Willkommen Österreich: Jan Becker liest Stermanns Gedanken

Willkommen Österreich: Jan Becker liest Stermanns Gedanken

Grissemann und Stermann, Moderatoren-Duo Infernale der hiesigen Fernseh- und Radiolandschaft, würde man nicht unbedingt zutrauen, Pro Siebens Uri Geller Show zu konkurrenzieren. Aber gestern Nacht war Jan Becker, deutscher Mentalist, bei den beiden zu Gast – und im Gegensatz zum erfolgreichen Trixxer Uri basieren Jans Tricks zwar nicht auf übersinnlichen (oder doch, je nachdem, was man denn nun als „übersinnlich“ betrachten möchte) Fähigkeiten, sondern auf hartem Training und – soviel steht fest – einem ganz besonderen Talent zur Beobachtung von Menschen.

Über Jan Beckers eigenes Leben verrät die Homepage relativ wenig – der Mann, der die Gedanken anderer mit erstaunlicher Präzision lesen kann, verrät verständlicherweise nicht besonders viel über sich selbst. Live erleben kann man ihn derzeit in Berlin mit seinem aktuellen Programm Think Grotesque in Berlin, gegen Ende des Jahres sind Auftritt in Österreich geplant. Über sich selbst sagt Becker:

Es geht darum den Zuschauer im Theater vergessen zu lassen, dass er im Theater sitzt. Wenn du Traumhaftes und Realität verschmelzen lässt, schaffst du eine Surrealität. Mir geht es um den Umgang mit irrationalem Wissen. Die Möglichkeiten des Unmöglichen interessieren mich. [oe1.orf.at

Nun gut, was hat mich denn gestern nun eigentlich so dermaßen beeindruckt? In erster Linie personal trust: ich denk nicht, dass Grissemann und Stermann bei einem Schwindel mitmachen würden. Stermann musste vor der Sendung in seiner Garderobe eine einfache Zeichnung anfertigen und diese in einen Umschlag stecken. Am Ende der Sendung forderte Becker sein „Opfer“ auf, an die betreffende Zeichnung zu denken und brachte anschließend zu Papier, was er „empfangen“ hatte. Seine Zeichnung stimmte haargenau mit dem Original überein – zu Stermanns sichtlicher Verblüffung. Gezeichnet hat Stermann übrigens ein Strichmännchen hinter einer Mauer, das ungefähr so aussah:

maennchen

Grissemanns Instant-Theorie, dass Becker mit einer Kamera im Zeichenstift mitgefilmt habe, scheiterte an der Tatsache, dass Stermann seinen eigenen Stift verwendet hatte – Jans Erklärung lautete schlicht und einfach, dass er jahrelang Menschen beobachtet habe und er beim Gedankenlesen einfach „dahin phantasiere“.

Ich glaube, dass wir alle ab und an die Gedanken anderer Menschen „lesen“ können, wenn auch meistens ungewollt und unerwartet – und dass diese Fähigkeit schon immer eine ganz beträchtliche Rolle im sozialen Leben gespielt hat. Und ich habe den Eindruck, dass, sobald bewusstes Denken mitschwingt, dieses fallweise empfangen von Stimmungen, Gedanken und Bildern kaum funktioniert. Mit anderen Worten: blickt man einen Menschen an, dann denkt man sich unweigerlich etwas über ihn: Aussehen, Kleidung, Körpersprache etc. lassen sofort ein Bild im Kopf entstehen, das natürlich einerseits auf Erfahrung beruht, andererseits aber ein klassisches Vorurteil darstellt. Je weniger man „spekuliert“ und je entspannter und lockerer man an die Sache rangeht, desto besser funktioniert’s, denke ich – weil jede „Preconception“, wie’s im Englischen heißt, eine möglichst objektive, unbeeinflusste Interpretation diverser körpersprachlicher und sonstiger Informationen erschwert, wenn nicht verunmöglicht.

Aber dies zu üben und zu meistern ist eine Kunst, die unglaublich schwierig zu erlernen ist, und so verstehe ich Beckers „Phantasieren“. Mir fällt dazu eine körperliche Analogie ein: bestimmte Muskelgruppen gezielt anzuspannen, ist vergleichsweise einfach. Muskeln gezielt zu entspannen, fällt wesentlich schwieriger. Ich kenn zwar keine guten Bücher über „Mentalismus“, aber in der buddhistischen Literatur, speziell im tibetischen Dzog Chen, gibt’s ein paar sehr aufschlussreiche Texte zu diesem Thema.

Jan Becker wählte anschließend noch einen Zuseher aus, der sich im Nachhinein als Mühlviertler entpuppte, und verpasste ihm auf der Bühne eine unglaublich schnelle Instant-Hypnose. „Ich berühre dich an der Schulter und du bist wach und kannst ganz normal spreche, doch sobald ich deine Stirn berühre, fällst du in einen tiefen, angenehmen Zustand und schläfst,“ sagte er einige Male, nachdem er sein Versuchsobjekt zuerst mittels Suggestion nach hinten hatte kippen lassen. Und so war’s dann auch! Im anschließenden Interview beschrieb der Zuseher seine Erfahrung als extrem angenehm, Zitat: „Das muss ich heute abend zuhause nochmal ausprobieren.“

War eine beeindruckende Vorführung, nach der ich fest davon überzeugt bin, dass Jan Becker keine Tricks im klassischen Sinn vorführt, sondern ein paar Eigenheiten der conditio humana wesentlich besser studiert hat als die meisten Zeitgenossen. Ihn würd ich gern mal im Magier-Duell mit Uri Geller erleben :twisted: Seine diesbezügliches Wissen präsentiert er auf eine äußerst professionelle und sympathische Weise, kurzum: bei nächster Gelegenheit möchte ich mir diese Think Grotesque Show unbedingt mal live ansehen – kennt die vielleicht schon jemand aus der p.t. Leserschaft?

26 Kommentare
  1. Zauberer
    Zauberer sagte:

    Uri Geller macht ne tolle Show, allerdings finde ich das ganze drumherum ein wenig übertrieben. Ich dachte, es wir jetzt wirklich „The next Uri Geller“ gesucht. Wie kann es da ne 2te Staffel geben?

  2. David
    David sagte:

    Ich bin auch gespannt, wer in der zweiten Staffel dabei sein wird. Die haben ja fast jeden angefragt. Allerdings muss man zu Jan wirklich sagen, dass er zur Zeit sicherlich der beste Mentalist in Deutschland ist. Selbst die Mentalisten wissen häufig nicht, wie verschiedene Sachen bei Ihm funktionieren. In der ersten Staffel war es einfach nur dass Nico es nicht geschafft hat, er war der einzige von all denen, die wirklich starke Nummern gezeigt haben.

  3. I. u. J. Rewitz
    I. u. J. Rewitz sagte:

    Jan Beckers Fähigkeiten sind wunderbar. Besonders ihn in seiner eigenen Show in Berlin zu sehen ist ein Erlebnis, übrigens auch für Menschen die zunächst extrem skeptisch waren. Wunderbar auch seine offene, sympathische, freundlich-nette Art in einem persönlichen Gespräch. Er wäre der wirklich würdige Nachfolger Uri Gellers. Die besten Wünsche für Ihn.

    • Margrit Ciecior
      Margrit Ciecior sagte:

      Ich brauche Jan Beckers Hilfe unsere geliebte Katze ist seit 1.März verschwunden wir rechnen mit dem schlimmsten (Katzenfänger) die Ungewißheit raubt uns den Verstand bitten um Kontaktadresse oder Telefonnummer wir wohnen bei Berlin bitte helfen sie
      uns haben sein Talent im Fernsehen gesehen eine Gabe
      bitte helfen sie uns

      • ritchie
        ritchie sagte:

        Bei der hohen Arbeitslosigkeit wundert’s mich ja nicht, dass es in Berlin wieder Katzenfänger gibt. In Zeiten der Fleischknappheit bezeichnete man die Stubentiger ja auch kulinarisch-liebevoll als „Dachhasen“. Ich hoffe, Jan liest das hier und findet die Katze.

    • ritchie
      ritchie sagte:

      Eigenartig fand ich, dass bei der 2. Staffel teilweise wieder die gleichen Leute antraten… aber im großen und ganzen war’s schon eine der unterhaltsameren TV-Shows der letzten Zeit, insofern werd ich mir die dritte Staffel wohl wieder ansehen :mrgreen:

  4. Maxim
    Maxim sagte:

    Ich bin gerade über den Artikel gestolpert, musste mir total das Lachen verkneifen vor allem als ich vom Begriff Dachhasen gelesen habe. Aber mal ehrlich wer findet Katzen denn niedlicher als Hasen? Also mir als bekennender Vegetarier ist`s letztendlich egal aber Katzen finde ich irgendwie nicht so süss wie Kanickel, naja egal, fand`s nur witzig :D

  5. Markus
    Markus sagte:

    Ich finde es gut, dass Jan Becker sich immer treu bleibt und sich nicht dem Druck des Uri Geller Formats gebeugt hat, alles direkt bei jeder Gelegenheit als übersinnlich heraus zu kehren.

  6. pascalshow that`s magic, Schweiz
    pascalshow that`s magic, Schweiz sagte:

    Ich schäme mich fast zuzugeben, dass ich diesen Künstler noch nie gesehen habe. Nachdem was man hier so liest, bin ich gespannt was mich erwartet

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