Urheberrecht: Erleichterung statt Restriktion
Im Vergleich zur turbulenten Ära von 98 bis 2003 ist die Debatte um die finale Zerstörung der menschlichen Kultur durchs Urheberrechtsverletzungen wieder vergleichsweise still geworden: war Napster noch der Byte-gewordene Gott-sei-bei-uns der Plattenindustrie, hat ein amerikanischer Apfelhändler via iTunes den Netzmusikverkauf profitfähig gemacht (wenn auch über den Hardware-Umweg), seit kurzem zeigt Buchhändler Amazon Verlagen, wie man untote Bäume auf ePaper ausliefert.
Der eine oder andere Murdoch sagt zwar njet, ab und zu wird eine Piratenbucht verklagt, doch der Hype um die Besserung der Welt qua Social Media lenkt temporär den Blick ab vom, wie Frank Hartmann in seiner hervorragenden Analyse Digitaler Strukturwandel der Öffentlichkeit auf Telepolis schreibt, „mehr oder weniger offen ausgetragenen Kulturkampf“.
Hartmann, der vor in diesem Semester seine Professur für Visuelle Kommunikation an der Bauhaus-Universität in Weimar angetreten hat, sieht in der Indexierung und Hyper-Textualisierung der Information die technische Realisierung eines wesentlich älteren „Programms“:
Noch gut erinnerlich ist die Nonchalance, mit der geisteswissenschaftliche Professoren in den 90er-Jahren das Internet als eine technische Spinnerei, als eine vorübergehende Sache abtaten. Dass die neue Technologie sich nicht von Ungefähr entwickelt hat, sondern ein altes Programm erfüllt, ist ihnen nicht aufgefallen. Historische Ansätze, wie der des belgischen Gelehrten und Bibliotheksreformers Paul Otlet blieben zu unbekannt, um auch nur ignoriert zu werden.
Nun leben aber eine ganze Reihe von Verlagen hervorragend vom klassischen wissenschaftlichen Publikationssystem: veröffentlicht muss werden, die Produktion der meisten Bücher wird von den Autoren selbst bezahlt, um dem Veröffentlichtungszwang Genüge zu tun:
So ist der wissenschaftliche Publikationszwang eine nahezu risikofreie Wertschöpfungsquelle für Verleger. Verlagsverträge beginnen mit einer „Rechtseinräumung“ und bestehen meist in einer umfassenden Rechteabtretung an den Verlag. Die wenigsten Autoren lukrieren etwas von den ca. 8 Prozenten, die ihnen vom Nettoverkaufspreis eines Buches vertraglich zustehen. 92 Prozent teilen sich Verleger und Buchhändler – ein signifikantes Verhältnis! Vom Verwertungsrecht profitiert allein eine hier konstruierte Rechtsfigur der „Inhaltebesitzer“, die unterm Deckmantel eines Schutzes der Urheberrechte vom sogenannten geistigen Eigentum der Autoren profitiert.
Mit der Verfügbarkeit des Internet als digitalem Publikationspool besteht aber gar keine Notwendigkeit mehr, unschuldige Wälder abzuholzen – was den klassischen Verlagshäusern nicht bloß im Wissenschaftsbetrieb, sondern auch im Mainstream-Medien Bereich zunehmend schlaflose Nächte bereitet:
Die Verlage fürchten sich davor, mit den neuen Technologien ausgebootet zu werden: was wäre, wenn ihre Autoren und das Publikum sich kurzschließen, und nur noch mächtige Online-Agenten wie Google, Amazon etc. als Direktvertriebspartner von den Leistungen der Autoren profitieren? Und was wäre, wenn die technisch unbedarften Schriftsteller und Sachbuchautoren dahinter kommen, dass dies nicht nur möglich ist, sondern auch lukrativ für sie sein könnte – weil sie mit jedem Klick an den Einnahmen des Online-Geschäfts beteiligt wären?
Wenn also Information der wichtigste Rohstoff der Mediengesellschaft ist, liegt in diesem technik-induzierten Strukturwandel ein enormes Konfliktpotential zwischen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Interessen:
Es geht dabei nur oberflächlich um Downloadfreiheit. Was mit dem schwedischen Filesharing-Portal Pirate Bay begann, ist Symptom des Eigensinns einer Netzkultur, von dem eine ignorante Politik jetzt langsam eingeholt wird – und gleichzeitig manifeste Kritik an der Vorstellung, der Weg in die Informationsgesellschaft bestehe ausschließlich in einer Stärkung der kulturindustriellen Verwertungsinteressen.
Wir beobachten, darin stimme ich Frank Hartmann, der hier Marshall McLuhan zitierit, uneingeschränkt zu, die Vergangenheit durch den Rückspiegel. Zugleich entlarvt nichts die Kulturpessimisten so überdeutlich wie ein paar historische Betrachtungen: ebenso, wie die ersten Kritiker der Unterhaltungsliteratur den Eskapismus-getriebenen Untergang der Jugend fürchteten, sorgte schon das Telefon für Sorge um kommunikatives Chaos, wie Hartmann in einer abschließenden Anekdote treffenden zusammenfasst:
Die pathetischen Verteidiger der publizistischen Printkultur erinnern an die Klagen der Telegraphisten zum Ende des 19. Jahrhunderts, die ihren Berufsstand vom Telefon bedroht sahen. Damit, so ihre Gewerkschaftsvertreter, könne ja jeder Beliebige in eine Leitung gelangen, was nur zum Chaos und logischerweise zum Zusammenbruch der Kommunikationen führe. Das könne nun wirklich niemand wollen, weshalb das Telefon keine ersichtlichen Vorteile und mit Sicherheit keine Zukunft habe.
Hoffentlich kommt mit der Piratenpartei wieder etwas Schwung in die Diskussionen um das geistige Eigentum. Wobei man das auch abwarten muss.
Ich kann mir nicht vorstellen das die Piratenpartei da irgend etwas erreichen kann.
Die Piratenpartei hat aktuell knappe 400 Mitglieder – ich glaub auch nicht, dass die da in Kürze irgendwas erreichen werden.
Oh… damit liegen sie ja sogar noch unter den Kommunisten in Österreich, glaub ich.
Mit Sicherheit – wobei ich keinen genauen Zahlen von den Kommunisten kenn. Schätze aber schon, dass die doch ein paar Tausend haben. Kurz gegoogelt – aber noch keine brauchbaren Zahlen gefunden. Kennt jemand Mitgliederzahlen?
Ich hab im aktuellen Profil etwas gelesen… da war von einigen Tausend die Rede, hab aber die genaue Zahl nicht mehr im Kopf.
Niemand kann da irgendwas erreichen – we’re all doomed! Doomed I say!
Wobei ich ja nicht verstehe, warum die Piraten-Partei hierzulande so schlecht abschneidet (und aufgestellt ist). Ich glaube in Norwegen (oder wars Schweden?) haben die ziemlich abgeräumt – hier sind sie eine Randpartei. Wobei man sich darüber auch nicht wundern muss, wenn man einen ehemaligen SPD-Mann in die Partei holt, bei dem massenweise Kinderpornos auf dem Dienst-PC gefunden wurden. Wo wir wieder beim Ausgangspunkt wären…
Zensieren statt Zerstören. Weggucken statt Handeln. Unsere Regierung eben.
Echt? Die Sache mit dem SPD-Mann hab ich gar nicht mitbekommen… klingt nicht wirklich nach glücklichem Personal-Händchen!
Nein, klingt wirklich nicht so, und war es wohl auch nicht. Zusätzlich kamen kurz vor der Wahl einige Spekulationen über die Ausrichtung verschiedener Parteimitglieder auf, denen rechte Tendenzen nachgesagt wurden. Aber hierzulande ist das auch ein gutes Mittel, einen politischen Gegner mundtot zu machen, also darauf ist nicht viel zu geben. Hierauf aber schon, zwar schon etwas älter dieser Link, aber es geht da um den von mir genannten Kinderporno-SPDler:
Wow, heftige Story… schon komisch, dass alle, die erwischt werden, dann immer als „Privatermittler gegen KP“ agiert haben! :evil:
Ich denke das Internet wurde von vielen total unterschätzt.
Die Applegründer hatten die Vision „computer werden nicht mehr nur für spinner da sein!“ sie waren ihrer zeit voraus!
Ich bezweifle auch das die Piratenpartei da was machen kann? Wie denn auch? Damit die was machen können, müssen Sie erst einmal genug Stimmen bekommen
Wobei ihre Bekanntheit angesichts der geringen Größe ja durchaus immens ist.