WAHLGELD.COM: Schweizer Stimmenverkauf

WAHLGELD.COM: Schweizer Stimmenverkauf

wahlgeldBereits 2006 sorgte die Künstlergruppe ubermorgen.com mit ihrer [V]ote-auction für Aufsehen. Unter dem Motto „Bringing democracy and capitalism closer together“ wollte man damals schwunghaften Handel mit Wahlstimmen betreiben – allerdings nur als medial inszenierten Fake. Nun stehen am 21. Oktober Schweizer Parlamentswahlen vor der Tür, und man will’s erneut wissen: wahlgeld.com bietet wieder Stimmen feil, diesmal aber „for real“, wie die Initiatoren behaupten.

Getreu dem kapitalistischen Credo, dass jede Ware ihren Preis hat, will wahlgeld.com die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage schließen. Mindestens 75 Schweizer Franken soll jede Stimme wert sein – die Preise variieren allerdings von Kanton zu Kanton. Wer seine Stimme verkaufen möchte, kann via Webseite die Betreiber kontaktieren. Stimm-Einkäufer sollten allerdings beachten, dass die Paketpreise von Kanton zu Kanton stark: die höchste Quote weist derzeit Bern mit 126 Stimmen für insgesamt 9.450chf auf.

Natürlich ist dieses Vorgehen extrem heftig: aber das haben Medienhacks nun mal so an sich. Und genau als solchen betrachte ich die Aktion: als originell inszenierten Angriff auf das Feld politischer Meinungsbildung, der zum Nachdenken anregen sollte über die tatsächlichen Zusammenhänge zwischen Demokratie und wirtschaftlich motivierter Meinungsbildung. Aber lassen wir die Betreiber selbst sprechen:

In der Schweiz finden am 21. Oktober die Parlamentswahlen statt. Die österreichische Plattform WAHLGELD.COM bietet jedem Schweizer Stimmbürger einen garantierten Mindestpreis von 50 Sfr. pro Wahlstimme. Die so erworbenen Wahlstimmen werden in einer Auktion an den Bestbietenden weiterverkauft.

Mit dem Stimmenhandel werden Zwischenhändler (Verbände, Werbeagenturen) ausgeschalten (cutting out the middleman). Ein Teil der geschätzten Sfr. 100 Mio. Wahlkampffinanzierung geht damit direkt an die Bürger. WAHLGELD.COM hebt die Stimmbeteiligung an, Stimmwillige erhalten Geld für ihre Wahlstimme und Parteien gelangen günstiger zu den dringend benötigten Wahlstimmen. Alle Transaktionen laufen via Internet, SMS/MMS, über ein anonymes Postfach und über ein schweizerisches Nummernkonto.

WAHLGELD.COM bietet Parteien, Interessengruppen, Politikern sowie zahlungskräftigen Schweizern und Ausländern die Möglichkeit, Wahlstimmen en bloc (pro Kanton) in einer Auktion zu erwerben. Durch diese Direktvermittlung von Wahlstimmen werden Konkordanzdemokratie und Freier Markt optimal verschmolzen.

Die Ware Wahlstimme soll zu einem fairen Marktpreis gehandelt werden. WAHLGELD.COM bietet einen „service public“ für unmotivierte Wähler. Eine wichtige Zielgruppe sind Pensionisten, für die das aktuelle Geld im „Kässeli“ wichtiger ist als langfristige Einflussnahme, sowie Jungstimmbürger, die aufgrund ihrer Unerfahrenheit mehr die Qual als die Wahl haben und sich daher in vielen Fällen den Nichtwählern anschließen.

Tja, so schaut’s aus – ich könnte mir durchaus vorstellen, dass der Schweizer Verfassungsschutz oder eine ähnliche Institution derartige Manipulationsversuche weniger unterhaltsam findet. Allerdings kann ich in keinster Weise einschätzen, ob sich’s um eine gut gefakte Inszenierung oder um einen realen Marktplatz handelt: letztendlich ist das aber gar nicht der entscheidende Punkt. Trotzdem bin ich gespannt, wie’s mit der medialen Berichterstattung über wahlgeld.com weitergeht.

Das Schweizmagazin findet die Aktion peinlich:

Ein paar wenige Stimmenverkäufer erklärten sich bereit, ihren Wahlschein gegen 50 CHF dieser dubiosen Aktion zu überlassen. Ob es sich hierbei um Drogenabhängige gehandelt hat die Geld für einen „Schuss“ brauchten oder Alkoholiker die die 50 CHF in Alkohol umgesetzt haben, darüber kann nur spekuliert werden.

Paxx vermutet einen Hoax:

So, dieses Fundstück ist entweder ein gut gemachte Satire – oder schlechte Realsatire. Ich tendiere zwar auf ersteres, aber so oder so ist die Sache eigentlich nur Werbung für unsere Sache.

Und Rebell.tv fühlt sich genauso gut unterhalten wie ich:

genial. endlich investiert der gewinngeile markt in direkte demokratie. ein witziges projekt.

Wundert mich aber dennoch, dass die ganze Aktion nicht mehr Rauschen im Blätterwäldchen erzeugt hat.

4 Kommentare
  1. Christian
    Christian sagte:

    So eine Aktion regt sicherlich Diskussionen an, ob das allerdings soviel bewirkt ist höchst fraglich. Ich bin mal gespannt ob zur Bundestagswahl in Deutschland im September auch wieder solche Aktionen hochkommen.

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