Stelle an, dann passiert sowas auch nicht mehr.

    • Ritchie Blogfried Pettauer
      Ritchie Blogfried Pettauer sagte:

      Da hast du völlig recht. Man muss aber auch sagen, dass Facebook da schon einiges nachgebessert hat – man kann halt als User einfach nicht die Verantwortung komplett auf den Plattformbetreiber abwälzen. Insofern ist’s schon gut, dass da soviel diskutiert wird, weil die Leute damit einfach sensibler werden gegenüber diesem wichtigen Thema.

  16. AMUNO
    AMUNO sagte:

    Hi,

    den Beitrag nenne ich mal Word! Wer im Internet surft, der sollte auch durchaus in der Lage sein, sich über seine Daten ein paar Gedanken zu machen. Dieses ständige verteufeln von Facebook in den letzten Wochen geht mir auch schon sehr auf den Zeiger. Klar ist es nicht schön, dass sie unbedingt in alle Ewigkeit die Daten speichern und praktisch Lizenzen dafür haben wollen, aber man muss doch auch mal die Seite sehen, dass Google, etc. praktisch unbehelligt treiben können, was sie wollen.

    Gruß

    AMUNO

  17. Linda
    Linda sagte:

    Die Rufe nach Datenschutz, Zensur und Koperschutz zeigen deutlich die Lücke die sich zwischen „digital natives“ und ihrer Elterngeneration auftut. Die Einen kommen mit den neuen Technologien nicht wirklich klar – die Anderen können die ganze Aufregung überhaupt nicht verstehen….

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