Von Kurzzeit-Lizenzen zum Gelddrucken

Von Kurzzeit-Lizenzen zum Gelddrucken

Mit der Million Dollar Homepage rückte sich der 21jährigen Alex Tew aus Wiltshire 1995 ins Rampenlicht der Internet-Community – nun kommt die Million Dollar Homepage in des Kaisers neuen Kleidern gleich mehrfach zurück. Allen derartigen Seiten, so unterschiedlich die umgebenden Stories sein mögen, liegt das gleiche Businessmodell zugrunde: manchmal wird das an sich störrische Maultier Aufmerksamkeit eben zum Goldesel. [erschienen auf oe1.orf.at]

Auf der Startseite seines Projekts sah Alex Platz vor für ein quadratisches Bild mit einer Million Pixeln bzw. tausend Pixeln Kantenlänge vor – diese Größe lässt sich fast zur Gänze auf handelsüblichen Monitoren ohne Scrollen darstellen. Für die „Miete“ eines einzelnen Pixels verlangte der Betreiber einen Dollar, die Mindestabnahmemenge betrug 100 Stück. Als Gegenleistung durfte jeder Käufer auf der gemieteten Fläche sein Logo inklusive Link zur eigenen Webseite unterbringen, wobei die Seite bis mindestens 2010 online bleiben soll.

Das eigene Logo ertrinkt dabei natürlich in einer Flut ähnlicher Piktogramme, der klassische Werbewert geht gegen Null. Dennoch hatte Alex keinerlei Schwierigkeiten, jede einzelne Parzelle seines virtuellen Grundstücks in kurzer Zeit zu verkaufen, denn die Idee verbreitete sich wie ein Lauffeuer durch das Netz – und je mehr Blogs, Online-Zeitschriften und in weiterer Folge auch Magazine und sogar Fernsehsender über die Idee berichteten, desto mehr Besucher und Käufer statteten der Seite einen Besuch ab. Bald konnte sich der Initiator über seine erste leichtverdiente Million freuen.

Alles bloß Hype? Selber schuld, wer für 100 Pixel Geld ausgibt, wo man doch an jeder Ecke gratis-Homepages und -blogs registrieren kann? Nein, hervorragend investierte Werbeausgaben, denn die Aufmerksamkeitsökonomie im Internet hat ihre eigenen Gesetze.

Pagerank und Backlinks

Durch die vielen Backlinks erhielt die Million Dollar Homepage sehr bald einen hohen Pagerank. Mit diesem Pagerank misst Google die „Relevanz“ von Webseiten, und zahlreiche Drittanbieter greifen bei der Bestimmung des Werbewertes einer Seite darauf zurück. Der Algorithmus wertet aus, wie viele Links auf eine bestimmte Seite zeigen. Je mehr solche „Backlinks“ existieren, desto relevanter die betreffende Adresse, findet Google. Quantifiziert wird der Pagerank oder kurz PR mittels einer zehnteiligen Skala.

Wer über Google und andere Suchmaschinen Besucher auf seine Homepage locken möchte, der muss entweder ordentlich Geld in die Online-Werbung investieren – oder für entsprechend viele Backlinks sorgen, um weit vorne in den Suchergebnissen aufzutauchen. Aus diesem Grund haben sich manche Online-Dienstleister darauf spezialisiert, den ökonomisch motivierten Kontakt zwischen Linkvermietern und Käufern herzustellen: denn je höher der Pagerank einer Seite, desto mehr „wert“ ist auch ein auf ihr platzierter Hyperlink, der auf eine beliebige Zielseite zeigt. Suchmaschinenexperten bezeichnen diesen Effekt als „Pagerank-Vererbung“. Die Preise für eine derartige Linkmiete regelt das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage – für einen Backlink von einer Pagerank 5 Seite bezahlt man derzeit rund EUR 20,- / Monat, das entspricht auf fünf Jahre gerechnet also EUR 1.200,- Die Million Dollar Homepage dagegen besitzt einen Pagerank von 7 aus, das ergibt bei einer Laufzeit von fünf Jahren gerade mal EUR 1,66 pro Monat!

Nicht zur Nachahmung empfohlen

Der einzige Haken an der Sache: ein solcher Stunt gelingt in der Regel nur einmal. Wer die zweite Million Dollar Homepage baut, wird allenfalls ein mattes Lächeln ernten, aber kein ernsthaftes Interesse, somit keine Backlinks und auch keine Käufer. Doch bekanntlich leben wir im Zeitalter des Remixing, also war es nur eine Frage der Zeit, bis die Million-Dollar-Idee in verändertem Gewand zurückkam – zwei Jahre später, dafür aber auch gleich doppelt.

Da wäre zum einen das Million Dollar Wiki: anders als das bekannte lexikalische Vorbild hat man sich hier ganz und gar nicht zum Ziel gesetzt, das Wissen dieser Welt einzusammeln, sondern bloß – eine Million Dollar. Jeder Interessierte kann sich um 100$ eine eigene Wiki-Seite Mieten, die er nach eigenem Belieben gestalten kann. Graham Langdon, der ebenfalls 21 Jahre alte Betreiber, garantiert eine Lebensdauer von 10 Jahren und beschränkt die Zahl der verkauften Wiki-Pages auf 100 Stück. In den vergangen zwei Monaten verkaufte Graham rund 900 Seiten, ob er die angestrebten 10.000 Stück jemals erreicht, ist bei dem bisher eher flauen Interesse allerdings stark zu bezweifeln.

Wesentlich origineller geht der Amerikaner Prija Phaphouampheng aka „Sneaky Bastard“ an die Sache heran: er will einen Film über die Blogger-Szene drehen, 10 Weblog-Schreiber sollen ihren Alltag dokumentieren. Um die notwendige Aufmerksamkeit und ein wenig Startkapital für sein ehrgeiziges Projekt aufzutreiben, dachte sich Prija eine ganz besondere Promotion-Kampagne aus: er verschenkt zwei Autos. Einen der beiden Scion tCs erhält seine kleine Schwester (US-Medien lieben rührseelige „großer Bruder kauft kleiner Schwester ein Auto Stories“), das andere wird verlost. Sponsoren sollen die beiden Fahrzeuge finanzieren: wer 100 Dollar bezahlt, bekommt zwei Reviews auf Prijas Blog, einen Backlink auf der zugehörigen Webseite, außerdem werden die Internetadressen aller Sponsoren auf die beiden Scions appliziert. Sollten die benötigten 50.000 Dollar bis Anfang nächsten Jahres nicht zusammenkommen, so erhält jeder Sponsor sein Geld zurück.

Hier steht zwar nicht die magische Million am Spiel, dafür versucht der junge Amerikaner, auf diffizilere Weise die Gesetze massenmedialer Aufmerksamkeitsverteilung vor seinen Karren zu spannen. In der ersten Woche konnte Prija rund 20 Spots verkaufen – man darf gespannt sein, ob sein Film über Blogger nächstes Jahr bereits Drehbeginn feiert und zu einer ähnlichen Erfolgs-Anekdote wie die Million Dollar Homepage wird.

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