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Wienwahl: 9 Parteivorstellungen und 1 Nichtwahl-Empfehlung

Wie immer auch die Wienwahl am Sonntag ausgegangen sein wird, ein Faktum steht schon jetzt, fernab von Wählerstrom-Analysen und Wahlkarten-Unwägbarkeiten mit unumstößlicher Sicherheit fest: alle wahlwerbenden Parteien werden ein fantastisches Ergebnis erzielt haben und den Wählern für ihr großes Vertrauen gedankt haben. Die machen das immer so, siehe Steiermark! Ich kann mir das nur dadurch erklären, dass Politiker aus zartem Holz geschnitzt und nahe am Wasser gebaut sind, kurz: nicht mit Niederlagen umgehen können. Also gibt eben keine und „wir machen uns die Welt wide-wide-wie sie uns gefällt!“ Dennoch wär‘ Pippi Langstrumpf natürlich keine gute Politikerin gewesen, nicht nur Outfit-mäßig – einfach so daher sagen, was einem in den Sinn kommt, bringt ja in den meisten Parteien je nach Clubkultur basisdemokratische oder top-down-Probleme mit sich.

(Exkurs: Ausgenommen BZÖ und FPÖ, hier gehört völlig Abwesenheit von Eigenreflexion schließlich zur Politkultur. Ich bezeichne mich selbst als liberal, und dass einer der beiden Populistenvereine „freiheitlich“ im Namen trägt, fügt der langen Liste unfreiwilliger Pointen eine neue hinzu. Und wenn, wie neulich bei ATV“ Meine Wahl“, manche Seher Sylvia Saringer und Meinrad Knapp vorwerfen, die FPÖ respektive H.C. Strache anders als die anderen Parteien zu behandeln, dann kann ich nur sagen: diese Seher haben recht. Und Sylvia und Meinrad haben ebenfalls recht, denn die FPÖ ist keine „normale“ Partei und sollte auch nicht wie eine solche behandelt werden. Das meine ich ganz und gar nicht sarkastisch, und im Gegensatz zum BZÖ wird es diesen Verein wohl leider noch länger geben. Deren Bodensatz-Auflesen der Unzufriedenheit, dieses Spiel hart an der Grenze zur gesetzlich verbotenen Verhetzung sollte bei *jeder* Gelegenheit als das vorgeführt werden, was es ist: eine zynisch-kalkulierte Groteske auf Kosten eines optimistischen Zukunftsbilds. Wenn die Versammlungen dieser nicht-islamischen Hassprediger einen Twitterwall hätte, sollte der Hashtag #widerlich lauten. Ende des Exkurses.)

Wahlempfehlungen sind ja sowas von Old Media, Foursquare eignet sich auch nicht so wahnsinnig toll für die Wahl-Vorberichterstattung, was also macht der tendenziell eher unpolitische Blogger? Er findet, dass Sie, liebe Wienerin, und Sie, lieber Wähler, idealerweise am kommenden Sonntag (oder vorher via Wahlkarte) wählen sollte, denn wie der Hip Hopper so schön sagt: „This is my city.“ Also entscheiden Sie mit, machen Sie Ihr Kreuzerl wo immer sie wollen (idealerweise nicht bei FPÖ oder BZÖ, soviel negative Wahlempfehlung muss dann doch sein). Wer zuhause bleibt, darf nämlich nachher auch nicht jammern, und nicht jammern zu dürfen, muss doch Schrecklich sein für alle Wiener. In diesem Sinne – wer steht zur Wahl? datenschmutz beschreibt für den fragmentierten Internet-Leser in aller gebotenen Kürze sämtliche wahlwerbenden Gruppierungen, wie sie auf der offiziellen Wienwahl-Seite gelistet sind, aber selbstverständlich wesentlich tendenziöser – denn wie schon öfter erwähnt: ich bin kein Journalist und ich berichte nicht. Aber man macht sich halt so seine Gedanken, nicht wahr?

Plattform Direkte Demokratie

Wer tritt an in der Schlacht um Wien? Neben den chancenreichen Parteien gibt es auch einige kleinere Gruppierungen, die sich um einen Einzug in den Wiener Gemeinderat bemühen. Grundsätzlich sehr sympathisch finde ich das zentrale Anliegen der DEM – Plattform Direkte Demokratie. Die Abkürzung PDD ist ja leider schon von der Partei Deutscher Demokraten belegt. Die existiert zwar nicht mehr, aber wollen wir hoffen, dass der nur im 22. Bezirk antretenden DEM ein ähnliches Schicksal erspart bleiben möge:

Stets blieben Zweifel an der Arbeitsfähigkeit der Partei. Eine Statistik des Deutschen Bundestages wies Ende 1991 nur 15 Mitglieder auf. Im Jahr 2000 löste sich die Partei wieder auf.

SLP

Wir wenden den Kopf etwas weiter nach links und stoßen – nur im Wahlkreis Brigittenau! – auf die Partei mit dem unbestritten längsten Namen und der kürzesten URL. Der vermutlich schlagkräftigste Treiber des Online-Wahlkampfs dürfte von der Kollateral-Traffic durch Tippfehler von NLP-Suchenden sein, allein ich fürchte: diese Zielgruppe konvertiert nicht. Aber wie auch immer, die SLP – Sozialistische LinksPartei – Liste Rassismus schafft keine Jobs – Geld für Soziales statt für Banken und Konzerne definiert sich zu einem beträchtlichen Grad über den Kampf gegen den Kapitalismus und scheint, auch ich mich der Forderung nach einer Mindestpension von €1.200 nur anschließen kann, eine wenig attraktive Alternative für Unternehmer zu sein:

Kapitalismus bedeutet Umweltzerstörung und Chaos. Nachhaltigkeit und Wohlstand durch eine demokratisch geplante Wirtschaft, die von gesellschaftlichen Bedürfnissen und nicht von Aktienkursen & Profiten bestimmt wird.

LIF

Da würde selbst unter günstigsten wahlarithmetischen Bedingungen keine Koalition mit der Partei mit dem kürzesten Namen zustande kommen. Das LIF – Liberales Forum tritt nicht in den Wahlkreisen Hietzing, Rudolfsheim-Fünfhaus und Döbling an, besorgte Stadtplaner befürchten ob kurzfristiger Verlängerung des Hauptwohnsitzes Massen-Emigrationen aus den genannten Bezirken. Aber irgendwie hat das LIF nie so richtig existiert, scheinbar das Schicksal einer jeden FPÖ-Abspaltung. Was uns gleich zur nächsten wahlwerbenden Gruppierung überleitete, wären da nicht noch Marx‘ Erben:

KPÖ

Die Groucho-Partei, nein, nur Spaß, die KPÖ – Kommunistische Partei Österreichs – Linke Liste differenziert sich von der SLP vermutlich vor allem dadurch, dass sie nicht nur Brigittenau antritt. Nicht nur optisch hat die Seite etwas sehr parodistisches, Listenplatz-2-Kandidat Refet Eskis Einfallslosigkeit ringt mir durchwegs ein Lächeln ab:

Die Arbeiter und Bauern, die die Last der heutigen kapitalistischen Weltordnung tragen, und deren Probleme haben im Mittelpunkt zu stehen.

Jo eh. De Landwirtschaft ist ein großer Thema. Aber zählen die Wissensarbeiter eigentlich auch zu den Arbeitern… irgendwie schon skurril, dass Leute noch Jahre nach dem Zusammenbruch des Kommunismus hartnäckig im demokratischen Kontext eine „neue gesellschaftliche Ordnung“ propagieren.

BZÖ

So weit geht der parteiartige Kärntner Traditionsverein BZÖ – Bündnis Zukunft Österreich – Liste Walter Sonnleitner nicht. Vermutlich erscheinen derart hohe Ziele angesichts des Überlebenskampfs der eigenen Organisation auch eher sekundär, wollen die Akteure doch mit grandioser Hartnäckigkeit einfach nicht wahrhaben, dass Jörg Haider das Bündnis mit einem großen Crash nachhaltig aufgelöst hat, ganz im Gegensatz zu den mysteriösen Konten. Und damit kommen wir endlich zu den „richtigen“ Parteien, wobei man über die nächsten zwei natürlich trefflich streiten könnte.

FPÖ

Da wäre einerseits der grinsende Zahntechniker mit seinen Disko-Kumpels, der in seiner frühen Jugend von ein paar Ausländern mal so richtig ein paar aufs Maul bekommen haben muss. Warum die FPÖ – Freiheitliche Partei Österreichs das an sich positive Attribut „freiheitlich“ im Namen trägt, habe ich noch nie kapiert, da scheint der Schwenk auf „die soziale Heimatpartei“ durchaus folgerichtig, zumal die Heimat ja national ist und man das Verbotsgesetz ja irgendwie umgehen muss. (Frage an die mitlesenden Juristen: Könnte mich die FPÖ klagen, wenn ich hier am Blog behaupten würde, dass vielleicht nicht Kickl, aber vermutlich einige andere, könnten sie, wie sie wollten, ihren Haufen doch lieber sozialistischnationale Partei als FPÖ nennen täten wollen würden? Ich glaube natürlich nicht, dass sie das wollen, wär mir auch zu riskant, sowas zu schreiben. Das ist alles rein hypothetisch und entbehrt jeglicher objektivierbarer Grundlage, ich kenne die Herren nicht mal persönlich. Und ginge das auf einem Blog dann unter „quasi-schurnalistische Freiheitlichkeit“ durch oder würden mich Klagsfall die Roten oder Grünen supporten, weil ich’s dem Rechtsextremismus gezeigt haben würde und mit meinem Blog in die Kategorie „David gegen Goliath“ – laut Christian Mikunda ein gut funktionierendes dramaturgische Script -, fallen würde, oder würde mich die SPÖ nicht unterstützen, weil sie lieber mit der FPÖ kopulieren möchte? Man fragt sich halt so Rechtsfragen als Blogger.)

Grüne

Da sind die Grünen schon ein wesentlich sympathischerer Haufen sesselklebender Berufspolitiker mit Kompetenzdefiziten – man kann ihnen nicht vorwerfen, dass sie gegen irgendwen hetzen würden. Außer gegen die FPÖ, und die hat’s nun wirklich verdient. Und ein bisschen gegen SUV-Fahrer. Und Leute, die eben nicht so richtig ins tief verinnerlichte „Mir-san-mir“ Kumpelgefüge samt impliziter Werteordnung passen. Aber dass Top-Down Basisdemokratie einen so richtig zerreißen kann, musste die GRÜNE – Die Grünen – Grüne Alternative Wien ohnehin schon leidvoll in zwei Bezirken erfahren, also wollen wir nicht keine alternativen Heiltropfen in offene Wunden träufeln. Ein kanadischer Bekannter, der schon lange in Österreich lebt, hat mal zu mir gesagt: „Die Grünen sind wie der weltfremde Neffe aus Iowa: kurios, durchaus nett und umgänglich, kreativ, aber beruflich möchte man nicht mit ihm zu tun haben: zu eingefahrene Denkmuster.“

ÖVP

Kommen wir zu den beiden momentanen Koalitionsparteien, die eine Ebene höher über das ganze Land wachen und fürsorglich die Steuerreform hintan geschoben haben: eine Kröte anstatt des Wahlzuckerls könnte den Wiener Kollegen den Brei ver… jetzt hätt ich fast verscheißen geschrieben. Versalzen natürlich, versalzen! Um Gottes Willen. Wir sind hier ja nicht auf DerStandard.at. Aber zurück zum Sicherheitsbedürfnis: Marek will ihren Beitrag leisten. Und ja, eh: in Wien muss sich was ändern, der sozialistische Zustand ist keine Dauerlösung, vor allem nicht für den Wirtschaftsstandort Wien. Aber so sehr Häupl und seine Vasallen sich an die totale Alleinherrschaft gewöhnt haben mögen, sie machen gewiss nicht alles falsch. Und damit spiele ich keineswegs auf Wiens Platz 1 in der vielzitierten Lebensqualitätsliste an, denn diese Umfrage, das wird meist nicht dazugesagt, wird unter Top-Managern durchgeführt.

Muss man denn wirklich „Es geht auch anders“ plakatieren? Das erinnert mich an einen Spruch, den österreichische Heranwachsende immer wieder zu hören bekommen: „Ich kann auch andere Saiten aufziehen!“ Und dann gibt’s da noch dieses kleine Wörtchen im „Wertekanon“, das mich einfach nicht guten Gewissens die ÖVP – Österreichische Volkspartei wählen lässt:

Wir verstehen uns als moderne christdemokratische Partei, als Partei des liberalen Rechtsstaats und einer offenen Gesellschaft. Wir bekennen uns zur ökologischen Nachhaltigkeit, zur ökosozialen Marktwirtschaft und zu einem bürgernahen, sozialen und wirtschaftstarken Wien im Herzen eines geeinten Europas.

Haben Sie’s gefunden? Ja, genau. „christ“ meine ich. Ich verkneife mir jetzt eine Schimpftirade auf den Popen und seine schwachsinnigen Vasallen, aber demokratisch würd vollkommen reichen, echt jetzt. I’m all for liberalen Rechtsstaat und so, aber als überzeugter Agnostiker kann ich mit sehr viel mit Ethik, aber rein gar nix mit christlicher Moral anfangen. Religion und Politik sind wie Öl und Wasser: man kann schütteln und eine Mischung erzeugen, aber früher später hat die das natürliche Bestreben, sich wieder zu trennen. Ich will jetzt nicht so weit gehen zu behaupten, die Religion sei die Ölpest auf dem Meer der Politik, aber in einer einzigen Sache halt ich’s ganz mit der Bibel: sein Königreich ist nicht von dieser Welt – und damit Privatsache im genuinen Sinn des Wortes, aber Politik nun mal per definitionem nicht. Aber der „Schwarze Pfeffer fürs rote Wien“ hat was für sich: Alleinregierungen neigen nun mal zu Kontrollverlusten.

SPÖ

So, wir hätten also alle Parteien durch! Momenterl, da fehlt ja noch jemand! Bühne auf für „Bürgermeister Michael Häupl – einen echter Wiener“, der auch diesmal wohl kaum untergehen wird. Die SPÖ – Sozialdemokratische Partei Österreichs setzt alles in Bewegung, sogar die U-Bahnen an Wochenendnächten. „Weil er Wien auch in schwierigen Zeiten sicher führt“. Sind sie denn besonders schwierig, die Zeiten? Ich habe schon bei einigen Wienwahlen mein aktives Stimmrecht ausgeübt, und soweit ich mich erinnere, war es immer unglaublich kritisch, ja geradezu an der Kippe: stets drohte die Absolute der Roten zu zerbröckeln: mal schienen die rechten Demagogen das fehlende Prozent abzubeißen, mal wirkte es, als könnten die Grünen mehr werden als Nicht-amtsführende-Stadträte von Häupls Gnaden. Aber geändert hat sich niemals nix. Wie muss Faymann, der alte Wiener Wohnungsstadtrat, diese Zeiten vermissen, als man Stadt- und Parteibudget noch kreativ balancieren konnte!

Nein, die SPÖ macht ihren Job nicht so schlecht. Aber sie würd ihn verdammt noch mal viel besser machen, wenn ein „Juniorpartner“ ihr in den richtigen Momenten einen kleinen Stups (oder wenn nötig auch einen kräftigen Arschritt) gäbe. On y va, wie der Franzose sagt, „man wird sehen“.

Damit hätte ich meiner demokratischen Blog-Pflicht-Freiwilligkeit genüge getan und alle Parteien verlinkt (nur FPÖ und BZÖ natürlich mit nofollow). Eine Entscheidungshilfe kann ich Ihnen leider nicht geben: rot bedeutet weiter Stillstand (aber keineswegs den schlechtesten aller möglichen Stillstände), blau Hetzerei und Populismus. Und wenn’s blöd geht, wird’s am Ende noch rot-blau. Wollen wir hoffen, dass das nicht passiert: rot-schwarz oder rot-grün wären mir persönlich bedeutend lieber, falls es mit der absoluten diesmal dann doch nicht klappen sollte.

0 Kommentare
  1. Joe
    Joe sagte:

    Gut geschrieben! Ich würde mir eine rot-grüne Koalition wünschen. In den TV-Konfrontationen hat mich Vassilako (zu faul um nachzuschauen wie man die denn nun richtig schreibt..) überzeugt.
    Sie hat sich thematisch kompetent präsentiert und geht endlich auch mal mehr in die Offensive als der „Alte“ Van der Bellen, dem ich am liebsten bei jdeder TV-Diskussion in den A… getreten hätte.
    Der war mir zu „zahm“.
    Vassilako. „V“ wie Vendetta!
    Naja, ich weiß wen ich wähle und hoffe, dass viele Wiener und Wienerinnen morgen von ihrem stimmrecht Gebrauch machen.

    lg
    Joe

  2. Christian
    Christian sagte:

    Das Politiker nicht einfach mal sagen wass sie denken ist bei uns in Deutschland ganz ähnlich. Habe letztens einem FDP Politiker mal eine Frage gestellt und daraufhin kam wieder diese ganze Parteien Sülze….

    Habe mir schon öfter mal überlegt selbst etwas politsch aktiver zu werden. Allerdings hat mich letztlich immer abgehalten dass ich glaube ich keiner Partei hinterherrennen könnte.

    Musste ich an dieser Stelle mal loswerden^^

    • Ritchie Blogfried Pettauer
      Ritchie Blogfried Pettauer sagte:

      Stimmt! Da ist nur die Reform der Rechtschreibreform dran schuld, da kennt sich ja kein Mensch mehr aus… und ich würd natürlich auch Pippi wählen! Eine Politikerin mit einem echten Piraten als Vater – da würd auch beim Urheberrechtsdrama endlich mal was weitergehen! :borg:

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