Die chinesische Botschaft in Wien

Via Foursquare gegen die chinesische Zensur protestieren

Ganz Gallien ist im Internetfieber – nur ein kleines Dorf leistet der Informationsfreiheit erbitterten Widerstand. Okay, mehrere Dörfer, und das bekannteste davon kann man nun wahrlich nicht als „klein“ bezeichnen. Doch trotz der immensen Landes- und Bevölkerungsgröße schafft es die chinesische Regierung bisher viel zu gut, das Land mit der „Great Firewall of China“ virtuell weitgehend abzuschotten.

Foursquare und die chinesische Zensur

Zensurbestrebungen richten sich dabei einerseits gegen kritische Stimmen im eigenen Land (Die Story in Tweet-Länge: Vom Blogartikel direkt in Gefängniszelle. #civil #society #China), andererseits kontrollieren die staatlichen Zugangsprovider, dass auch aus dem Ausland keine systemkritischen Bytes die Filtermechanismen passieren. Neuestes Opfer der Filterlisten ist der Location-basierte Dienst Foursquare. Er erfreut sich unter Geeks hoher Beliebtheit, steht im Reich der Mitte aber nicht mehr zur Verfügung, wie Werner berichtet:

Zwar hat Foursquare gerade mal kolportierte 1,5 Millionen User und doch – oder gerade deshalb – haben chinesische Dissidenten es als Kommunikationsform zum 21. Jahrestag der Massaker am Tian’anmen Platz für sich entdeckt. Sie „checken“ über Foursquare am Platz des Himmlischen Friedens ein. (Welch zynische Bezeichnung für einen Ort, an dem 3.000 Menschen ihr Leben lassen mussten…) Ihre Kommentare und Tipps zu dieser Location sind nun den chinesischen Behörden aufgefallen und diese haben sicherheitshalber den Foursquare Traffic in China geblockt. Angeblich sollte die Sperre nach dem Jahrestag der gewaltsamen Beendigung (der wäre am 3. bzw. 4. Juni gewesen) wieder aufgehoben werden. Bislang habe ich nichts davon gelesen.

Ich war zum Zeitpunkt der gewaltsamen Beendigung der Studentenproteste im 1989 13 Jahre alt und kann mich noch sehr genau an die Bilder der Schützenpanzer inmitten der unbewaffneten Zivilisten erinnern. Wikipedia listet die Chronologie der Ereignisse, 2009 hat der Boston Globe eine umfangreiche Rückschau mit eindringlichen Fotos zusammen gestellt. Bis heute steht die chinesische Führung (wohl ein passenderer Ausdruck als „Regierung“) offiziell auf dem Standpunkt, das Massaker sei „zur Aufrechterhaltung der Stabilität gerechtfertigt gewesen“. Für Alternativdeutungen bleibt da neben der verstaatlichten Historie kein Platz. Aber Wien ist bekanntlich nicht Peking, und daher ruft Werner auf seinem Blog zu folgender Protestaktion via Foursquare auf:

Seit heute äußere ich meine Meinung zu den Vorgängen in China jeden Tag in der Früh vor der chinesischen Botschaft in Wien. Die liegt nämlich auf meinem Arbeitsweg und in einem Straßenzug der – Achtung Symbolcharakter! – auf den Namen Metternichgasse hört. Wer dem Regime in Peking auch etwas sagen möchte, kann ebenfalls via Foursquare dort einchecken.

Die chinesische Botschaft in Wien

Zum Mayor werd ich’s wohl nicht bringen, aber beim nächsten Besuch am Schwarzenbergplatz teile ich Herrn Ken Wu, meinem allerbesten Freund (in der Subkategorie „Chinesische Botschafter in Wien“) mit, was ich von Chinas Zensurpolitik halte. Der scheint allerdings, zumindest der Aktualität der Homepage nach zu urteilen, ohnehin nicht besonders internetaffin zu sein. Aber Foursquare als „Briefe-an-meinen-Abgeordneten-Ersatz“ für Geeks zu verwenden, find ich ausgesprochen charmant. Also los, lasst uns die Botschaft virtuell besetzen – die Great Firewall brennt!

0 Kommentare
  1. Andreas
    Andreas sagte:

    Fang mal an im eignen Land gegen Zensur zu protestieren! Wider mal typisch deutsch, wir kümmern uns schon seit mehreren Jahrzehnten mehr um andere als um uns….peinlich :coffee2:

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