Wir Österreicher sind Ärgernisse

Wir Österreicher sind Ärgernisse

Wow, Erstaunen! Man ist ja immer vorsichtig mit Stereotypen; einen Bayern als Weißwurst zu titulieren, geht ironisch grade noch, weil über sich selber darf man bekanntlich Scherze machen und wir Osttiroler sind sozialisierungstechnisch ja halbe Bayern: zumindest hab ich in meiner Jugend wesentlich mehr Wochenenden in München verbracht als in Innsbruck. Und ich mag Weißwurst. Fast genauso gut schmeckt mir die Verbreitung unserer Piratencharts, auch wenn die neueste Stimme im Chor der Empörten da offensichtlich ein paar Kategorien verwexelt hat.

An Konkurrenzen , Ärgernissen und diversen push / pump- up Aktionen fehlt es nicht . Siehe DBC : Technorati- Linkketten & page- Piraterie, bezeichnenderweise mit Spuren nach Östereich , wo Max Kossatz und Richie Pettauer fröhlich das Domainschwanzerl von deutscheblogcharts.de in deutscheblogcharts.com umgewandelt haben und letzterer gleichwohl unbelangt weiter für ORF matrix und sogar die NMZ schreibt.

Ich schreibe weiter unbelangt meine Kolumnen für den ORF (die natürlich auch hier am Blog veröffentlicht werden) und sogar die NMZ… scharfe Formulierung, Hut ab der Herr! Und sogar Berliner Tageszeitung und the gap und what not. Journalisten-Style halt. Aber die Formulierung find ich einfach jenseitig geil: obwohl wir unsere Chart-Aktion durchgezogen haben, darf ich trotzdem weiter für den ORF über Web 2.0 und Charts und dergleichen schreiben. Eigentlich erscheint mir die Forderung, dass ein Journalist, der über Medien schreibt, sich möglichst nicht im Internet aufhalten sollte, äußerst skurril. Oder welche andere Implikation kann man dieser Aussage entnehmen?

Dass Meister Zintzen so gar nicht versteht, worum’s bei der ganzen Piratenaction eigentlich geht, ist dann wiederum bezeichnend für die Misstände in deutsch Blogistan: da schreiben einige semi-informierte Paradigmatiker über die politische Wichtigkeit des Blogformats und schürt wöchentlich ein selbstbezügliches, geradezu inzestuöses Feuer innerhalb einer Szene, bei der aktive Leser- und Autorenzahlen nahezu in Nulldifferenz kollabieren. Misstrauen ist angesagt! Ich hab’s schon mal geschrieben und kann’s nur wiederholen: ich treibe mich seit viel zu langer Zeit im Dunstkreis der Netzkunstszene rum. Leudde wie Hans Bernhard oder Alexej Shulgin, die q/uisse, monochrom etc… die Arbeit jener Künstler und Theoretiker, die ich spannend finde, geht nicht von einem behaupteten Status Quo („Die Blogosphäre ist wichtig und gut“) an Fragestellungen ran, sondern versucht, durch smarte Setups, Interventionen und Hacks Denkprozesse bei allen Beteiligten in Gang zu setzen, die nicht über vorgegebene Bahnen verlaufen.

Natürlich folgt der „wider die guten Sitten“ Argumentation der ökonomische Rundumschlag auf den geschwollenen Fuß:

Dass nirgendwo eine Differenz gezogen wird zwischen kommerziellen Bezahlbloggern (egal , ob von Zeitungen ins Rennen geschickt oder per Adsense, Adical, Trigami geknechtet), liegt wohl in der Logik der allumfassenden Kompetition – gleich, ob es sich um reales oder symbolisches Kapital handelt.

Und dann wenige Sätze später:

Dass nun auch das Startup- Fieber die österreichische Bloglandschaft überrollt, zeigt das Barcamp Vienna auf der Wilhelmshöhe Ende September. Ganz nett, sich die Subscribers durchzusehen und deren jeweilige Selbstdarstellung . Fast wie bei den Grossen!

Das ist nicht nur geschmacklos, sondern lässt auch die Frage offen, auf den sich „groß“ bezieht… Aber man muss gar nicht zu Unterstellungen greifen, wie das der werte Herr Kollege tut. Informationen aus erster Hand aufzunehmen wär extrem hilfreich, anstatt weiterhin dass Misstrauen gegen Österreich zu schüren – schlimm genug, dass wir innnerhalb der internationalen Staatengemeinschaft als Schurkenstaat gelten!

PS: Meine nächste matrix-Kolumne schreib ich zum Thema „Quantitative Vermessung der deutschen Blogosphäre“. Das ist ja das schöne an Kolumnen: die drücken eine Meinung aus.

0 Kommentare
  1. Liliana
    Liliana sagte:

    Hmm … Wurde der Link von dir falsch gesetzt oder stimmt er von sich aus nicht (mehr)?
    Ihr seid aber auch bös – könnte aber auch nur Neid sein, weil euer Dialekt viel attraktiver ist als seiner :grin: (geh jedenfalls davon aus, dass der Herr (?) kein Österreicher ist, nachdem es kein Impressum gibt *pfui*)

  2. wortgefecht
    wortgefecht sagte:

    Who the f*** is Zintzen? Anyway, seit wann seid ihr Ösis ein Schurkenstaat? Wenn, dann sind wir, eure Partner bei der EM-Organisation, der Schurkenstaat. Sagt zumindest der ORF (Fernsehen – nicht Radio).

  3. orange boots
    orange boots sagte:

    wunderbar , guter alter Grillparzer : „da tritt der Österreicher vor ihn hin ….“ . – – – dass die deutsche nabelschau so grantig auf „östliche“ interventionen reagiert, liegt in der natur dieses hackbratens. dass sich deshalb eine intelligentere Ö-ffentlichkeit herausbildet, nicht.
    und Sie haben insoferne recht, werter Ritchie, als man nicht ad nominem argumentieren darf. da erinnern Sie mich zu recht an eine übertretung und werde mich in zukunft daran halten. – gleichwohl muss wien ja nicht berlin spielen und diese start- upperei nachahmen. und dass Sie mit Ihrer multi-medialen coverage der e-themen eine gewisse verantwortung tragen, ist Ihnen wohl bewusst. gerade per net lassen sich die ja-sager sehr leicht rekrutieren. leichter und mit deutlich sichtbareren folgen als per print und natürlich sowieso via radio .

  4. ritchie
    ritchie sagte:

    @Liliana – ja, das könnte natürlich sein :mrgreen:
    Die Artikel-URL hat sich geändert, ich hab’s ausgebessert.

    @gis – die Sendung war großartig. Aber nur, weil euer stellvertretender Botschafter so extrem schlagfertig war und unsere Comedians recht alt aussehen hat lassen.

    @Orange Boots: ja, da haben Sie natürlich recht. Aber spannend werden Interventionen ja immer dort, wo sie die Pfade des erwartbaren Kanons verlassen! :mrgreen:

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